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AutorenbildJürgen Wermser

Es muss wieder aufwärts gehen

Aktualisiert: vor 3 Tagen

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche


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Liebe Leserinnen und Leser,


in unserem Wochenkommentar befassen wir uns nach dem Ampel-Aus mit den Wahlchancen der Union sowie der Stimmung innerhalb der SPD, nachdem Boris Pistorius zu Gunsten von Olaf Scholz auf die Kanzlerkandidatur verzichtet hat. Ferner geht es um Themen, die im jetzt begonnenen Wahlkampf im Interesse des ländlichen Raums stärker in den Mittelpunkt gerückt werden sollten. Dazu gehören die Defizite im öffentlichen Nahverkehr. Weiter beschäftigen uns die Zukunft der deutschen Landwirtschaft, der Handlungsbedarf in Sachen Wolf, die sich ausbreitende Hasenpest sowie die langfristige Zukunft der Jagd.


Mit dem Slogan „Wieder nach vorne“ will die CDU die Bundestagswahl am 23. Februar gewinnen. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass es ihr unter der Führung von Friedrich Merz auch gelingen wird. Auf tatkräftige Unterstützung durch die ehemalige Kanzlerin und Parteivorsitzende Angela Merkel kann Merz bei seiner Kampagne allerdings nicht setzen. Dies wurde in dieser Woche einmal mehr bei Merkels mit Spannung erwarteter Memoiren-Präsentation deutlich. Bei zentralen Themen wie Migration, Atomkraft, Schuldenbremse und Russland hat sich Merkel von ihrer Partei inzwischen entfremdet – und umgekehrt. Merz, ohnehin kein Freund von Merkel, setzt in diesen Fragen eigene Akzente. Auch hier gilt das viel strapazierte Wort von der Zeitenwende.


Anders die SPD. Sie setzt nicht auf einen Neuanfang, sondern auf den mit seiner Ampelkoalition gescheiterten Kanzler Olaf Scholz. Der frühere Hamburger Bürgermeister hat auf Biegen und Brechen um seine erneute Spitzenkandidatur gekämpft. Zum Nachteil der SPD zählte in diesem Falle persönlicher Ehrgeiz mehr als politische Vernunft und Solidarität. Denn die Kandidatur von Scholz schafft in der SPD keine Aufbruchstimmung geschweige denn Begeisterung. Ganz im Gegenteil, momentan glauben nur noch 14 Prozent der Mitglieder, dass die SPD bei den Neuwahlen wieder stärkste Partei werden kann, während 84 Prozent es nicht glauben. Dies ist das Ergebnis einer Forsa-Umfrage nach dem Ampel-Aus in diesem Monat. Und nur knapp die Hälfte der SPD-Mitglieder war unmittelbar vor dem Rückzug von Verteidigungsminister Boris Pistorius in der K-Frage der Meinung, dass Scholz wieder antreten solle. Dagegen hatten 41 Prozent angegeben, Pistorius wäre ihnen lieber. Laut aktuellem RTL/n-tv-Trendbarometer würde die SPD mit Pistorius als Kanzlerkandidaten sechs Prozentpunkte mehr erhalten als mit Scholz. In der jüngsten Forsa-Umfrage kommen die Sozialdemokraten nur noch auf 15 Prozent.


Gewiss, bis zum Wahltag am 23. Februar kann noch viel geschehen. Aber angesichts solcher Zahlen gleicht es einem Hochrisiko-Spiel, dass die SPD im Wahlkampf mit Scholz auf den erfolglosesten Kanzler der letzten Jahrzehnte, anstatt mit Pistorius auf den beliebtesten Politiker des Landes setzt. Eine bessere Schützenhilfe können sich Merz und Co. kaum wünschen ...


Busse und Bahnen fahren zu selten


Es wird höchste Zeit, dass es in Deutschland wirtschaftlich und sozial wieder mit Vernunft und Augenmaß aufwärts geht. Denn die Defizite in vielen öffentlichen Bereichen sind offensichtlich – nicht zuletzt im ländlichen Raum, den wir mit unserem Blog besonders im Blick haben. Ein Beispiel ist der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Laut dem in dieser Woche veröffentlichten Mobilitätsbarometer 2024 der Allianz ProSchiene, des BUND und des deutschen Verkehrssicherheitsrates wird vor allem die unzureichende Taktung von Bussen und Bahnen beklagt. Speziell in den Flächenstaaten fahren sie zu selten, meinen die über 2000 repräsentativ Befragten. Mehr als 80 Prozent der Menschen im ländlichen Raum würden entweder Stillstand oder sogar eine Verschlechterung des ÖPNV am eigenen Wohnort beklagen. Darauf müssen die Parteien im Wahlkampf Antworten geben.


Dies betrifft nicht zuletzt die Zukunft des Deutschlandtickets, von dem vor allem Menschen in Ballungsgebieten profitieren. Auch nach Ansicht des Präsidenten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich, geht das Deutschlandticket am Bedarf vieler Menschen im ländlichen Bereich vorbei. Als Beispiel nannte er frühe Morgenstunden, wenn man zur Baustelle oder zum Ausbildungsplatz kommen wolle. Azubis im ländlichen Raum wäre mehr geholfen, wenn sie stattdessen einen Zuschuss für den Führerschein bekämen, sagte Dietrich der Funke-Mediengruppe. Ein guter Vorschlag.


Neue Zahlen zur Ausbreitung der Wölfe


Handlungsbedarf besteht auch beim Thema Wolf, das im ländlichen Raum bei Naturnutzern und anderen Bürgern für heftige Kritik sorgt. Zwar wurden die Schutzregeln inzwischen etwas gelockert, aber die Wölfe breiten sich in Deutschland weiterhin praktisch ungehindert aus. Laut aktueller Zählung des Bundesamts für Naturschutz (BfN) gibt es inzwischen offiziell 1601 Tiere, verteilt auf 209 Rudel sowie in 46 Paare oder einzeln (19). Bei der Zählung ein Jahr davor waren es noch 1339 gewesen. Die tatsächliche Zahl dürfte aber noch höher liegen, denn die Statistik enthält lediglich eindeutige Nachweise etwa durch DNA-Abgleiche oder Fotos.


Und noch ein wichtiges Thema wird unser Autor Wolfgang Kleideiter in unserem Blog in der kommenden Woche aufgreifen. Die hochkarätig besetzte und breit aufgestellte Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) hat zum zweiten Mal einen richtungsweisenden Bericht vorgelegt. Bereits der Titel enthält ein Plädoyer: „Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe in schwierigen Zeiten“. In dem einstimmig verabschiedeten Papier mit viele wichtigen und richtigen Empfehlungen und Vorschlägen für die Bundesregierung wird unter anderem eine neue Kultur der Zusammenarbeit gefordert. Eine zukunftsfähige Agrar-, Umwelt- und Tierschutzpolitik brauche eine noch stärkere Einbeziehung der gesamten Gesellschaft. Vieles funktioniere noch nicht gut. Das staatliche Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, über dessen Auswirkungen wir kürzlich noch berichtet haben, sei ein solches Negativbeispiel. Die in der Praxis bereits bewährten Systeme und Prüfmechanismen seien nicht richtig eingebunden worden. Die Kommission spricht auch zu vielen weiteren Themen Klartext. Ob Düngerecht, Weiterentwicklung der GAP, Agrardiesel oder Bürokratieabbau – die 25 Seiten sind gut gefüllt mit vielen im Konsens entwickelten Anregungen und Hinweisen.


Treibjagden mit bitterem Beigeschmack


Die Wochen vor Weihnachten sind für die Jäger die Haupterntezeit. Der Hörnerklang bei Treib- und Drückjagden hat aber in diesem Jahr einen bitteren Beigeschmack. Die Hasen-Myxomatose lässt manches traditionelle herbstliche Treffen der Waidleute ausfallen. Dabei sind die Reviere in NRW und Niedersachsen sehr unterschiedlich betroffen. In einigen bricht die Population nahezu vollständig zusammen. Andere bleiben bislang verschont und sehen den richtigen Weg darin, den Hasenbesatz jagdlich auszudünnen, um so eine Ausbreitung der Krankheit durch Kontakt der Tiere untereinander einzudämmen.


Für den Menschen ist die Hasen-Myxomatose ungefährlich. Anders als die Hasenpest, auch Tularämie, Lemming- oder Hirschfliegenfieber genannt. Im Jahresverlauf ist sie besonders in Bayern und Baden-Württemberg immer wieder aufgeflackert. Nach Angaben des Robert-Koch-Institutes haben sich dabei bereits 180 Menschen mit dem Bakterium infiziert. Die Tularämie, deren Anzeichen Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie schmerzhafte Schwellungen der Lymphknoten sind, ist zwar gut behandelbar, kann in Ausnahmefällen für den Menschen aber auch tödlich sein. Auch die Afrikanische Schweinepest (ASP) greift weiter um sich. Offenbar hat sie einen Sprung von rund 50 km in den Rhein-Hunsrück-Kreis nach Rheinland-Pfalz gemacht, direkt angrenzend an den Mayen-Koblenz-Kreis. Bei Spay am Rhein ist ein totes Wildschwein angeschwemmt worden, dessen erste Beprobung auf ASP positiv ausfiel. Der Forst hat bereits vorsorglich alle anstehenden Drückjagden abgesagt. Über flächendeckende Jagdverbote bzw. über die Einrichtung von Restriktionszonen berät gegenwärtig ein Krisenstab.


Brauchtum bei Jägern verflacht


Über diese punktuellen Probleme hinaus, die schwerwiegend genug sind, haben Jagd und Jäger eine grundsätzliche Herausforderung. Denn um ihre Zukunft ist es schlecht bestellt. Diese Prognose seiner 2011 erstellten Studie hat der Soziologe Prof. Dr. Werner Beutelmeyer auf der Basis einer aktuellen Zwischenbilanz bekräftigt. Es gibt zwar immer mehr Jäger. Aber deren Wissen über das Handwerk und das Brauchtum verflacht zunehmend. Die Jagd, so der Wissenschaftler, ist nicht mehr Lebenseinstellung, sondern verkommt zu einem gelegentlichen Freizeitvergnügen, einer interessanten Freiluft-Veranstaltung. Beutelmeyer erwartet deshalb, dass Jäger weiter an Kompetenz und Ansehen in der breiten Öffentlichkeit verlieren, die Stimmung ihnen gegenüber endgültig kippt und Jagdkritiker in der Mehrheit sein werden. Dadurch werde die Politik unter Druck geraten, „neue – vermutlich sehr enge – Spielregeln für Jäger zu definieren“, prophezeit der Wissenschaftler. Über die Studie zum Zustand von Jagd und Jägern im Jahr 2030, die auf der Befragung von Jägern basiert, berichtet unser Autor Christoph Boll in der kommenden Woche in einem Blog-Beitrag. Sie dürfen darauf gespannt sein!


Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen

Ihr Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

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