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Ludwig Hintjens

Es wäre mehr drin gewesen

Mit der Verschiebung der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) um ein Jahr ist wenig gewonnen


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Foto: sarangib

Die Abholzung von Wäldern ist ein ernst zu nehmendes Problem. Die fortgesetzte Entwaldung etwa in Afrika, Südamerika und Asien verschärft die Aufheizung der Atmosphäre und das Artensterben. Daher ist es sinnvoll, wenn Europa dafür sorgt, dass nur noch Produkte aus gefährdeten Gebieten eingeführt werden, bei denen sichergestellt ist, dass keine Bäume dafür gefällt wurden. Es ist also überfällig, dass bei der Rinderzucht und dem Anbau von landwirtschaftlichen Produkten wie Holz, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk und Soja sowie den weiterverarbeiteten Produkten besondere Sorgfaltspflichten gelten.


In ganz Europa ist aber die Abholzung von Bäumen kein ernsthaftes Problem. In Deutschland, wo einigermaßen konstant über die letzten Jahrzehnte etwa ein Drittel der Fläche mit Wald bedeckt ist, machen neue bürokratische Auflagen keinen Sinn. Warum sollten künftig Landwirte, Waldbesitzer und Händler auch in Europa gezwungen werden, neue Formulare auszufüllen?


Immerhin: Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) tritt nun ein Jahr später in Kraft als geplant. Die Auflagen gelten also nicht nach dem Jahreswechsel, sondern erst ab Januar 2026. Die Verschiebung, die die Christdemokraten angestoßen haben, ist sinnvoll. Damit wird allerdings nur Zeit gewonnen. Wenn das EU-Gesetz nun ein Jahr später in Kraft tritt, ist es genauso mangelhaft wie vorher. Es wäre besser gewesen, auch inhaltlich die Verordnung anzupassen. So wäre es etwa wichtig gewesen, eine Kategorie von Ländern einzuziehen, in denen Entwaldung kein drängendes Problem ist und in denen es daher Ausnahmen gibt für die dortige Wirtschaft. Dann blieben viele Unternehmen von neuen bürokratischen Bürden verschont. Mit diesem vernünftigen Vorschlag konnte sich CDU-Berichterstatterin Christine Schneider aber ebenso wenig durchsetzen wie mit Verfahrensvereinfachungen.


Änderungen ohne andere Fraktionen nicht durchsetzbar


Die Christdemokraten haben damit eine Niederlage eingefahren. Zur Analyse der Gründe gehört: Der Versuch, das bereits beschlossene Gesetz noch einmal aufzumachen und Änderungen durchzusetzen, war von ihnen nicht professionell vorbereitet worden. Es reicht nicht aus, mit der Autorität der größten Fraktion im Europaparlament die Kommission zu einer Verschiebung zu bewegen. Für substanzielle Verbesserungen hätten sich die Christdemokraten Verbündete suchen müssen. Sie hätten Regierungen im Ministerrat dazu bewegen müssen, noch einmal Hand anzulegen an dem Gesetz. Da dies unterblieben ist, haben die Mitgliedstaaten bereits im Herbst in der Staatenkammer Reformen an der Entwaldungsrichtlinie ausgebremst. Auch im Europaparlament hatte die EVP-Fraktion bei Sozialisten und Liberalen nicht ausreichend Unterstützer.


Bei der Entwaldungsrichtlinie handelt es sich um ein EU-Gesetz von überschaubarer Bedeutung. Die EVP sollte allerdings die richtigen Schlussfolgerungen aus der gescheiterten Operation ziehen. Demnächst will sie vermutlich weitere Green-Deal-Gesetze zu Fall bringen. An erster Stelle sind hier die CO₂-Flottengrenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge sowie das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 zu nennen. Die Rückabwicklung des Verbrenner-Aus war ein zentrales Versprechen der Christdemokraten im Europawahlkampf.


Es ist keineswegs garantiert, dass sie Wort halten. Von der Leyen hat verständlicherweise wenig Interesse, ihre Politik aus der letzten Wahlperiode zurückzudrehen. Klar ist auch, dass nicht einmal in der EVP-Fraktion in der Sache alle an einem Strang ziehen. Die Christdemokraten sollten schon jetzt daran gehen, Allianzen zu schmieden – sowohl im Parlament als auch bei den Regierungen in den Mitgliedstaaten. Andernfalls könnten sie hinterher wieder mit leeren Händen dastehen.

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