Die Sorge vor einem Durchmarsch der AfD bei der Kommunalwahl in Thüringen war groß. Besonders vor den Landtagswahlen im Herbst glaubten viele an einen Erfolg der Höcke-Partei. Aber es kam anders
Der große Knall blieb aus. Bei der Kommunalwahl in Thüringen am Sonntag konnte kein Kandidat der AfD im ersten Wahlgang ein Landrats- oder Oberbürgermeisteramt erobern. Ganz im Gegenteil: In dem Land, in dem Björn Höcke Landesvorsitzender der AfD ist und dessen Verband als besonders rechtsextrem gilt, siegten vielerorts CDU-Kandidaten oder Parteilose. Allerdings kamen neun von 13 angetretenen AfD-Kandidaten in die Stichwahl – vor allem gegen CDU-Kandidaten.
Jetzt muss vielerorts die Stichwahl entscheiden. Die vorsichtige Erleichterung in allen demokratischen Parteilagern war jedenfalls groß. „Das ist ein guter Tag für Thüringen, das ist ein guter Tag für die Demokratie“, freute sich denn auch der Spitzenkandidat der thüringischen CDU, Mario Voigt.
Vor allem in den größeren Städten wie Erfurt, Eisenach und Suhl liegen die CDU-Kandidaten nach dem ersten Wahlgang vorn. In der Landeshauptstadt Erfurt hat die CDU Aussicht auf eine Rückeroberung des Rathauses nach 18 Jahren SPD-Führung. Auch in den etwas ländlicheren Landkreisen liegt nur im Altenburger Land in Ostthüringen der dortige AfD-Bewerber Heiko Philipp am Ende knapp vor Amtsinhaber Uwe Melzer (CDU).
Weimar im Fokus
Besonders aufmerksam wurde die Wahl in der Klassiker-Stadt Weimar beobachtet: Dort konnte aber der parteilose Kandidat Peter Kleine sein Amt schon im ersten Wahlgang verteidigen – genauso wie André Knapp in Suhl, der allerdings in seiner Stadt in Südthüringen nur einen Gegenkandidaten von der Linkspartei hatte. Das Bündnis Sahra Wagenknecht hatte bei dieser Kommunalwahl kaum Kandidaten aufgestellt.
Erfolge in Kreisen und Städten, die vor allem dem CDU-Spitzenkandidaten Mario Vogt vor der Landtagswahl Anfang September Auftrieb geben werden. War es doch Voigt, der sich mutig ins TV-Duell gegen Höcke – wohl der einflussreichste AfD-Politiker in zweiter Reihe – wagte und gewann. Voigts klarer Kurs der Abgrenzung wird auch von der Parteiführung um Friedrich Merz und Carsten Linnemann positiv begleitet, wie auf dem Parteitag vor drei Wochen sichtbar wurde.
Die Sorge vor einem kommunalen Sieg der AfD erhielt am 25. Juni 2023 neue Nahrung. An diesem Tag gewann im Landkreis Sonneberg erstmals ein AfD-Kandidat eine Landratswahl. Seitdem kennt ganz Deutschland Thüringens südlichsten Kreis. Passende und unpassende Kommentare sorgten dafür, dass Thüringen noch weiter in der öffentlichen Wahrnehmung als rechtes Basislager verortet wurde.
Nüchtern analysiert, fällt aber durchaus ein mindestens zeitlicher Zusammenhang zwischen schiefgelaufener Ampel-Politik in Berlin und dem lokalen Wahlergebnis in Sonneberg ins Auge. „Damals war das Heizungsgesetz der Berliner Ampel-Regierung der große Aufreger bei uns gewesen“, erinnert sich Christian Tanzmeier, Chef der CDU-Fraktion im Sonneberger Kreistag, noch heute kopfschüttelnd an diese Zeit. 50.000 Euro für den Einbau einer neuen Heizung plus Wärmepumpe, das können sich viele Haushalte gerade im einkommensschwachen Thüringen einfach nicht leisten. Dies habe die ohne verbreiteten subjektiven Existenzsorgen vieler Menschen im Osten extrem verstärkt.
„Grundunzufriedenheit bleibt erst einmal“
An der Stimmung habe sich nichts geändert. „Diese Grundunzufriedenheit schlägt uns auch jetzt wieder im Wahlkampf entgegen“, erklärt nun ein Wahlkämpfer im Weimarer Land. Aber klar, die Demonstrationen gegen die AfD hätten ihre Wirkung nicht verfehlt, hätten das Bewusstsein dafür wieder entstehen lassen, dass die Demokratie durch die kruden Gedanken Höckes in Gefahr sei. Dazu kommen die Skandale um den Europa-Spitzenkandidaten der AfD, Maximilian Krah, und weitere Politiker, die im Verdacht stehen, von China oder Russland bestochen worden zu sein. „Das ist selbst einigen AfD-Sympathisanten zu viel gewesen“, sagt ein Parteiinsider aus Erfurt.
Der Rest, der jetzt noch offen für die AfD Flagge zeige, sei sektenähnlich abgedreht und „für die Demokratie wahrscheinlich verloren“. Wie offenbar mindestens ein Viertel der Wähler im Landkreis Hildburghausen. Dort in Südthüringen zwingt der bekannte Neonazi Tommy Frenck, der Neonazi-Rockkonzerte organisiert und am 20. April in seinem Gasthaus gern einmal Geburtstagsschnitzel serviert, den parteilosen Amtsinhaber in die Stichwahl.
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