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  • Jürgen Muhl

„Die Ernte von Wild als Nahrungsmittel im Vordergrund“

Der frühere Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen, hatte immer einen Blick auf die Jagd mit klaren politischen Positionen. Nach seinen Aussagen zum ländlichen Raum hier der jagdpolitische Teil unseres Interviews mit ihm


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Peter Harry Carstensen bei einer Veranstaltung der Stiftung natur+mensch (Foto: Thorsten Neuhaus)
Peter Harry Carstensen bei einer Veranstaltung der Stiftung natur+mensch (Foto: Thorsten Neuhaus)

In mehreren Bundesländern steht die Jagd mit neuen Gesetzesentwürfen im Brennpunkt, so unter anderem in Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Da werden Einschränkungen formuliert, die Praktiker der Jagd nicht verstehen. Welche Motivationen sind vor allem in grün-roten Koalitionen dahinter zu erkennen?


Carstensen: Jagd ist eine sehr natürliche Nutzung. Aber wer nichts davon versteht, wer weit weg ist von dieser Art der Nutzung, sieht darin nur ein Hobby einer elitären Gruppe. Die Leistungen der Jäger umfassen viel mehr als nur das Erlegen von Wild. Vernünftige Politik sollte sich die Leistungen der Jäger zunutze machen. Wenn man aber mit ideologischen Scheuklappen an die Gesetzgebung herangeht, dann macht man keine guten Gesetze. Rund 400.000 Jäger mit ihren Familien und ihren Freundinnen sind auch eine politische Macht. Sie sollte viel intensiver deutlich gemacht werden. Jeder Jäger und jede Jägerfamilie lebt in einem Bundestags- oder Landtagswahlkreis. Treten Sie ruhig Ihren Abgeordneten auf die Füße und machen deutlich, welche praktischen Leistungen von Jägern erbracht werden. Das ist viel mehr als nur das Schreiben von Leserbriefen.


Die Jagd steht im Prozess der ständigen Veränderung unserer Gesellschaft und damit auch politisch immer wieder in der Diskussion. Warum ist das so?


Carstensen: In der deutschen Sprache gibt es die schönen Worte „begreifen“ und „erfahren“. Wer in der Stadt wohnt, immer satt wird, für seine Nahrungsmittel nur seinen Supermarkt kennt und selten Beziehung zum ländlichen Raum sucht, wird wahrscheinlich kaum erfahren und begreifen, was Jagd und natürliche Nutzung und landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion bedeuten.


In Niedersachsen, wo nicht nur der Wolf stark in Erscheinung tritt, sondern auch große Flächen zur Niederwildjagd gehören, versucht ein grüner Minister, das Jagdrecht allein aus seinem grünen Verständnis von Tierrechten zu verändern. Tut das der Jagd gut?


Carstensen: Wir sind offensichtlich wieder bei der Ideologie, die der Jagd überhaupt nicht guttut. Sauberes und verantwortungsvolles Jagen beinhaltet auch das Respektieren von Tierrechten und dem Tierschutz. Jagd hat nun mal auch was mit dem Töten von Tieren zu tun. Dieses muss tierschutzgerecht geschehen, und deshalb befürworte ich die Pflicht, sich jedes Jahr aufs Neue im Schießen zu üben. Aber ein Verbot von Niederwildjagd, ein Verbot von Gänsejagd wie in den Niederlanden, wo die Gänse mit Netzen gefangen werden, um sie zu vergasen, hat nun wirklich nichts mehr mit Tierrecht zu tun.


Alle Welt spricht über den Wolf. Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Situation?


Carstensen: Es ist so, wie es ist. Der Wolf ist da. Ich bin nicht so glücklich darüber, dass er ins Jagdgesetz mit aufgenommen worden ist. Unsere Jagdgesetze beinhalten Verantwortung für das Wild und eine Hegeverpflichtung. Verantwortung für den Wolf haben diejenigen, die ihn haben wollten. Das sind sicherlich nicht die Schäfer, die den Schaden haben.


Wenn so viel Geld wie für den Wolf auch für andere Arten ausgegeben worden wäre, wie zum Beispiel für Birkwild im Dellstedter Moor in Dithmarschen oder im Dosenmoor bei Neumünster, dann hätte man auch sehr stolz auf die Verbesserung von Artenschutz in der Natur sein können.


Jetzt gilt es, die inzwischen ungebremste Vermehrung von Wölfen zu verhindern. Sie müssen auch bejagt werden dürfen. Aber sollen die Jäger dafür den Kopf hinhalten und sich Beschimpfungen und Morddrohungen aussetzen, wenn Politik und Naturschutz gemütlich im Sessel sitzen bleiben und die Verantwortung jetzt anderen übertragen?


Sie gehen weiter intensiv zur Jagd?


Carstensen: Ich gehe seit meinem 16. Geburtstag und immer noch mit Begeisterung zur Jagd, tue das mit Freunden und bekenne mich dazu. Ich versuche, sauber zu jagen, tierschutzgerecht zu töten, und weiß, dass ich anschließend ein Nahrungsmittel vor mir liegen habe. Mir liegt die Jagd in Schweden, bei der Trophäen keine große Rolle spielen, aber die Ernte von Wild als Nahrungsmittel im Vordergrund steht.


Früher gab es eine Jagd des Ministerpräsidenten oder auch eine sogenannte Diplomatenjagd. Sind das Gesellschaftsjagden der Vergangenheit?


Carstensen: Offensichtlich und leider ja. Wir brauchen sicher keine Diplomatenjagd mehr, aber die Kontakte, die auf der Jagd geknüpft werden konnten, sind auch bei den Landesjagden in den landeseigenen Forsten nicht zu verachten gewesen.


 

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