top of page
  • Michael Lehner

Ein Ticket, das Stadt und Land spaltet

Der 49-Euro-Fahrschein wird zum krassen Beispiel für die Klientelpolitik der Ampel und stellt ländliche Regionen noch weiter aufs Abstellgleis


Beitrag anhören (MP3-Audio)

Einsamer Bahnhof
Foto: Dirk Maus / pixelio.de

Kaum sind die Reue-Schwüre nach der Europawahl-Schlappe verklungen, belebt die Großstadt-Politik der Ampel eine bekannte Ungerechtigkeit. Das Deutschlandticket soll so bleiben, auch wenn es weiteren Rückzug der Bahn aus der Fläche kostet. Gleichwertige Lebensbedingungen für den ländlichen Raum sähen anders aus.


Wahr ist: Kritik kommt längst nicht nur aus Bayern. Auch dem öffentlichen Nahverkehr gemeinhin zugetane Blätter und Politiker bemerken, dass die Bahn und die Verkehrsverbünde sparen müssen, um einem Teil der Menschheit Mobilität zum Schnäppchen-Preis anzubieten. Und sie sparen meist ausgerechnet dort, wo die Menschen ohne Auto kaum über die Runden und schon gar nicht zur Arbeit kommen.


Immer deutlicher wird zudem: Vom eigentlichen Ziel, Autofahrende im größeren Stil zum Umstieg auf Öffentliche zu bewegen, ist der hoch subventionierte Fahrschein weit entfernt. Bisher wirkt er eher als kleine, teure Aufmerksamkeit für Menschen, die ohnehin schon Bus und Bahn nutzen. Und sogar für Rucksack-Touristen: Bis auf einschlägige Internet-Seiten in Asien und den USA ist durchgedrungen, wie billig es sich doch kreuz und quer durch Deutschland reisen lasse.


wenn die Schienen kaputt sind und die Züge nicht fahren


Die Kehrseite bleibt Urlaubsreisenden eher verborgen: Nicht nur wegen der Einnahmeausfälle, sondern auch aus Personal- und Materialmangel haben zumal Regionalbahnen ihr Angebot zum Teil deutlich ausgedünnt. „Es fährt ein Zug nach nirgendwo“, kommentiert der „Spiegel“ die Folgen der gestiegenen Nachfrage in den Ballungsgebieten. CSU-Mann Ulrich Lange wird für seine Bundestagsfraktion deutlicher: Das „übergünstige deutschlandweite ÖPNV-Ticket“ bringe überhaupt nichts, „wenn die Schienen kaputt sind und die Züge nicht fahren“.


Während zunehmend auch Regional- und Landespolitiker der Ampelparteien auf die Schieflage hinweisen, gibt sich die SPD auf Bundesebene kampfbereit für das „Erfolgsprojekt“, das den Bahnen zwar mehr Fahrgäste in den Ballungsräumen einbringt, aber keineswegs entsprechend mehr Geld in die Kassen spült. Im Gegenteil: Zuschüsse zum Erhalt von öffentlichen Verkehrsverbindungen auf dem Lande werden gestrichen. In Schleswig-Holstein treffen die Ausdünnungen den gesamten Regionalverkehr auf der Schiene. Im Münsterland beispielsweise werden weniger Schnellbusse vom Land in die regionale Metropole fahren. Die Fahrpläne werden ausgedünnt, weil die Kreise nicht für auslaufende Förderungen einspringen wollen.


Im besonders betroffenen Flächenland Bayern erinnert CSU-Verkehrsminister Christian Bernreiter an die alte Regel, dass für die Musik derjenige zahlt, der sie bestellt hat: Der Bundeskanzler habe den Ländern zugesagt, unverbrauchte Mittel für das Ticket zurückzugeben: „Diese Zusage ist bis heute nicht erfüllt … und ich weiß nicht, in welcher Republik wir leben, wenn die Zusage eines Bundeskanzlers nichts mehr gilt.“


Mit seiner Einschätzung, das eigentliche Problem bestehe darin, dass für das Spar-Ticket kein zusätzliches Geld ins System geflossen ist, steht Bernreiter jedenfalls nicht allein. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt die Gretchenfrage, ob die 49 Euro bleiben sollen? Oder aber die dringend notwendigen Investitionen für die Bahn nicht länger auf die lange Bank geschoben werden?


Bevor das Bundesverfassungsgericht die Schuldenbremse anzog, schätzte die Koalition den akuten Finanzbedarf der Bahn auf 45 Milliarden Euro. Davon blieb dann mit 27 Milliarden gut die Hälfte übrig. Und die Frage, wo die Milliarden-Subvention fürs Deutschland-Ticket abgezweigt werden könnte. Womöglich naht die Stunde der Wahrheit nach den Landtagswahlen im Herbst. Ohne Finanzspritzen, ahnt selbst NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer von den Grünen, werde das Sparpreis-Reisen wohl nicht zu halten sein.


Das Bahn-Management bedient sich zum Ausgleich der Kosten für die Klientel-Politik derweil auf einem Feld, das der Umweltpolitik beträchtlich schadet: Seine Güterverkehrspreise hat der Staatskonzern so angehoben, dass Industrie und Gewerbe scharenweise zum Lastwagen-Transport zurückkehren.

Comentários


bottom of page