Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche
Liebe Leserinnen und Leser,
in unserem Wochenkommentar ziehen wir eine erste Bilanz der jüngsten Auseinandersetzungen im Parlament über den neuen Bundeshaushalt sowie den Plan der Ampelkoalition, die illegale Zuwanderung einzudämmen. In diesem Zusammenhang geht es auch um eine Verschärfung des Waffenrechts, von der nicht zuletzt Jäger und andere Naturnutzer stark betroffen sein können. Des Weiteren gibt es reichlich Ärger um einen „falschen“ Wolf in der bayerischen Rhön.
Migrationsgipfel, Sicherheitspaket, Haushaltsdebatte im Bundestag – in Berlin ging es diese Woche politisch hoch her. Mit viel Taktik und scharfer Rhetorik versuchten Regierung und Opposition, sich Vorteile in der öffentlichen Wahrnehmung zu verschaffen. Dies gilt mit Blick auf die Landtagswahl am nächsten Wochenende in Brandenburg und nicht zuletzt auch mit Blick auf die Bundestagswahl in einem Jahr. Doch der Erfolg dürfte begrenzt sein. Denn viele Bürger wissen kaum noch, was sie von all den Ankündigungen, Versprechen, Vorhaben zu halten haben. Dies gilt nicht zuletzt für die Menschen im ländlichen Raum, denn deren besondere Probleme spielten in Äußerungen – wenn überhaupt – nur eine sehr kleine Nebenrolle.
Das Scheitern des Migrationsgipfels hat gezeigt, dass der Wunsch nach gemeinsamen Lösungen von Ampelkoalition und Union kaum noch verwirklicht werden kann. Dafür liegen die Vorstellungen zu weit auseinander. Man mag dies bedauern, aber sollte es auch nicht überbewerten. Denn die verfassungsmäßige Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition ist klar. Die Koalition hat Maßnahmen beschlossen, die sie auch ohne CDU/CSU umsetzen kann. Anders ausgedrückt: Die Regierung muss jetzt nachholen, was sie eigentlich schon in den letzten drei Jahren hätte machen müssen: jedes rechtlich zulässige Mittel einsetzen, um die irreguläre Migration nach Deutschland zu unterbinden.
Ampelkoalition ist am Zug
Oder anders ausgedrückt: SPD, FDP und Grüne sind hier am Zug. Und es ist die Aufgabe der Opposition, dieses Regierungshandeln kritisch zu begleiten und eigene Vorschläge zu machen. Und am Ende werden die Wähler das letzte Wort haben. So etwas ist der ganz normale demokratische Prozess.
Nicht normal ist dagegen die Hektik, die innerhalb der Koalition jetzt beim Thema Migration sichtbar wird. Augenscheinlich hat sie die Brisanz nicht ernst genug genommen. Immer mehr Bürger haben den Eindruck gewonnen, dass der Staat die Kontrolle über seine Grenzen verloren hat. Dem daraus resultierenden Gefühl der Unsicherheit muss entgegengewirkt werden, nicht zuletzt um bedrückende Wahlerfolge von Extremisten wie jüngst in Sachsen und Thüringen in Zukunft zu verhindern. Ob der jüngst beschlossene Maßnahmenkatalog der Koalition hier für einen Stimmungsumschwung sorgt? Zweifel sind angebracht, denn allein durch Worte und Versprechungen werden sich die Bürger nicht mehr zufriedengeben. Zur ersten Nagelprobe werden am kommenden Wochenende die Wahlen in Brandenburg, bei denen das Thema Migration wie aktuell überall in der Republik eine zentrale Rolle spielt.
Auch in Sachen Haushalt ist die Ampelkoalition – freundlich formuliert – aktuell nicht gerade auf Kurs. Nur mühsam konnte eine halbwegs gesichtswahrende Vorlage für den Bundestag erstellt werden. Doch es besteht weiterhin eine große Finanzierungslücke, die durch ungewöhnlich hoch angesetzte globale Minderausgaben geschlossen werden soll. Hier wird Etatpolitik nach dem Prinzip Hoffnung gemacht. Ein Ausweis von Solidität und Weitsicht ist das gewiss nicht. Und überhaupt: Es fehlen klare Akzentsetzungen bei den großen Zukunftsaufgaben Sicherheit, Wirtschaftswachstum, Klimakrise. Kurzum, dieser Etatentwurf ist eine vorläufige Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner.
Gerichte und Behörden überlastet
Beispiel innere Sicherheit, zu der SPD-Innenministerin Faeser in dieser Woche ein umfangreiches Paket vorgelegt hat. Dazu gehören auch Verschärfungen des Waffenrechts, auf die wir in unserem Blog im Vorfeld bereits mehrfach kritisch eingegangen sind. Auch nach Ansicht des Deutschen Richterbundes fehlt darin die wirksamste Maßnahme: eine bessere Rechtsdurchsetzung. Hier liege der Schlüssel zu mehr Sicherheit, betonte jüngst der Bundesgeschäftsführer der Organisation, Sven Rebehn, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Vielfach überforderte Behörden und überlastete Gerichte könnten mit ihren wachsenden Aufgaben immer weniger Schritt halten. „Bundesfinanzminister Christian Lindner muss endlich den Fuß von der Bremse nehmen und den Weg für einen Investitionspakt der Ampel mit den Ländern frei machen“, sagte Rebehn. Mit Messerverboten und ein paar neuen Polizei-Befugnissen allein sei für die innere Sicherheit noch nicht viel gewonnen.
Auch der Deutsche Jagdverband (DJV) betonte, es brauche eine Lösung für das bestehende Vollzugsproblem: Nötig seien besser ausgestattete Behörden, die überhaupt in der Lage seien, die Einhaltung bestehender Regeln zu kontrollieren. Der DJV forderte die sofortige Zurücknahme der geplanten Waffenrechtsverschärfung, da sie islamistischen Terror und Messerkriminalität nicht im Ansatz verhindere. Vielmehr enthalte das Paket erneut grundlose Verschärfungen für rechtstreue Bürger und belaste bereits überforderte Behörden weiter. Der Jagdverband rief die Ampelfraktionen und die Bundesregierung auf, endlich einen runden Tisch mit betroffenen Verbänden und Vollzugsbehörden des Waffenrechts in den Ländern und Kommunen einzuberufen.
Wirbel um einen Wolf
Momentan gibt es im Süden eine Riesenaufregung um die eigentlich legale „Entnahme“ einer vermeintlichen „Problemwölfin“ auf der bayerischen Rhön: DNA-Proben zeigen nach dem Abschuss, dass die behördlich beauftragten Jäger wohl das falsche Tier erlegt haben. Die wahre Missetäterin, die auch ordnungsgemäße Schutzzäune überwunden hat, um Rhönschafe zu töten, läuft noch frei herum. Und sie ist wohl erst mal vor Verfolgung sicher, weil die Abschussgenehmigung der Regierung von Unterfranken ausgeschöpft ist. Vielleicht auch, weil die Wutkommentare im Internet starke Nerven verlangen.
So läuft das amtsbekannte Raubtier weiter frei herum und widerlegt so manche Schutzbehauptung: Allein beim letzten Riss in der Nacht zum 26. August wurden sechs Schafe getötet und vier weitere verletzt. Die eingezäunte und von Herdenschutzhunden bewachten Tiere hatten in Panik den Zaun durchbrochen. „Täter“ war laut DNA in diesem Fall aber wohl ein Rüde, Partner der „Problemwölfin“ und Vater einer neuen Generation von bayerischen Wölfen. Am Rande: Bayerns Wolfsverordnung, die besseren Schutz von Weidetieren ermöglichen sollte, droht zu kippen. Die damit befasste Verwaltungsrichterin stellte vorab schon mal fest, dass die Naturschutzverbände nicht ausreichend beteiligt wurden.
Es hat sich hier wieder einmal gezeigt: Die Beziehungen zwischen Wildtieren, deren Lebensräumen und den verschiedensten menschlichen Nutzungsansprüchen werden immer komplexer und komplizierter. Die Wildökologische Raumplanung (WÖRP) soll als Planungs- und Steuerungsinstrument den Ausgleich schaffen zwischen den Nutzungskonflikten und einvernehmliche Lösungen herbeiführen. Erstmals wird das nun in Deutschland in einem Pilotprojekt im Landkreis Vorpommern-Greifswald versucht.
In Österreich und der Schweiz ist dieses Verfahren bereits seit 35 Jahren bekannt und teilweise in den Jagdgesetzen verankert. Dort wird WÖRP verstanden als jagdgebietsübergreifende objektive fachliche Hilfestellung für den Abwägungsprozess zwischen den beteiligten Gruppen von der Land- und Forstwirtschaft über die Jagd und den Tourismus bis hin zu Freizeitaktivitäten in der Natur einerseits und den Bemühungen um die Sicherung des Lebensraumes für das Wild andererseits. Basis ist eine großflächige Rahmenplanung. Darauf baut eine regionale Detailplanung auf, aus der spezifische lokale Maßnahmen abgeleitet werden. Wild wird dabei nicht als Schädling oder Störenfried, sondern als integraler Bestandteil der Natur verstanden. Mehr dazu können Sie in der kommenden Woche bei „natur+mensch“ in einem Beitrag unseres Autors Christoph Boll lesen.
Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, wünsche ich eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen
Ihr Jürgen Wermser
Redaktionsleitung/Koordination
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