Zwei Europaabgeordnete erfahren, dass die Bauern erleichtert sind über die Entlastungen aus Brüssel und wo ihnen noch immer der Schuh drückt
Mit überraschend großer Mehrheit (430 Ja; 130 Nein) hat das Europaparlament vor wenigen Tagen deutliche Änderungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) angenommen. Drei Umweltauflagen wurden entschärft, die die Landwirte erfüllen müssen, um die Direktzahlungen zu bekommen. Diese Erleichterungen für die Bauern bei den sogenannten Standards für den „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ der Flächen (GLÖZ) treten noch vor der Europawahl in Kraft. Vom Tisch ist damit etwa die Auflage, vier Prozent der Ackerfläche brach liegen zu lassen. Diese Maßnahme im Zeichen des Klimaschutzes hatte die Bauern besonders empört, sie empfanden sie als Enteignung durch die EU.
Nur 24 Stunden nachdem das Europaparlament grünes Licht gegeben hat, besuchen Norbert Lins, Chef des EU-Agrarausschusses, und der Binnenmarktexperte Andreas Schwab (beide CDU) landwirtschaftliche Betriebe. In der Ortenau – der Landkreis liegt wenige Kilometer vom EU-Parlament in Straßburg entfernt und zieht wegen seiner idyllischen und vom Weinbau geprägten Landschaft viele Touristen an – diskutierten die beiden deutschen CDU-Abgeordneten die jüngsten Beschlüsse mit betroffenen Landwirten und Winzern.
Stephan Danner, Geschäftsführer der Winzer-Genossenschaft Durbach, ist besonders erleichtert, dass die Arbeiten an der Pestizidverordnung (SUR) von der EU-Kommission auf Eis gelegt wurden. „Wenn die SUR gekommen wäre, hätte dies die Stilllegung von etwa ein Drittel unserer Anbaufläche bedeutet.“ Der ursprüngliche Plan, der auf das Konto des inzwischen ausgeschiedenen Green-Deal-Hardliners und Vize-Kommissionspräsidenten Frans Timmermans ging, sah das Verbot von Pflanzenschutz in Schutzgebieten vor.
Reben im schönen Durbachtal wachsen zu großen Teilen an Hängen, die in Landschaftsschutzgebieten liegen. Agrarausschusschef Lins, der seinen Wahlkreis etwas südlicher auf der Schwäbischen Alb hat, erläutert: „Timmermans und die rot-grünen Agrarpolitiker hätten mit uns eine maßvolle Reduzierung von Pestiziden haben können – und zwar in der gesamten EU.“ Da ein Kompromiss aber nicht möglich war, zog die Kommission den Vorschlag auf maßgebliches Betreiben von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zurück. „Die Folge ist nun, dass in Spanien und Italien weiter viel Pflanzenschutz ausgebracht wird, im Südwesten aber bis 2030 bezogen auf die Jahre 2011 bis 2013 der Pestizideinsatz um die Hälfte zurückgehen wird.“ Dafür sorge das Biodiversitätsstärkungsgesetz der grün-schwarzen Landesregierung im Südwesten.
Folgen auch für Tourismus
Danner von der Winzer-Genossenschaft betont die Landschaftspflege durch den Weinbau. „Wenn unsere Winzer im großen Stil gezwungen gewesen wären, den Anbau aufzugeben, wären etliche Touristen ausbleiben.“ Die Urlauber kommen nicht nur wegen der guten Weine, sondern auch wegen der gepflegten Weinberge.
Ein Dorf weiter liegt der Obsthof von Markus Grimmig. Wie auch andere Landwirte hat er schon daran gedacht, seinen Betrieb aufzugeben. Er appelliert an die beiden Abgeordneten, den Papierkrieg mit den Behörden zu erleichtern. „Ich habe schon auf Investitionsförderung verzichtet, weil mir der bürokratische Aufwand zu hoch war.“ Immerhin werden Betriebe mit weniger als zehn Hektar Fläche jetzt entlastet von Kontrollen der Behörden bei den „GLÖZ“-Standards. Davon profitieren gerade im Südwesten viele Betriebe, wo die Höfe wegen der Realteilung bei der Vererbung klein sind.
Grimmig spricht ein anderes Thema an, wo die ursprünglichen EU-Pläne am Ende doch noch abgemildert wurden: Statt einem Verbot vom Pflanzenschutz-Allroundmittel Glyphosat hat ebenfalls von der Leyen eine Erneuerung der Zulassung um zehn Jahre durchgesetzt. Grimmig setzt auf Glyphosat, um kleine Streifen zwischen den Obstbäumen von Unkraut freizuhalten. Darauf hätte er nicht verzichten wollen: „Wenn sie mir Glyphosat verboten hätten, hätte ich gerodet.“
Zwei Anliegen nehmen die Abgeordneten mit von den Bauern, die sie besuchten. Zum einen müsse die Pflanzenschutzzulassungsverordnung der EU nach den Europawahlen überarbeitet werden: „Es kann nicht sein, dass die Landwirte auf der anderen Seite des Rheins im Elsass Mittel nutzen dürfen, die bei uns nicht zugelassen sind.“ Außerdem drücken Grimmig und seine Kollegen die Lohnkosten: „Wir brauchen eine Sonderregelung für unsere Erntehelfer. Der hohe Mindestlohn ruiniert uns.“
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