In vielen Dörfern und Städten werden in diesem Jahr keine beleuchteten Traktoren unterwegs sein. Gründe dafür gibt es viele. Auch die Politik spielt eine Rolle
Die Traktoren bleiben in dieser Nikolaus-Zeit auf dem Hof oder dem Unterstand. Viele Landwirte beteiligen sich deutschlandweit nicht an den Lichterfahrten mit ihren Traktoren durch die Dörfer. Viele Menschen – darunter natürlich vor allem Kinder – hatten diese oft phantasievoll geschmückten Lichterketten an den Traktoren natürlich besonders erfreut.
Doch aus den Fahrten dürfte in vielen Regionen wie zum Beispiel dem Münsterland oder Teilen Ostdeutschlands keine langwährende Tradition entstehen. Grund: Viele Fahrten wurden von den lokal oder regional veranstaltenden Gruppen der Organisation „Land schafft Verbindung“ (LsV) organisiert. Und jetzt abgesagt. Die Begründungen sind vielseitig, wahr sind sie nicht immer. In einigen Regionen wurden die fehlenden Genehmigungen durch Städte und Gemeinden als Grund für die abgesagten Rundfahrten in der Vorweihnachtszeit angegeben. Einige Verwaltungen hatten darauf verwiesen, dass „landwirtschaftliche Fahrzeuge“ nun einmal nicht für Fahrten auf öffentlichen Straßen zugelassen seien. Grund für einige LsV-Mitglieder, wieder einmal auf den Staat und seine lokalen Vertreter zu schimpfen. In Wahrheit ist die Aktion der Lichterfahrten aber nicht überall gut angekommen – oder hat zumindest nicht den gewünschten Solidarisierungseffekt mit der Bevölkerung gebracht. „Der Funke ist nicht überall wie gewünscht übergesprungen“, erklärten zum Beispiel Vertreter im Münsterland.
Bewegung steckt in der Krise
Dabei sind die abgesagten Fahrten vielleicht nur das sichtbarste Zeichen für die Probleme, denen sich der umstrittene Verband „Land schafft Verbindung“ gegenübersieht. Entstanden ist die Protestbewegung Ende der 2010er Jahre. Man nahm die Unzufriedenheit mit den politischen Vorgaben aus Bund und Land, aus Europa und den Kommunen auf, um auf objektiv bestehende Probleme aufmerksam zu machen. Schnell geriet man lokal in einen Gegensatz zu den örtlichen Vertretern der Bauernverbände. Neue Kommunikationswege, härtere Parolen und Forderungen, keine Mitgliedsbeiträge – all das lehnten eine Mehrheit der LsV-Landwirte zunehmend als zu verkrustet ab.
Natürlich spielte auch die finanzielle Belastung durch die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen an den Deutschen Bauernverband und dessen Zweigverbände in ganz Deutschland eine Rolle. Vorbilder waren die radikalen französischen Landwirte – aber auch die Bauern in den Niederlanden. Dort führte im Jahr 2019 der Protest vor allem gegen strengere Düngeauflagen und den Preiskampf auf den Märkten und im Handel erst zu einer Gründung der Bauernprotestpartei BoerBurgerBeweging (BBB), dann zu einem deutlichen Wählerzuwachs, bei der letzten Wahl zum Einzug ins Parlament in Den Haag. Jetzt sitzt die BBB sogar in der rechtsgerichteten Regierung.
Politisch nicht bedeutsam
So weit dürfte es die Bewegung „Land schafft Verbindung“ nicht schaffen. Ganz im Gegenteil: Nach Informationen unseres Blogs gibt es sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene noch immer keine funktionierende Organisation, keine Struktur oder gar ein politisches Programm. „Es sind halt alles Individualisten, die sich kaum einigen können“, sagt ein Brancheninsider. Zudem fehle Fachwissen für die Lösung agrarpolitischer oder unternehmerischer Herausforderungen, mit dem man die Mitglieder zum Beispiel bei der Stange halten kann.
Gefahr durch Unterwanderung
Als weiteres Problem – vor allem in den östlichen Bundesländern – sind Versuche der rechtspopulistischen AfD oder gar noch weiter stehender rechter Bewegungen, die LsV-Bewegungen lokal zu unterwandern. Gerade der AfD gelingt es durchaus, die Unzufriedenheit über die aktuelle Lage bei den Landwirten in politisches Kapital umzumünzen – siehe die Ergebnisse bei den letzten Landtagswahlen in den neuen Bundesländern.
Die weitere Entwicklung ist nicht genau vorherzusagen. Beim Bauernverband bemüht man sich, die negative Stimmung in der Landwirtschaft nicht eskalieren zu lassen, sondern versucht weiter, einen konstruktiven Dialog zwischen Branche, Politik und Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Ob da noch Platz ist für leuchtende Traktoren in der Vorweihnachtszeit, steht in den Sternen.
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