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Wolfgang Kleideiter

Drohkulisse mit dem Preis-Hammer

Noch ist offen, wann der Vermittlungsausschuss sich mit der im Juli vom Bundesrat gestoppten Änderung des Düngerechts befassen wird. Das hindert Befürworter verschärfter Regelungen nicht daran, weiter mit Halbwahrheiten Stimmung zu verbreiten


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Foto: uschi dreiucker / pixelio.de

Deutsches Grundwasser ist so teuer, weil der Bauer zu viel düngt. Solch irreführende Aussagen begleiten aktuell wieder die ohnehin schwierige Diskussion rund um das Düngegesetz. Die zweite Änderung des komplizierten Gesetzes, das im Kern von der nun schon über 30 Jahre alten EU-Nitratrichtlinie bestimmt wird, war nach dem Durchlauf im Bundestag mit dem Votum von elf der 16 Bundesländer im Bundesrat abgelehnt worden.


Nun hat sich nicht zum ersten Mal ein Verbändebündnis zu Wort gemeldet, das eine „praxisnahe, verursachergerechte und nährstoffeffiziente Düngepolitik“ fordert. Mit dabei die Deutsche Umwelthilfe, NABU, BUND und auch Verdi. In einigen Medien wird aus dem Appell schnell die Schlagzeile „Verbraucher zahlen die Zeche für die Aufbereitung des belasteten Grundwassers“.


Die Nitratbelastung, die nach wie vor an einigen Messstellen zu hoch liegt, soll angeblich der Auslöser für absehbar bis zu 60-prozentige Preisanstiege beim Trinkwasser sein. Dabei weiß selbst Lieschen Müller, dass der weit gespreizte Trinkwasserpreis in Deutschland einer Fülle von Einflussfaktoren unterliegt. Mal sind Sanierungsstaus im alten Leitungsnetz, mal Inflation, steigende Personal- und Energiekosten, erhöhte Zinsen oder Investitionen in eine chemiefreie Wasseraufbereitung der Auslöser für die verkündeten „Preisanpassungen“. Nitratbelastung spielt in einigen Regionen zweifellos eine Rolle, aber ist nicht allein für Aufschläge verantwortlich.


Deutschland tatsächlich auf einem guten Weg


Nachdem die EU vor mehr als einem Jahr ihr bereits beim Europäischen Gerichtshof anhängiges Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Nichteinhaltung der Nitratrichtlinie eingestellt hat, unterstreicht der gemeinsame „Nitratbericht 2024“ des Landwirtschafts- und des Umweltministeriums, dass Deutschland tatsächlich auf einem guten Weg ist. Deutschland verzeichnet danach schon seit 2012 einen leicht positiven Trend bei der Gewässerbelastung durch Nährstoffe. Und dies gilt laut Bericht auch für den Zeitraum 2020 bis 2023, in dem in Deutschland einiges getan wurde, um die Düngung landwirtschaftlicher Kulturen mit den Herausforderungen des Gewässerschutzes in Einklang zu bringen.


Der Nitratbericht verschweigt dabei nicht, wie schwierig es ist, die Wirkung der Maßnahmen von heute abzuschätzen. Eine fundierte Bewertung der düngepolitischen Maßnahmen sei „erst mittelfristig realisierbar“. Dies liege insbesondere daran, dass die Wirkung aufgrund von langen Fließzeiten und andauernden Nährstoffumsatzprozessen erst über teils lange Zeiträume zu beobachten sein wird. Anders ausgedrückt: Die teils hohe Nitratbelastung im Grundwasser wurde in der Vergangenheit verursacht.


Zur Klarstellung: Die Überschreitung von Nitrat im von den Wasserwerken gelieferten Trinkwasser gehört hierzulande zu den höchst seltenen Ausnahmen. Die Überschreitungen des EU-Grenzwertes für Nitrat von 50 mg/Liter waren laut Bundesumweltministerium schon 2017 auf 0,0007 Prozent gesunken.


Nährstoffbilanzierung als bürokratisches Monster


Die nun diskutierte zweite Änderung des Düngegesetzes wurde im Bundesrat vor allem gestoppt, weil es den landwirtschaftlichen Betrieben, anders als nach den Protesten zugesagt, wiederum neue bürokratische Lasten aufbürdet. Unter anderem sieht es vor, dass schon Betriebe ab 15 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche Aufzeichnungen über ihre Nährstoffströme führen müssen. Bisher gilt das erst für Betriebe, die 20 Hektar beziehungsweise 50 Großvieheinheiten überschreiten. Günter Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, spricht von einem „Bürokratiemonster“. Eine Pflicht zur Stoffstrom- oder Nährstoffbilanzierung habe keinen Mehrwert und führe nicht zu einem noch genaueren Düngemanagement bei den Landwirten.


Und man muss auch wissen, dass Beschränkungen bei der Düngung und eine restriktive Pflanzenschutzpolitik bereits Auswirkungen auf die Erträge der deutschen Höfe haben. Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, sprach kürzlich in einem Beitrag von „Bremsspuren der Düngeverordnung“, die beim Langfristvergleich der Proteingehalte im Weizen nicht mehr zu übersehen seien. „Maßgeblicher Grund dürfte die gesetzlich erzwungene Unterversorgung der Pflanzenbestände in den sogenannten roten Gebieten sein – jedes Jahr 20 Prozent zu wenig Nährstoff führen bekanntlich zu fortschreitendem Ertragsverlust und Humusabbau“, schrieb der DBV-Vertreter. Wer über das Düngerecht mit den verschiedenen Verordnungen berät, sollte die Lebensmittelversorgung nicht aus dem Blick verlieren.


Gesamtpolitisch hat die anstehende Kompromisssuche im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat noch einen weiteren Aspekt. Der Streit ums Düngerecht war in den Niederlanden mit ein Auslöser für die Gründung der „BoerBurgerBeweging“, hier besser bekannt als Bauernpartei. Die BBB sitzt inzwischen im Europaparlament und ist Teil der niederländischen Regierungskoalition. Eine solche neue Protestpartei würde auch hierzulande Wahlen noch schwieriger machen.

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