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AutorenbildJost Springensguth

Haushaltskrise, Wirtschaftsgipfel und Wolfskonflikt: Politische Herausforderungen im Fokus

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche


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Liebe Leserin, lieber Leser,


in drei Wochen wissen wir mehr: Am 14. November ist die sogenannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses im Bundestag. Am 29. November, also zwei Wochen später, steht dann die dritte Lesung und Verabschiedung des Etats für 2025 auf der Tagesordnung des Bundestages. In der Bereinigungssitzung wird üblicherweise bis weit nach Mitternacht versucht, strittige Punkte auszuräumen. Da lohnt sich der genaue Blick auf die Regierungsfraktionen, weil sich dann zeigen wird, ob die Regierung das geplante Ende der Legislaturperiode erreichen wird oder die Koalition bricht. Ob Bruch oder auf den Posten bleiben: Die politische Handlungsfähigkeit wird sich für die letzten Monate dieser Legislaturperiode in allen denkbaren Szenarien wohl zunehmend einschränken.


Neben der noch nicht geklärten Schließung der bisher bekannten 12-Milliarden-Lücke steht die Finanzierung der zum Teil auch innerhalb der Ampel strittigen Ausgabenpositionen wie etwa Bürgergeld, Renten, Wachstumsinitiative mit neuen Subventionen, Investitionsanreizen, Krankenhausreform, Verkehr oder Rüstung auf den Zetteln der Fraktionen. Über der Aufzählung der politischen Knackpunkte lastet dann noch die Aussage des Bundesrechnungshofes, der in seinem Bericht an den Haushaltsausschuss „Mängel und Risiken“ feststellt, bei denen die Konsolidierung des Haushalts „aus den Fugen geraten“ sei. Nach dem beschlossenen Nachtragshaushalt für dieses Jahr zur Finanzierung zusätzlicher Ausgaben unter anderem für das Bürgergeld habe sich die Nettokreditaufnahme im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen der Bundesregierung verdreifacht. Und dann haben noch die Steuerschätzer getagt. Ergebnis: keine guten Prognosen. Die Steuereinnahmen liegen im Vergleich zur letzten Berechnung im Mai für 2025 um 12,7 Milliarden Euro niedriger; bis 2028 werden es insgesamt 58 Milliarden weniger.


In dieser Woche wurde der Kanzler kritisch, aber freundlich beim Kongress des Arbeitgeberverbandes aufgenommen. Irgendwie ist man ja auch gegenseitig aufeinander angewiesen. Die Schlagzeile der Welt dazu: „Die Wirtschaft fordert und Scholz verspricht“. Der Kanzler lädt danach noch zum Industriegipfel mit Unternehmern am nächsten Dienstag ein. Habeck übrigens macht ähnliches Ende November. Und Lindner hat wohl ebenfalls noch einen Termin mit Wirtschaftsvertretern. Das sieht alles nicht gerade koordiniert aus. Dazu kam in dieser Woche noch Habecks Vorschlag, gegen die Wirtschaftsflaute einen „Deutschland-Fonds“ aufzulegen, hinter dem der Finanzminister eine „fundamental andere Wirtschaftspolitik“ vermutet und von dem er vorher nichts wusste. Lindner wiederum hat sich Gedanken über neue Bürger- und Wohngeldregelungen gemacht, die der Kanzler lediglich „zur Kenntnis genommen“ habe, wie der Regierungssprecher formulierte. Im ZDF beklagte sich Lindner jetzt so: „Die Vorschläge von Herrn Scholz waren nicht abgestimmt und die von Herrn Habeck auch nicht.“ Zusammenarbeit sieht anders aus.


In den Unternehmen wachsen unverändert die Zukunftssorgen, wie in fast jeder „Tagesschau“ in diesen Tagen vermeldet wird. Angesichts der IWF-Prognose eines Null-Wachstums fühlen sich viele Manager bestätigt, die zu 90 Prozent in einer Umfrage der Arbeitgeberverbände die Aussage bestätigten, diese Regierung habe keine durchdachten Konzepte gegen die vielen Krisen. Also warten wir bis Ende November ab, welcher Wirtschaftsgipfel was bringt und wie das dann alles am Ende finanziert werden soll. Übrigens sind zum ländlichen Raum, in dem über 60 Prozent der Menschen leben und arbeiten, weder Gipfel noch Antworten auf offene Fragen zu erwarten.


Um diese überwiegend strukturschwachen Regionen geht es aktuell besonders in den Bundesländern, wo gerade gewählt wurde. Dort wird in geradezu quälenden Prozessen versucht, handlungsfähige Regierungen auf die Beine zu stellen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Dame, die weltpolitische Krisen in Dresden, Erfurt und Potsdam lösen will. Vor einem Jahr hat sich Sahra Wagenknecht mit ihrer Abspaltung von der Linken auf den Weg gemacht, als Eine-Frau-Partei die politische Landschaft aufzumischen. Mit ihrem BSW hat sie sich in den drei Ländern so in Position gebracht, dass ohne ihr Bündnis nichts geht. Ihr Ziel ist die Bundestagswahl und offensichtlich nicht die Mitgestaltung der Zukunft in den Ländern derjenigen, die diese neue Partei ohne Regionalprogrammatik in die Landtage gewählt haben. Wer mehr darüber lesen möchte, dem empfehle ich hier die Lektüre unseres Gastautors Hugo Müller-Vogg zu Wagenknechts Plan bei Focus.


Wolf: Der Druck wächst, miteinander zu reden und zu handeln


Wie überall im Lande beschäftigt weiter das Thema Wolf Weidetierhalter, Revierinhaber auf der einen, Vertreter von Behörden und Wolfsschutzbewegte und -initiativen auf der anderen Seite meist mit jeweils kontroversen Missionen. Dazwischen stehen die amtlich bestellten „Wolfsbeauftragten“ und zuständige Ämter wie das LANUV in NRW. Der Druck wächst mit der Population und Zunahme von Wolfsrissen. Das Thema haben wir schon vielfach in unserem Blog und in Wochenkommentaren aufgegriffen.


Nach den Daten der „Deutschen Dokumentations- und Beratungsstelle Wolf“ steigt die Zahl der Rudel, Paare und Einzeltiere ständig. Der Deutsche Bauernverband geht für das Monitoringjahr 2023/2024 von 1.800 bis 3.300 Tieren in Deutschland aus. Das wäre schon eine dramatische Zunahme nach den offiziellen Zahlen für den Vorjahreszeitraum mit 1.400 bis 2.500 Tieren.


Im Rheinland ist es jetzt gelungen, dass „qualifizierte Vertreter aller beteiligten Seiten in einer gemeinsamen Veranstaltung miteinander und mit dem relevanten Umfeld reden“. So formulierte es als Moderator Detlef Steinert, der Chefredakteur der Landwirtschaftlichen Zeitung Rheinland. Eingeladen hatten die Kreisbauernschaften der Kreise Euskirchen und Düren sowie der Städteregion Aachen gemeinsam mit den drei Kreisjägerschaften dort. Zu den Teilnehmern zählten nicht nur Nutztierhalter, Jäger und Naturschützer, Verbände, Forst und Tourismus, sondern auch zahlreiche Gäste aus Verwaltungen und Politik, darunter die Vertreter der örtlichen Kommunen, aus den Fraktionen aller drei Kreise sowie Abgeordnete des NRW-Landtages.


Am Ende des Tages, so war in der Berichterstattung über diese Veranstaltung zu lesen, ist ein gegenseitiges Verständnis vielleicht gewachsen – auch angesichts geschilderter „aufwühlender Fälle von Wolfsangriffen auf Nutztiere“ mit entsprechenden Bildern. Dazu gehört, so äußerte es der vom LANUV beauftragte Wolfsberater: Wenn er zum Geschehen gerufen werde, finde er dort nicht nur tote, sondern auch schwer verletzte, noch lebende Tiere vor. „Die Ohnmacht, diese Tiere nicht erlösen zu dürfen und das Leid der Halter zu sehen, die ihre Tiere im Todeskampf begleiten, sei unerträglich.“ Hier wurde politischer und behördlicher Handlungsbedarf mehr als deutlich. Immer wieder geht es auch um die emotionale Belastung der betroffenen Tierhalter. Der Vertreter des grün geführten Umweltministeriums in NRW betonte, die Sorgen und Bedenken der Tierhalter ernst zu nehmen, um gleichzeitig vor „unsachlicher Panikmache“ zu warnen. Für den Vertreter des Bauernverbandes dagegen ist die Sache wohl klar: „Die derzeitige Wolfspolitik sei gescheitert.“ Zumindest für die beteiligten Kreisjägerschaften ist sichtbar, wie wichtig solche Plattformen für den Austausch von Wissen und Erfahrungen sind. Dem kann man nur zustimmen, wenn wir in der Wolfspolitik überhaupt weiterkommen wollen. So wichtig die Entscheidungen in Berlin und Brüssel auch sind – regional ist nun einmal praxisnah.


Ein Beispiel, das Schule machen könnte


Einigkeit für die Biotop-Verbesserung: Jagdpächter Bernhard Vornholt (links) und Jagdgenossenschaftsvorsitzender Berthold Markfort. (Foto: privat)

Zur Jagd gehört auch die Pflege von Traditionen. An Ideen neuer, nachhaltig wirkender Aktionen mangelt es bekanntlich nicht. So war auch ich an einem bemerkenswerten Beispiel beteiligt, das von Beständern einer Niederwildjagd im münsterländischen Everswinkel vor zwölf Jahren begründet wurde. Wer seitdem dort zum Jagdkönig gekürt wird, soll beim Schüsseltreiben nicht die übliche Runde ausgeben, sondern verpflichtet sich, einen Obstbaum alter Sorten zu spenden und mit zu pflanzen. Er kommt in eine „Majestäten-Galerie“, die neben einem Insektenhotel am Wegesrand Spaziergänger (und wie es im Münsterland heißt: „Pättkesfahrer“, die auf dem Rade vorbeikommen,) erfreuen soll. In der Lokalzeitung war zu lesen, dass inzwischen mit zusätzlichen Stiftern der 50. Obstbaum dort steht. Alle tragen Früchte – auch durch aktive Pflege und Hege von Flora und Fauna. Das funktioniert am besten, wenn Flächeneigentümer und Jäger zusammenwirken. Das Beispiel könnte doch Schule machen.


Unsere Stiftung setzt sich in ihren Projekten und mit der Öffentlichkeitsarbeit für Biotopschutz, Artenvielfalt, Naturpflege und -nutzung sowie die Jagd in ihrem gewachsenen Umfeld ein. Ihre Maßnahmen werden durch Spenden und Zuwendungen finanziert. Dafür werben wir unter anderem wieder in Kürze auch bei den Beziehern unseres Newsletters.


Mit dieser empfehlenden Schlussbemerkung wünsche ich auch im Namen unseres Autorenteams ein hoffentlich sonniges Herbstwochenende mit allen Schönheiten der Natur

Ihr

Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination


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