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AutorenbildFrank Polke

Die Zuckerrübe ist nicht mehr süß

Ohne sie geht gar nichts in der Winterzeit. Doch ausgerechnet der Zuckerrübe fehlt die für die Süßigkeiten und Co. notwendige Süße. Das spüren auch die Bauern

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Foto: ulleo

Auf Tausenden Hektar wächst die Zuckerrübe in Deutschland. Schwerpunkte sind das südliche Niedersachsen, der westliche Teil von Thüringen, der Niederrhein und große Teile von Hessen. Zumeist bewirtschaften kleinere Familienbetriebe die Felder – und das seit Jahrhunderten. Und oft geschieht das im Nebenerwerb, weil das Anbauen und Ernten der auch für den Spaziergänger erkennbaren braunen Knollen allein den Betrieb oder den Hof wirtschaftlich nicht über die Runden bringt. „Ein ordentliches Zubrot, auf das sich die Landwirte in ihren Kalkulationen immer gut verlassen konnten“, sagt ein führender Vertreter des hessischen Landwirtschaftsverbandes. „Verlassen konnten“ – das klingt nach Vergangenheit.


Ohne Rüben geht nicht viel


In Softdrinks, Süßspeisen oder für viele Backprodukte – ohne Zuckerrüben geht schon mal gar nichts. Der Absatz gerade von Softdrinks in allen Farben und Formen ist gerade bei jungen Leuten weiter hoch – trotz aller Warnungen von Ärzten und des noch amtierenden Ernährungsministers Cem Özdemir (Grüne) vor dem süßen Gift für Zähne und Körpergewicht. Doch Warnung hin, Warnung her, die Lieferkette der braunen Knolle vom Feld über die Zuckergewinnung bis hin zur Limoflasche ist im Moment in Gefahr. Dabei bildet die Zuckerrübe – in Hessen und Thüringen auch als „Dickwurz“ oder „Rungelroiwe“ bezeichnet – die Grundlage für fast alle Süßigkeiten


Ukraine-Krieg drückt den Preis


Doch den Rübenbauern droht in dieser Saison Ungemach von zwei Seiten. Da ist zum einen der anhaltende Preisverfall für den Verkauf der Zuckerrübe auf den Weltmärkten. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges durch den Überfall der russischen Truppen im Frühling 2022 wurde der Ukraine der Export von Zuckerrüben in die EU ermöglicht. Eine Hilfeleistung für das traditionell stark auf Landwirtschaft ausgerichtete Land. Konsequenz: Die Preise für Zuckerrüben sind an den Warenterminbörsen in Frankfurt, London und Co. gerade in diesem Jahr durch das ausgeweitete Angebot aus der Ukraine unter Druck geraten. Derzeit liegt der Preis für eine Tonne Zucker unter 500 Euro – und das trotz einer relativ schwachen Rübenernte, die ja nach den Gesetzen des Marktes eher für steigende Abnahmepreise sorgt.


Aber genau das passiert eben nicht. Und das hat einen Grund: Der Zuckergehalt der Rüben geht seit einiger Zeit zurück. Normal (und auch für den Preis relevant) ist nach Angaben der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen ein Zuckergehalt von 18 bis 19 Prozent. In diesem Jahr wurden in vielen Regionen aber Rüben geerntet, deren Zuckergehalt nur knapp 16 Prozent erreicht. Konsequenz: Für den gleichen Gewinn müssen die Landwirte mehr Rüben anbauen, ernten und verkaufen.


Wissenschaftler ratlos


Verantwortlich für den zurückgehenden Zuckergehalt ist ein Schädling namens Schilf-Glasflügelzikade. Das Insekt überträgt nach ersten wissenschaftlichen Erkenntnissen zwei durch Bakterien ausgelöste Krankheiten, die zu massiven Ertragseinbußen führen können. Bei den Krankheiten handelt es sich um das „Syndrome Basses Richesses“ – zu Deutsch etwa „Syndrom der niedrigen Zuckergehalte“ – sowie Stolbur oder auch Gummirübenkrankheit, die die eigentlich festen Feldfrüchte biegsam macht. Dies schmälert offenbar den Zuckergehalt.


Bisher haben Agrarexperten und Wissenschaftler aber noch kein Gegenmittel gegen den Befall der Pflanze durch die Schilf-Glasflügelzikade gefunden. Auch Unternehmen, die in der Zucker- und Süßwarenbranche agieren und dort gute Umsätze machen, suchen unter Hochdruck noch nach einem Gegenmittel. Und diese Suche könnte schon bald noch mehr Priorität erhalten: Denn der jetzt aufgetretene Schädling bedroht nicht nur die Zuckerrübe, sondern offenbar auch mehrere andere Gemüsesorten. Und den in Deutschland traditionell wichtigen heimischen Kartoffelanbau.


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