top of page
AutorenbildFrank Polke

Heimatgefühle am Nummernschild

Für viele Menschen vor allem im ländlichen Raum sind die Ortsbezeichnungen am Auto-Kennzeichen mehr als reine Buchstaben auf einem weißen Nummernschild. Sie zeigen Verbundenheit mit der Heimat. Ein Professor will das jetzt erleichtern


Beitrag anhören (MP3-Audio)

Foto: Timo Klostermeier / pixelio.de

Es sind für viele mehr als schwarze Buchstaben und Zahlen auf einem weißen Auto-Schild: NOS für Norderstedt, DOM für Dormagen, RAD für Radebeul in Sachsen – all das drückt Nähe zur Herkunft und Heimat aus. Und schon bald könnten zusätzlich 320 kleinere Städte in Deutschland das Recht erhalten, eigene Autokennzeichen herauszugeben. Ein Statement zur Heimat, würden Marketing-Experten sagen. Die Nachfrage nach den individuellen Kennzeichen ist gerade in diesen hektischen und unübersichtlichen Zeiten groß. Und genau diese Verbundenheit wollen viele am liebsten am Auto ausdrücken und zeigen.


Professor legt Vorschlag auf den Tisch


320 Städte in Deutschland sollen schon bald nach den Plänen von Ralf Bochert ein eigenes Ortskennzeichen erhalten. „Mit der Einführung eigener Buchstabenkürzel auf dem Nummernschild könnten viele Kommunen die lokale Identität – sowohl nach innen als auch nach außen – stärken“, begründete der Professor für Destinationsmanagement an der Hochschule Heilbronn seinen Vorschlag jetzt in einem Mediengespräch. Es gebe in der Bevölkerung einen großen Wunsch nach mehr lokaler Verortung. Diesem Wunsch könne man unbürokratisch entsprechen. Kosten entstünden nicht.


Zum Hintergrund: Seit dem Jahre 2012 gibt es in Deutschland bereits die Möglichkeit, auch innerhalb eines Verwaltungsbezirks (oft Städte oder Kreise) andere regional bekannte Kennzeichen zu wählen und anzubieten. Individuell wählbar sind die ersten Orts-Buchstaben nicht, das würde Chaos bedeuten. Aber Autofahrer können sich seit 2012 oft für Kürzel von Regionen und Teilen der Gebietskörperschaft entscheiden, die zum Beispiel in den 70er Jahren bei der Kreis- und Gebietsreform 1975 abgeschafft bzw. zu anderen Städten eingemeindet wurden. Diese Reform hat nicht nur im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW lokale Identitäten und Heimatgefühle verletzt. Die Wahlmöglichkeit innerhalb eines Kreises setzt aber einen Antrag der Städte oder Kreise beim Bund voraus, die alten Kürzel wieder neu zuzulassen. Ganz neue Ortskennungen sind nicht erlaubt.


Grenzen und Hürden, die für Professor Bochert zu hoch und kompliziert sind. Er hat 320 Städte mit einer Untergrenze von 20.000 Einwohnern aufgelistet, die die Möglichkeit erhalten sollen, eigene Ortskennungen für die Auto-Kennzeichen zu erlauben. Dies stärke das Heimatgefühl, verbessere die Marketingchancen und koste nichts, so der Experte. Oft sei dafür ein Kreistagsbeschluss oder eine Entscheidung des Landrats notwendig.


Die letzte Entscheidung, ob dem Antrag der Gemeinde dann auch stattgegeben wird, soll nach Bocherts Willen beim jeweiligen Bundesland bleiben, das vorher beim Bundesverkehrsministerium und beim Bundesrat einen Antrag gestellt hat. In dem Verfahren wird geprüft, ob die Vorschläge rechtlich, politisch oder moralisch bedenklich sind oder sie schon anderswo vergeben sind. Das Bundesverkehrsministerium hat auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa positiv auf den Vorschlag des Professors reagiert.


Alte Nummernschilder werden mitgenommen


Doch es geht auch andersherum. Viele Menschen, die in eine andere Region, eine andere Stadt oder sogar in ein anderes Bundesland umziehen, möchten offenbar ihr altes Kfz-Kennzeichen behalten. Auch das zeigt am Auto Verbundenheit mit Herkunft und Heimat, die man verlassen hat. Möglich macht das eine Gesetzesänderung: Seit dem 1. Januar dürfen Zugezogene bundesweit ihr altes Kennzeichen an den neuen Wohnort mitnehmen. Und das hat zum Beispiel im Bundesland Brandenburg schon mächtig Schule gemacht. Allein in der Landeshauptstadt Potsdam haben sich 335 Frauen oder Männer dafür entschieden, ihr altes Nummernschild zu behalten. Bei 430 Umschreibungen sind das in Potsdam mehr als drei Viertel, die ihre Heimatgefühle oder ihre Verbundenheit mit der Herkunft auch beim Nummernschild zeigen wollen – oft sehr zum Leidwesen der Autoschilderfirmen und Fahrzeugdienstleister, die mit der Neuausfertigung der Kfz-Schilder ein lukratives Geschäft verlieren. Diesen bleibt die Hoffnung, dass schon bald mehr Städte und Gemeinden eigene Kennzeichen bei ihnen drucken lassen.

Comments


bottom of page