Bayern und Österreich kämpfen gemeinsam für den Forst als Wirtschaftsfaktor im ländlichen Raum. Eine Ansage aus der Alpenregion
Die Kritik an den EU-Plänen für mehr Ökologie in den Wäldern ist nicht ganz neu. Nun wird der Widerstand lauter – vor allem im mitteleuropäischen Süden und in Nordeuropa. Weil es dem Wald nicht nützt, wenn sich Waldwirtschaft nicht rechnet und eine wichtige Erwerbsquelle des ländlichen Raums Schaden nimmt.
Die jüngste Kampfansage kommt aus dem Alpenland. In einer gemeinsamen „Salzburger Erklärung“ appellieren der österreichische Forstwirtschaftsminister Norbert Totschnig und Bayerns Forstministerin Michaela Kaniber an die EU, einen sofortigen Kurswechsel zu vollziehen: „Wir fordern eine europäische Politik, die an den Erfordernissen der Wälder und an den Nöten der Menschen, die sie pflegen, ausgerichtet ist. Anstatt sie durch immer neue überzogene Vorgaben zu gängeln und damit im Glauben an die Europäische Idee zu erschüttern, muss Brüssel ihnen endlich Vertrauen entgegenbringen. Nur mit den Waldbesitzern und nicht gegen sie sichern wir klimastabile, zukunftsfähige Wälder im Interesse der gesamten Gesellschaft.“
Ganz ähnlich tönt es aus dem Norden, voran aus der renommierten schwedischen Forst-Universität SLU. Mit fundierten Untersuchungen, die belegen, wie viel höher der Kohlendioxid-Abbau junger Nutzwälder im Vergleich zu altem „Urwald“ ist. Oder wie wichtig sogar Kahlschläge für die Artenvielfalt sind. Obwohl eben erst im ARD-Fernsehen das Gegenteil behauptet wurde, gilt in Schweden – wie in Deutschland – die Pflicht zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Was an Holz geschlagen wird, muss nachgepflanzt werden.
Bayerische Regierung thematisiert Auswirkungen Brüsseler Beschlüsse
Womöglich liegt das Hauptproblem der EU-Strategie beim Ansatz: Sie geht von den Folgen aus, aber eher nicht von den Ursachen. So wie schon vor einem halben Jahrhundert die wirksamen Antworten auf den „Sauren Regen“ eher aus den Nationalstaaten kamen. Damals mit voran war auch Bayern mit einem rigorosen Zwang zur Abgasreinigung fossiler Kraftwerke. Wenig verwunderlich, dass sich die Münchner Staatsregierung schon geraume Zeit mit den Folgen der Vorgaben aus Brüssel auseinandersetzt. Zum Beispiel mit der breit angelegten Studie zu den Konsequenzen der „EU-Biodiversitätsstrategie 2030“ für Wald und Forstwirtschaft in Deutschland.
Zwar saßen auch in dieser Runde die Jäger nicht mit am Tisch. Aber trotzdem kam die mit überwiegend öko-orientierten Forst-Experten besetzte Gruppe zu sonst oft vernachlässigten Erkenntnissen. Zum Beispiel: „Umfangreiche und wahrscheinlich hoch konfliktreiche gesellschaftliche Aushandlungsprozesse wären bei der nationalen EUBDS-Umsetzung erforderlich. Veränderung in Wertschöpfung und Beschäftigung würde bspw. insbesondere den ländlichen Raum betreffen.“ In einfacher Sprache: Es geht um Einkommen und Arbeitsplätze auf dem Land.
Auslagerung der Probleme auf Drittstaaten?
Ebenfalls klar laut Studie: Konkret ist auch – wie so oft – die Gefahr, dass Probleme nicht gelöst, sondern auf andere Regionen und Kontinente ausgelagert werden. Zitat: „Die Ausweisung neuer Schutzgebiete im Wald wird sich auf die Rohholzproduktion in der EU auswirken. Für mindestens einen Teil dieser Produktion ist eine Verlagerung in sogenannte Drittstaaten zu erwarten. Damit besteht konkret die Gefahr, dass negative Effekte auf die Biodiversität in diese Staaten verlagert werden.“
Zwar fordert auch die EU-Strategie, „dass die Maßnahmen der EU nicht zur Entwaldung in anderen Regionen der Welt führen“ sollen. Wie das gelingen soll, bleibt offen. Ungeteilten Beifall gibt’s logisch nur von Spenden-Vereinen, voran vom WWF, der auch sonst gern mal die Interessen der von Öko-Politik direkt betroffenen Menschen ignoriert. Und geflissentlich übersieht, dass gerade private Waldbesitzer wie die schwäbischen Adelshäuser zu Oettingen seit Generationen auch den Artenschutz im Blick haben. Was womöglich auch den Grund hat, dass dort Jagd und Forst noch zusammengehören.
Eher globale Wahrheiten gibt es auch. Die Waldfläche in der EU wuchs laut Statistik der Vereinten Nationen zwischen den Jahren von 1990 und 2000 um 14 Millionen Hektar. Eine Fläche etwa so groß wie die Mitgliedsländer Österreich, Slowakei und Slowenien zusammen. Was auch durch den Verzicht auf die Nutzung von Acker- und Weideland möglich wurde. Das führte dort entsprechend zum vermehrten Import von Agrarprodukten aus fernen Ländern, die es mit der nachhaltigen Forstwirtschaft und dem Artenschutz nicht ganz so genau nehmen.
Manche Propheten sehen vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr
Grotesk wirkt die Situation auch durch die Tatsache, dass Ökologen die Bedeutung von Holz als Baustoff neu entdecken. Nachhaltiger geht’s wohl nicht. Gerade auch im Kreislauf von Ernte und Neupflanzung, siehe CO₂-Bilanz jünger Wälder und Artenvielfalt auf abgeernteten Flächen. Selbst da sehen manche Propheten vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Und nicht die Tatsache, dass Menschen am liebsten schützen, was ihnen Nutzen bringt.
Originalton aus der „Salzburger Erklärung“: „Gerade im ländlichen Raum ist die Waldbewirtschaftung ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Sie sichert allein in Österreich und Bayern entlang der Wertschöpfungskette Forst und Holz insgesamt 480.000 Arbeitsplätze bei einer Wertschöpfung von mehr als 44 Milliarden Euro jährlich.“
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