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AutorenbildChristoph Boll

Freigänger-Katzen sind Gefahr für die Biodiversität

Katzen als Streuner gefährden unsere Biodiversität und Ökosysteme. Seltene Bodenbrüter, Singvögel oder Rebhühner brauchen Schutz. Fakten zu einem umstrittenen Thema


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Foto: IqbalStock

In Deutschland leben etwa 15 Millionen Hauskatzen. Mit mehr als 25 Prozent ist der Anteil an Haushalten, in denen sie gehalten werden, europaweit am höchsten. Katzen sind in Deutschland das zahlenmäßig stärkste Haustier. 2.580 von ihnen wurden im Jagdjahr 2023/2024 in Schleswig-Holstein von Jägern erschossen. Tierschützer empört das. Sie fordern ein Tötungsverbot. Doch die Jäger handeln streng nach geltendem Recht. Ob es sich bei den angetroffenen Katzen um Haustiere oder um verwilderte Katzen handelt, ist für die Jäger kaum erkennbar, im Ergebnis aber auch gleich. Denn wenn Katze Mitzi und Kater Motzi wildern, greift für die Jäger die Verpflichtung zum Jagdschutz. Er umfasst den Schutz des Wildes besonders vor Wilderern, Futternot, Wildseuchen sowie wildernden Hunden und Katzen.


Die Streuner gefährden die Biodiversität und die Gesundheit der Ökosysteme. Besonders seltene Bodenbrüter, Singvögel oder Rebhühner fallen ihnen zum Opfer. Eine im amerikanischen Wissensmagazin „Nature“ veröffentlichte Studie schätzt, dass frei lebende Hauskatzen im Jahr in den USA zwischen 1,3 und 4 Milliarden Vögel und etwa 22 Milliarden Säugetiere erlegen. Damit seien sie die größte Todesursache für Vögel und Säugetiere in den USA. Auch in Deutschland ist der Einfluss der frei laufenden Katze verheerend. Selbst Naturschutzorganisationen wie der World Wide Fund For Nature (WWF) und der Nabu beziffern die Zahl der Vögel, die jährlich Opfer von Hauskatzen werden, mit 200 Millionen.


Reine Stubentiger sind im Gegensatz zu wildernden Katzen harmlos


Reine Stubentiger sind harmlos. Die Gefahr geht vor allem von Freigänger-Katzen aus, also Samtpfoten, deren Halter ihre Tiere unkontrolliert durch die Natur streifen lassen. Sie jagen nicht zum Nahrungserwerb. Die Beute wird erfahrungsgemäß meist nur totgebissen und nicht gefressen, denn die wohlgenährten Hauskatzen sind satte Lusttöter. Die Vögel werden von den Hauskatzen totgespielt irgendwo abgelegt. Der Tod des Vogels, der nicht zum Nahrungserwerb gejagt wurde, ist also vollkommen nutzlos. Hauskatzen gehören auch nicht zur heimischen Tierwelt. Sie stören den natürlichen Nahrungskreislauf nicht nur durch das Töten der Beutetiere, sondern sie sind auch unnatürliche Konkurrenten für heimische Raubsäuger.


Wie in Schleswig-Holstein ist auch in anderen Bundesländern der Abschuss von Katzen im Landesjagdgesetz geregelt. Meistens gilt die Vorschrift, dass eine Katze erst ab einer Entfernung von 200 oder 300 Metern zum nächsten bewohnten Gebäude getötet werden darf. In Bayern ist aber ergänzend festgelegt, dass Katzen, deren Besitzer eindeutig und für den Jagdschutzberechtigten in zumutbarer Weise festgestellt werden können, nicht getötet werden dürfen. Nicht nur die Entfernung, sondern auch den Kalender muss man in Hessen beachten. Dort dürfen Samtpfoten, die im Zeitraum vom 1. März bis 31. August in einer Entfernung von mehr als 300 Metern von der nächsten Ansiedlung jagend angetroffen werden, getötet werden. Ganz anders in Berlin, wo wildernde Katzen ohne eine Abstandsregelung getötet werden dürfen, wenn keine führende Person auf sie einwirkt. In Baden-Württemberg ist der Abschuss streunender Hauskatzen nur im Jagdbezirk in Wildruhegebieten mit Genehmigung der unteren Jagdbehörde und mit Genehmigung der zuständigen Naturschutzbehörde in entsprechenden Schutzgebieten im Einzelfall erlaubt, sofern der Schutzzweck es erfordert und andere mildere und zumutbare Maßnahmen nicht erfolgversprechend sind. Im Ergebnis heißt das, der Abschuss wildernder Katzen ist dort nahezu unmöglich.


Viele Tierheime längst überfüllt


Noch einen Schritt weiter gehen Nordrhein-Westfalen und das Saarland. Dort ist die Tötung einer Katze verboten. In NRW begehen die Eigentümer der Katzen gleichzeitig eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie ihre Katzen unbeaufsichtigt im Jagdbezirk umherlaufen lassen. Und Katzen einfach auszusetzen, um sich der Halter- und Betreuerpflichten zu entziehen, verbietet schon das Tierschutzgesetz. Verstöße werden als Ordnungswidrigkeit mit Geldbußen bis zu 25.000 € geahndet. Hauskatzen in Lebendfangfallen sind in NRW rechtlich Fundsachen und als solche den Ordnungsämtern zu melden. Diese müssen die Tiere artgerecht unterbringen und versorgen. Doch viele Tierheime sind längst überfüllt und an ihrer Belastungsgrenze angekommen.


Das hat auch eine Änderung des Tierschutzgesetzes nicht verhindert, die Landesregierungen ermächtigt, durch eine Rechtsverordnung Gebiete festzulegen, in denen erforderliche Maßnahmen wie Kennzeichnung und Registrierung die Zahl freilebender Katzen reduzieren sollen. Schon mehr als 1.000 Städte und Gemeinden haben Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungsverordnungen für Katzen erlassen. Vorreiter war das sogenannte Paderborner Modell. Wirklich geholfen aber hat es wenig. Vielerorts fehlt einfach das Verständnis von Biodiversität und dem massiven Einfluss von Hauskatzen als nicht natürlichen Beutegreifern.


Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund plädiert Katharina Erdmann, Landestierschutzbeauftragte in Schleswig-Holstein, für eine Katzensteuer. Mit dem Geld könnten dann auch Kastrationsprogramme finanziert werden. Für 2024 hat das Land 110.000 Euro für die Katzenkastration bereitgestellt. Der Deutsche Tierschutzbund und der Landesverband Schleswig-Holstein beteiligten sich mit 10.000 Euro an der Aktion. Bei Kosten von durchschnittlich gut 100 Euro je Tier ist das jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn der uneingeschränkten Vermehrung allein der halterlosen Katzen, deren Zahl der Landesjagdverband (LJV) auf 75.000 schätzt, Einhalt geboten werden soll. Sogar 600.000 Euro Steuermittel hat Niedersachsen im Jahr 2024 ausgegeben, um „frei lebende Hauskatzen“ einzufangen, zu kastrieren, mit einem Chip zu versehen – und sie dann wieder freizulassen, damit sie weiter auf die Jagd nach Jungwild, Singvögeln, Amphibien und Kleinsäugern gehen können.

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