Ampel hat aus ihren Fehlern nicht gelernt
- Jürgen Wermser
- 11. Okt. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

Liebe Leserinnen und Leser,
in unserem Wochenkommentar befassen wir uns mit der Lage der Berliner Ampelkoalition nach dem überraschenden Rücktritt von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und den Konsequenzen auch für den ländlichen Raum. Im Mittelpunkt steht dabei die Rolle von Robert Habeck vor dem Hintergrund der aktuell schlechten Wirtschaftslage und der Diskussion um eine 1000-Euro-Prämie für Langzeitarbeitslose, die wieder einen Job aufnehmen. Weitere Themen sind die Ausbreitung einer neuen Seuche bei Feldhasen, die Kür von Königinnen und Königen bei vielen Jagden sowie in anderen Bereichen im ländlichen Raum.
Die Personalie der Woche kam überraschend aus Berlin. Der erst 35-jährige SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert trat aus Gesundheitsgründen zurück. Augenscheinlich sind seine Kräfte momentan erschöpft. Dies gilt es zu respektieren. Für seine Partei und für ihn selbst ist das eine bittere Entwicklung und Entscheidung. Zugleich wirkt der Vorgang wie ein Sinnbild für den Zustand der SPD und der Koalition insgesamt. Das Regierungsbündnis wirkt erschöpft. Es fehlen Kraft, Schwung und neue Ideen. Da rächen sich die Fehler und Versäumnisse der vergangenen Jahre. Bezeichnend hierfür ist die aktuelle Wachstumsschwäche der Wirtschaft, die der zuständige Minister Robert Habeck in dieser Woche regierungsamtlich bestätigen musste.
Dieser ökonomische Rückschritt ist politisch in hohem Maße besorgniserregend. Denn natürlich sind florierende Unternehmen nicht alles, aber ohne florierende Unternehmen ist zumindest sozial- und gesellschaftspolitisch fast alles nichts. Das geht von Förderprogrammen jeglicher Art und Bildungsinvestitionen bis hin zu militärischer Sicherheit. All die dafür notwendigen Gelder müssen erwirtschaftet werden – von Betrieben und den dort arbeitenden Menschen, die brav ihre Steuern zahlen und damit den Staat am Laufen halten. Dies scheint so mancher selbsternannter Weltverbesserer gelegentlich zu vergessen.
Praxisferne Reformprojekte
Der Grünen-Politiker Habeck selbst weiß um die Bedeutung einer wachsenden Wirtschaft. Aber wissen heißt in seinem Falle als Wirtschaftsminister nicht gleich können – sei aus fachlichem Unvermögen oder wegen koalitions- beziehungsweise parteiinternem Widerstand. Beides läuft letztlich auf dasselbe hinaus: zu viele staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen, verbunden mit praxisfernen und zu teuren Reformprojekten vor allem im Energiebereich. Man denke nur an das Heizungsgesetz, bei dem sich Habeck politisch eine blutige Nase geholt hat.
Doch haben Habeck und seine Koalitionspartner aus diesem Polit-Desaster tatsächlich gelernt? Man kann dies durchaus bezweifeln, wenn man an die Diskussion um eine 1000-Euro-Prämie für Langzeitarbeitslose denkt, die wieder einen Job aufnehmen. Denn rein theoretisch mag eine solche Zahlung zwar vertretbar sein, weil ein Arbeitsloser weniger zugleich mehr Geld in den Sozialkassen bedeutet. Völlig aus Acht gelassen wird bei dieser Rechnung aber das Gerechtigkeitsgefühl von Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die ganz selbstverständlich ihrer oft beschwerlichen Tätigkeit nachgehen und kein Verständnis für Menschen haben, die zu Lasten der Allgemeinheit nicht arbeiten wollen. Anders gesagt: Wer für den eigenen Lebensunterhalt berufstätig sein kann, sollte dies auch müssen. Das ist eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit, die nicht extra honoriert werden muss.
Arbeitnehmer und Selbstständige stark belastet
Erschwerend kommt hinzu, dass sich viele ganz normale Arbeitnehmer vom Staat finanziell und durch Verordnungen und Auflagen ohnehin stark belastet fühlen. Das gilt natürlich auch für viele Selbstständige und die Unternehmen. Denn ihrem ursprünglichen Ziel, Politik speziell für die sogenannte arbeitende Mitte der Bevölkerung zu machen, ist diese Koalition nur sehr bedingt gerecht geworden. Und der Eindruck, den die Debatte um die als „Hintern-Hoch-Prämie“ geschmähte Extrazahlung für Langzeitarbeitslose bei den Wählern hinterlässt, ist gewiss auch kein Rückenwind für die Koalition. Kurzum, immer offener wird die Frage gestellt, ob diese uneins wirkende Ampelkoalition tatsächlich noch bis zur Bundestagswahl im nächsten September durchhält. Die Opposition beginnt bereits mit den Planspielen zu einer vorgezogenen Bundestagswahl. CSU-Chef Söder will dazu übrigens schwarz-grün ausschließen. Der Kanzlerkandidat und CDU-Vorsitzende Merz hält sich dagegen mit dem Rückenwind von 15 Landesverbänden „gesprächsfähig“ mit den Grünen. Diesen Rückhalt hat das Redaktionsnetzwerk Deutschland durch eine Umfrage in den Ländern herausgefunden. Gleichwohl verkündete Söder vor Beginn seines Parteitags an diesem Wochenende in Augsburg: „Wir unterstützen Merz und wollen, dass er Kanzler wird“. Nur mit wem, sagt er nicht. Heute spricht der Kanzlerkandidat dort vor der CSU.
Von alledem sind naturgemäß auch die Menschen im ländlichen Raum betroffen. Viele von ihnen beobachten die Zustände in Berlin mit einer Mischung aus Befremden, Enttäuschung und Frustration. Ihnen sind Themen wichtig, die in Großstädten und nicht zuletzt im politischen Berlin trotz vieler Lippenbekenntnisse de facto nur eine Nebenrolle spielen. Dies betrifft etwa den Ausbau der Infrastruktur und Digitalisierung auch in dünner besiedelten Regionen, die ökologisch und wirtschaftlich gleichermaßen vernünftige Naturnutzung sowie eine Energiewende, die auf die besonderen Lebensumstände im ländlichen Raum angemessen Rücksicht nimmt.
Königliche Unterstützung für Wald & Wild
Zu den schönen Seiten des Lebens im ländlichen Raum gehört die Kür von Königinnen und Königen, die wir bei vielen Jagden erleben. Ein guter und schöner Brauch, um etwa nach erlebnisreichen Gesellschaftsjagden im Namen der Gäste an die Adresse der einladenden Beständer Danke zu sagen. Jagdkönigin oder -könig lassen das an diesem Tag Erlebte Revue passieren, um dabei die aktiv Mitwirkenden wie Treiber, Hundeführer oder Bläser für ihren Einsatz zu loben. Es gibt überall im Lande saisonal Weinköniginnen, Spargelköniginnen, Heideköniginnen und weitere meist weibliche gekrönte Häupter vom jeweiligen Fach, die Betriebe und Produkte im Ländlichen repräsentieren und dafür werben.
In Baden-Württemberg gibt es wohl mit Alleinstellungsmerkmal sogar eine Waldkönigin. Sie wird für zwei Jahre vom Kuratorium Wald gekürt, das sich aus Vertretern des Vereins Waldarbeitsgemeinschaften, der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, dem Verband der Agrargewerblichen Wirtschaft und der Forstkammer zusammensetzt. So wurde von diesem Gremium Leonie Betz dort im Südwesten der Republik zur Waldkönigin gekrönt. Sie ist nach einem Bericht im Mitteilungsblatt des Landesjagdverbandes Baden-Württemberg aktuelle „Botschafterin des Waldes und der Forst und Holzwirtschaft“.
Leonie Betz ist Forstwirtin und betreut einen Gemeindewald in der Ostalb. Sie sucht das Gespräch mit Freizeitnutzern und Hundehaltern, die dort unterwegs sind, um Verständnis für Forst und Jagd zu wecken und in der Öffentlichkeit für diesen Zusammenhang zu werben. Auch das, was zu ihren Aufgaben im Beruf gehört, schildert sie: Holzeinschlag, Forstschutz, Jungbestandspflege, Wegebau und das Setzen junger Bäume. Rund 30 Auftritte im Jahr warten auf sie, um zu vermitteln, wie Wald und Wild geschützt und gepflegt werden. Auf der Homepage der Waldkönigin wird empfohlen: „Wenn Sie eine Aktion rund um den Wald oder zum Thema Nachhaltigkeit planen, laden Sie sich doch mal ‚königliche‘ Unterstützung ein.“
Auch unserer Stiftung geht es darum, Natur und Naturnutzung im Einklang zu betrachten. Das Thema Wald & Wild bildet dabei einen Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit.
Niederwild unter enormem Druck

Kommen wir zum Schluss zu einem wenig erfreulichen Thema. Trotz aller Hegebemühungen der Jäger steht das Niederwild in der modernen Agrarlandschaft unter enormem Druck. Nun lässt eine neue Seuche die Feldhasen reihenweise verenden. Erstmals ist in Deutschland die Myxomatose vom Wildkaninchen auf Meister Lampe übergesprungen. Ausgehend vom Kreis Wesel am Niederrhein breitet sich die Krankheit mit rasanter Geschwindigkeit aus und dürfte bald den Osten Nordrhein-Westfalens und das dort angrenzende Niedersachsen erreichen. Noch bevor die Erntezeit der Grünröcke begonnen hat, werden in den betroffenen Gebieten deshalb bereits erste Treibjagden abgesagt. Die Jäger folgen damit einer Empfehlung des Landesjagdverbandes. Denn einerseits soll eine Beunruhigung von Meister Lampe vermieden und damit eine Ausbreitung der Seuche in weitere Bereiche verhindert werden. Andererseits verfügen Feldhasen, die eine Infektion überstanden haben, sehr wahrscheinlich über Antikörper gegen das kursierende Virus. Dies ermöglicht ihnen, auf einen erneuten Myxomatose-Ausbruch mit einer gezielten Immunreaktion zu reagieren und somit nicht zu erkranken. Damit sich die verbliebene Population erholen kann, wird also jeder überlebende Hase benötigt. In einem Blog-Beitrag wird unser Autor Christoph Boll am Dienstag die Seuchenentwicklung beleuchten.
Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, wünsche ich eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen
Ihr Jürgen Wermser
Redaktionsleitung/Koordination
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