Es ist die letzte Wahl in einem Flächenland vor der Bundestagswahl. Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Wieder droht ein Wahlsieg der AfD. Der SPD-Regierungschef Dietmar Woidke kämpft mit allen Mitteln dagegen an – sogar mit seiner fehlenden Haarpracht
Jetzt soll es also Dietmar Woidke richten. Oder genauer gesagt: seine Glatze. Mit einer digitalen Animation des Kopfes des amtierenden Ministerpräsidenten will die Brandenburger SPD im Wahlkampfendspurt das Blatt noch wenden. Auf den letzten Metern zur stärksten Kraft werden. Man wolle keine „rechten Glatzen“, sondern wenn Glatze, dann Woidke, begründet SPD-Generalsekretär David Kolesnyk die ungewöhnliche Wahlkampfaktion. Auf einem Bildschirm oder im Internet ist erst nur der obere Teil des Kopfes von Woidke mit den Worten „Wenn Glatze“ zu sehen, dann bewegt sich das Bild von Woidke nach oben und die ganze Aufschrift „Wenn Glatze, dann Woidke“ erscheint – mit Hinweis auf die Wahl am 22. September.
All das klingt sehr gewagt angesichts der letzten Umfragen, die in Brandenburg ein enges Rennen zwischen der rechtspopulistischen AfD und der SPD vorhersagen. Die seit der Wende in dem Bundesland regierende SPD kommt nach einer seriösen Umfrage auf 26 Prozent, die AfD auf 27 Prozent. Die CDU unter dem – um es höflich auszudrücken – glücklosen Spitzenkandidaten Jan Redmann kommt auf 17 Prozent. Platz drei, kein Ausreißer nach oben, aber kein Absturz, der die Bundespolitik beben lässt.
Das links-nationalistische Bündnis Sahra Wagenknecht dürfte wieder ein zweistelliges Ergebnis einfahren. Denn auch in Brandenburg (Potsdam und seine wunderschöne Umgebung waren immer ein bevorzugtes Wohngebiet erst der Nazi-Prominenz, dann der SED-Oberen) verfängt die gefährliche Friedens-Propaganda der ehemaligen SED-Politikerin, die in Wahrheit längst das Geschäft des Kriegstreibers Putin betreibt und die das „Wir da unten gegen die da oben“-Spiel in alter Kadermanier recht gut versteht. Große Impulse für die Landespolitik sind von Wagenknecht nicht zu erwarten, schon gar nicht für den ländlichen Raum.
Scholz wurde rausgehalten
Für die SPD in Brandenburg geht es am 22. September ums Ganze. Genauso wie für Dietmar Woidke, den im Land durchaus beliebten Ministerpräsidenten. Bundeskanzler Olaf Scholz, obwohl wohnhaft in der Landeshauptstadt, durfte gar nicht erst im Wahlkampf auftreten. Woidke und sein Team setzen auf die Zuspitzung: „Die oder ich“, so lautet die Botschaft. Für den Fall, dass seine Partei nicht stärkste Kraft im Landtag von Potsdam werde, kündigte er seinen Rückzug aus der Politik an.
Genau deswegen sind jetzt die Trucks mit dem animierten Glatzen-Motiv auf der Straße unterwegs. In Potsdam, Falkensee, Teltow und Kleinmachnow – also im Berlin-nahen Raum. In dieser Auswahl rund um den Ballungsraum Berlin/Potsdam zeigt sich aber auch der große Fehler vieler politisch Handelnder nicht nur in Brandenburg: die Fokussierung der Politik auf die Ballungsräume. Oder umgekehrt: die Vernachlässigung des ländlichen Raums. Die Angst vor der nächsten Flüchtlingswelle gerade via polnischer Grenze aus der Ukraine, der nach wie vor ungebremste demografische Niedergang mit all seinen Folgen für die Infrastruktur, die Verunsicherung durch das Wärmepumpen-Gesetz für viele Hauseigentümer auf dem Land, deren Immobilien häufig aus den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammen – das beschäftigt die Menschen etwa im Märkischen Oberland oder im Spree-Neiße-Kreis mehr als fehlende Kita-Plätze, Staus an der Radstation oder teure Latte-Macchiato-Preise auf dem Wochenmarkt in Wilmersdorf.
Forum Natur bietet Zusammenarbeit an
Zuletzt meldeten sich auch die im „Forum Natur“ in Brandenburg zusammengeschlossenen Verbände zu Wort. Ihre Forderung: Macht endlich Politik fürs ganze Land. Also auch für den ländlichen Raum, für Forstwirte, Jäger und Landwirte. „Es geht darum, endlich konkret Verbesserungen der Lebensbedingungen im ländlichen Raum anzupacken sowie die Konflikte zwischen Stadt und Land gezielt zu reduzieren“, sagte Gernot Schmidt, Vorsitzender des Forums Natur Brandenburg (FNB) in diesem Blog. Die Verbände stünden bereit, ihren Beitrag dazu zu leisten. Welcher Regierung sich dann die Verbände gegenübersehen, ist völlig unklar. Möglich sind unsichere Regierungsbildungen wie in Sachsen und Thüringen. Aber vielleicht richtet es ja die „Glatze“ des Dietmar Woidke doch noch auf den letzten Metern.
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