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Wolfgang Molitor

Das Los der Liberalen

„Alles lässt sich ändern“: FDP-Chef Lindner liefert auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart eine Menge Ansatzpunkte


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Foto: christian-lindner.de

Ein Liberaler zu sein, ist nicht leicht. Das ist nicht erst seit dem unrühmlichen Ende der Ampel so. Christian Lindner hat es vor einem Jahr auf dem Stuttgarter Dreikönigstreffen noch als Bundesfinanzminister larmoyant so formuliert: Freidemokraten würden für das kritisiert, was sie machen – und für das, was sie nicht machen. Und für das, was sie verhindern. Das sei das Los der Liberalen. Ganz nach dem Diktum der Publizistin Marion Gräfin Dönhoff, die nicht ohne Stolz und mit reichlich Selbstbewusstsein schon vor vielen Jahren konstatiert hatte: „Der Platz der Liberalen ist zwischen allen Stühlen.“ Liberale haben sich mit politischen Unbequemlichkeiten, mit dem Auf und Ab abgefunden. Doch zu Beginn dieses Jahres und sieben Wochen vor der Bundestagswahl fragt sich so mancher in den blau-gelben Reihen ratlos: Wo sind Stühle?


Mit der FDP rechnen in der nächsten Legislaturperiode nicht mal jene, die es der kleinen Partei aufrichtig und gut begründet wünschen, dass das Wahlvolk sie über die Fünf-Prozent-Hürde springen lässt. Das Votum ist mehr als ungewiss. Ob vor dem Ende der Ampel oder danach: Die Liberalen müssen wohl bis zur ersten Hochrechnungsminute bangen. Und die Hoffnung, die Union werde sich auf ihre heftigen Koalitionsavancen einlassen, ist angesichts der liberalen Schwäche, vor allem aber wegen des neuen Wahlrechts und der damit einhergehenden noch größeren Bedeutung der Zweitstimmen Illusion.


Also galt es an Dreikönig mehr denn je, Zuversicht zu verbreiten. Sich nicht vorschnell selbst aufzugeben. Sich für unverzichtbar zu erklären. So zu tun, als werde man nach dem 23. Februar für eine Regierungsmehrheit gebraucht. Dreikönig 2025, das bedeutet liberale Autosuggestion, das Unterbewusstsein so zu trainieren, an etwas zu glauben. Und positiv an einen glimpflichen Wahlausgang zu denken.


Kampf gegen mangelnde Zuversicht


Dass in möglichen schwarz-roten oder schwarz-grünen Zeiten gerade das liberale Denken und Handeln mehr denn je gebraucht wird, ist dabei ohne Blick durch die beschlagene Parteibrille ziemlich unstrittig. Eine Wirtschaftswende, für Leistungswillen statt Verteilromantik, für kluge Ausgabendisziplin statt schieflastiger Schuldenmacherei, für mehr Zurückhaltung beim bevormundenden Griff des Staates in individuelle Lebensentwürfe, dazu steuerliche in der Breite angelegte Entlastungen und strenge bürokratische Diät: Liberale Schwerpunkte, mit Kompromissfähigkeit und Teamgeist gepaart, würden ein jedes Regierungsbündnis zieren. Dafür ist die FDP im Bundestag eine unverzichtbare treibende Kraft. Eine Kämpferin gegen das Defizit der Zuversicht, wie Lindner es nennt. Mag einer wie Olaf Scholz schmerzhaft unter die liberale Gürtellinie schlagen, ein Goethe-Satz passt zum Ende der Ampel: Wenn Männer sich entzweien, hält man billig den Klügsten für den Schuldigen.


Doch wie es aussieht, wird die FDP vorerst nicht zum Regieren gebraucht. Ob SPD oder Grüne, beide werden es sich schon aus emotionalen Beweggründen nicht leisten können, Lindner wieder mit an Bord zu nehmen. Mag der die Union umgarnen, sie möge sich wegen einer „gewaltigen Schnittmenge“ im Wahlkampf für ein christlich-liberales Bündnis aussprechen statt nur ans Kanzleramt zu denken und für einen Politikwechsel einzutreten: Es wird nicht reichen – auch wenn ein Agent provocateur wie Wolfgang Kubicki über zehn Prozent oder eine schwarz-rot-gelbe Deutschlandkoalition schwadroniert.


Immerhin: Das Dreikönigstreffen hat gezeigt, dass sich die FDP glaubhaft nicht aufgibt. Lindners „Jetzt erst recht“ ist da mehr als eine Durchhalteparole.

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