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War es die Mühe wert?

  • Autorenbild: Wolfgang Kleideiter
    Wolfgang Kleideiter
  • 20. Feb.
  • 3 Min. Lesezeit

Ohne politischen Mut bleibt die Transformation von Land- und Ernährungswirtschaft eine Vision. Das soeben erschienene Sachbuch „Brücken bauen“ von Rainer Münch und Ludger Schulze Pals zeigt, in welch schwerem Fahrwasser die Borchert-Kommission und die Zukunftskommission Landwirtschaft unterwegs waren


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Immer wieder haben sich auch Autoren unseres Blogs darüber gewundert, wie achtlos und abweisend Teile der Politik mit zwei hochkarätig besetzen Gremien umgegangen sind. Beiden Arbeitskreisen – dem „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“, besser bekannt als Borchert-Kommission, und der „Zukunftskommission Landwirtschaft“ (ZKL) – wurden zwar in Sonntagsreden Top-Ergebnisse bescheinigt. Doch unter der Woche scheuten Gegner und Hardliner keine Mühen, den sachbezogenen Konsens kleinzumahlen.


Bis heute geht das so. Die Borchert-Kommission hat wegen der nur halbherzig geklärten Finanzierung der Tierwohlmaßnahmen längst die Brocken hingeschmissen. Die ZKL wartet darauf, was eine neue Bundesregierung aus den strategischen Leitlinien und Empfehlungen machen wird. Parallel laufende Entwicklungen auf EU-Ebene geben zumindest etwas Anlass zur Hoffnung.


Die Hoffnung, schmerzhafte Grabenkämpfe hinter sich zu lassen, den massiven Streit um die Nutztierhaltung zu befrieden und eine neue Agrarumweltpolitik zu entwickeln, stand auch am Anfang der beiden von der damaligen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Bundeskanzlerin Angela Merkel 2019 und 2020 eingesetzten Arbeitskreise. Brückenbauer wie Jochen Borchert, Landwirt und Ex-Bundeslandwirtschaftsminister, Werner Schwarz, DBV-Funktionär und inzwischen Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, sowie Peter Strohschneider, früherer Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und geschickter Lenker der Zukunftskommission, schafften gemeinsam mit den Gremien etwas, das zuvor kaum für möglich gehalten wurde: Arbeitspapiere und Abschlussberichte, die von den einst so spinnefeinden Konfliktparteien gemeinsam getragen wurden. Ein Beleg dafür, dass in aussichtslos erscheinenden Situationen der Dialog möglich ist. Man erinnere sich: 2019 gab es im Vorfeld der Kommissionsgründungen große Protestaktionen der Bauern, die mit der Agrarpolitik höchst unzufrieden waren. Und gleichzeitig lief eine angeheizte Debatte über die Nutztierhaltung sowie den Umwelt- und Klimaschutz auf Hochtouren.


Hilfreiche Perspektivwechsel


Rainer Münch und Ludger Schulze Pals beschreiben kenntnisreich die Stimmungs- und Ausgangslage und schildern detailliert, wie sich Land- und Agrarwirtschaft, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschützer sowie viele namhafte Vertreter der Wissenschaft seinerzeit auf den gemeinsamen Weg machten. „In der Denke des anderen denken“ – der Perspektivwechsel half in manch schwierigen Diskussionen weiter. Entgegenlaufende Interessen und Standpunkte führten nicht wie sonst in eine Sackgasse, sondern wurden Teil eines Meinungsspektrums. Die Politik erhielt, um was sie die beiden Gremien gebeten hatte: sachbezogene, gesellschaftlich austarierte Ergebnisse und Vorschläge. Im Fall der Bochert-Kommission zeigten Machbarkeitsstudie und Folgenabschätzung, dass jetzt eine stabile Basis für Entscheidungen zur Verfügung stand. Doch war es die Mühe wert?


Das fragt man sich angesichts des Umgangs der GroKo und besonders der Ampel-Regierung mit den Empfehlungen. Die Agrarjournalisten Münch und Schulze Pals, die mit vielen Kommissionsmitgliedern gesprochen und Hintergründe recherchiert haben, analysieren treffend das Zögern und Zaudern. Das Klima für beide Kommissionen war gut, aber die Zeit scheint noch nicht oder wieder nicht reif dafür zu sein, die Zukunftsfragen der Landwirtschaft anzufassen. Die zerstrittene Ampel verzögerte und torpedierte bis zuletzt die Lösungsvorschläge. Das Agrarpaket im Sommer 2024 war nach dem Agrardiesel-Ärger der untaugliche Versuch der alten Regierung, einen Brand zu bekämpfen.


Das Buch über die Kommissionen und ihre anstrengende und vielschichtige Arbeit ist in vielen Punkten lesenswert, da es in die Tiefe geht. Ganz besonders lohnt sich der Blick ins sechste Kapitel. Münch und Schulze Pals haben dort „Elf goldene Regeln“ für die Arbeit in und den Umgang mit Fachgremien formuliert. Kommissionen können trotz mancher Vorbehalte „Regierungen sehr wohl helfen, die Diskussion zu ordnen, zu kanalisieren und auf diese Weise mögliche Lösungswege vorbereiten“. Aber: Man muss es ernst meinen und politisch Mut zeigen.


Rainer Münch, Ludger Schulze Pals: Brücken bauen. Für ein besseres Miteinander von Bürgern und Bauern. Der Erfolg der Zukunftskommission Landwirtschaft – und deren Scheitern? LV Buch, 159 Seiten, 24,00 Euro.

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