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Jürgen Muhl

Das große Bangen um Northvolt

Schwedisches Unternehmen angeblich vor der Insolvenz


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Computeranimierte Darstellung (Foto: Northvolt)

Die Erdarbeiten waren in vollem Gang. Auch in der letzten Woche noch. Zwischen der Dithmarscher Kreisstadt Heide und dem Nordseebad Büsum soll die Northvolt-Batteriezellen-Fabrik auf einer Fläche von rund 170 Hektar entstehen. Batterie-Herstellung mit sauberem schleswig-holsteinischen Strom aus Wasser- und Windkraftwerken, wie geworben wurde.  Aufbruchstimmung an der Westküste, von der Elbmündung hoch bis zur dänischen Grenze. Die größte Industrie-Ansiedlung in der Geschichte des Landes Schleswig-Holstein aber droht zu platzen. Wie die „Financial Times“ berichtet, steht die Insolvenz des schwedischen Unternehmens Northvolt kurz bevor. Dies wäre ein herber Schlag für Schleswig-Holstein und insbesondere für die Regionen an der Westküste. Rund 3000 neue Arbeitsplätze sollten schon bis 2026 entstehen.


Wie die britische Zeitung unter Verweis auf Insider am Dienstag berichtet, erwägt das finanziell stark angeschlagene Unternehmen, Gläubigerschutz nach dem amerikanischen „Chapter 11“ anzumelden oder sogar in die Insolvenz zu gehen. Über die Zukunft von Northvolt und damit auch der geplanten Batteriefabrik im nördlichsten Bundesland werde „in den nächsten Tagen entschieden“, heißt es. Einer der Hauptinvestoren von Northvolt habe gegenüber der „Financial Times“ erklärt, dass er eine Insolvenz in „der nächsten Woche“ für wahrscheinlich hält. Er habe den Wert seiner Investition daher „auf Null“ abgeschrieben, wird hinzugefügt.  


Die Nachricht schlug gestern in der Kieler Staatskanzlei sowie bei zahlreichen mittelständischen Investoren, die bereits Land in der Nähe des geplanten Werkes gekauft haben, wie eine Bombe ein. Hatte Northvolt doch bislang trotz großer Finanzprobleme an den Plänen der Fabrik in Heide festgehalten. 


Bangen und Schweigen in der Politik


Möglichst sollten derzeit keine Fragen zu Northvolt gestellt werden. Und wenn schon, dann bitteschön an Northvolt direkt. Die Kieler Landesregierung gibt sich zugeknöpft. Sie bangt, geht es doch schließlich um viel Geld. Bund und Land unterstützen den Bau der Batteriefabrik mit rund 700 Millionen Euro, hinzu kommen Garantien von weiteren 202 Millionen Euro. Aus einer Vereinbarung geht hervor, dass demnächst Landesmittel in Höhe von 137 Millionen Euro fließen sollten, auf den Bund entfallen etwa 564 Millionen. Das hoch verschuldete nördlichste Bundesland will die Förderung über den Ukraine-Notkredit finanzieren. Ein politisch umstrittenes Finanzierungs-Modell. Ob die Auszahlung bis Jahresende erfolgen könne, sei „nicht belastbar vorhersehbar“, hatte Staatskanzleichef Dirk Schrödter (CDU) Mitte Oktober gesagt. 


Das schwer angeschlagene schwedische Unternehmen befindet sich nach eigenen Angaben von vor zwei Wochen in Verhandlungen über die weitere Finanzierung. Zuletzt hatte Northvolt die Entlassung von rund 1600 Mitarbeitern in seinem Heimatland angekündigt und mehrere Expansionspläne auf Eis gelegt. 


Steuerschulden von umgerechnet 25 Millionen Euro waren über Monate offen, wurden aber vor Kurzem an den schwedischen Staat beglichen. Die erst im Jahr 2018 gegründete Start-up-Firma verlor in diesem Jahr Großaufträge von BMW und der Volkswagen-Tochter Scania, weil Lieferzusagen nicht eingehalten worden seien, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Zudem bereiten die fehlenden Verkäufe an E-Autos in Europa Probleme. Dennoch hatte Northvolts Deutschlandchef Christofer Haux noch Mitte Oktober ein Bekenntnis zum Bau der Batteriefabrik in Heide abgegeben.


Und doch gab es im Norden in den letzten Wochen erhebliche Zweifel an der Realisierung des Mammut-Projekts. In den Kreisen Dithmarschen, Steinburg und Nordfriesland ist es vorbei mit der Goldgräberstimmung. Die Preise für Ländereien fallen wieder, nachdem sie in den letzten beiden Jahren kräftig gestiegen waren. Spekulanten hatten auf eine Reihe von Zulieferern und private Hausbauer gesetzt. Von rund 3000 Arbeitsplätzen, die in der strukturschwachen Region entstehen sollten, war immer die Rede. Seit gestern glaubt kaum noch jemand im Norden daran. 

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