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AutorenbildFrank Polke

Diesseits der Brandmauer

Aktualisiert: 29. Okt.

In Brandenburg ist es der SPD offenbar gelungen, das Bündnis Sahra Wagenknecht zu zähmen. Auch in Thüringen scheint es auf Koalitionsverhandlungen hinauszulaufen. Ob die dortige CDU die Femme fatale einfangen kann, ist unklar.


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Sahra Wagenknecht (Foto: Benjamin Zibner)
Sahra Wagenknecht (Foto: Benjamin Zibner)

Die entscheidende Person war beim Sushi-Essen wohl nicht dabei. Nach den ersten Runden der Sondierungsgespräche in Thüringen für die sogenannte „Brombeer-Koalition“ aus CDU, SPD und BSW war man sich durchaus nähergekommen, auch persönlich. Vertreter der CDU um Landeschef Mario Voigt und der SPD um Landeschef Georg Maier lobten die angenehme Gesprächsatmosphäre der „Optionsgespräche“. Man sei konstruktiv bei den Themen Bildung, Wirtschaft und sogar Polizei unterwegs. Und lobten auch die BSW-Verhandlungsführer Katja Wolf und Steffen Schütz. Vor allem Schütz sei als aktiver und erfolgreicher Unternehmer durchaus offen für pragmatische und vernünftige Ansätze in der Landespolitik. Ideologiefrei wolle man, so war sogar aus der BSW-Truppe zu hören, das Thema Zukunft der Landwirtschaft und Landnutzung für Bauern und Jäger besprechen. Die Menschen in den ländlichen Räumen bräuchten jetzt wirklich „Angebote, damit sie sich nicht abgehängt fühlen“, so heißt es wörtlich in einem Verhandlungspapier.


Friedenspräambel statt Landespolitik


Natürlich hört sich das wenig konkret an, bleibt noch unverbindlich, genau wie ein möglicher Zuschnitt der Ministerien Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Erfurt. Aber der Sound und die berühmte Chemie schien zu stimmen. Jetzt sollen auch offiziell Koalitionsverhandlungen. Ob diese dann zu einem Brombeer-Bündnis in Thüringen führen, ist unklar. Und vor allem, welche Forderungen in Sachen Friedenspolitik Wagenknecht dann noch stellt, und wie weit die CDU dann diesseits der Brandmauer weitere Kröten schlucken muss, wird sich ebenfalls zeigen.


Denn: Sahra Wagenknecht will keine gute Atmosphäre, will keine Zusammenarbeit. Wagenknecht, die bundesweit als politische Femme fatale gilt, ist auf Zerstörung aus. Zunächst die Linkspartei (darf als erledigt angesehen werden), dann gern die SPD (mit großer Zustimmung ihres Mannes Oskar Lafontaine), später auch gern die CDU. Jetzt fordert sie immer mehr, zuletzt eine „Friedenspräambel“ für die Thüringer Landesregierung. All das kommt aus dem Hintergrund – und immer dann, wenn es vor Ort und konkret zu Fortschritten kommt.

 

Verhandlungen in Brandenburg 


Ganz anders ist die Situation in Brandenburg. Dort verkündeten die Verhandlungsführer von SPD und BSW Anfang der Woche einen ersten vorsichtigen Durchbruch. Man sehe ausreichend Schnittmengen, so erklärte es der geschäftsführende Ministerpräsident Dietmar Woidke in einem Statement. Der brandenburgische BSW-Vorsitzende Robert Crumbach durfte ebenfalls seiner Partei die Aufnahme von Verhandlungen empfehlen. Auf die Frage, ob Wagenknecht denn schon ihre Zustimmung für eine Koalition von SPD und BSW signalisiert habe, reagierte Crumbach sichtlich genervt. „Man habe sich eng abgestimmt.“ Da geht es um Fragen von Krieg und Frieden, um falsch verstandenen Pazifismus russischer Art – aber bestimmt nicht um Fragen der Landnutzung, Hilfspakete oder Steuerentlastung für Landwirte oder die Forstwirtschaft.

 

Das interessiert Wagenknecht nicht. Öffentlich geriert sie sich als Friedenskämpferin, die gern Israel für den Krieg im Nahen Osten verantwortlich macht. Und noch krasser: die Ukraine habe Schuld am Krieg gegen Russland, trotz der Kriegsverbrechen und des Bruchs des Völkerrechts durch das russische Regime. Das Land, dessen Präsident Putin offen mindestens die Wiederherstellung der Sowjetunion mit direktem Einflussbereich bis nach Deutschland verfolgt, sei nicht der Aggressor, sondern das Opfer. Wagenknecht, ganz gelehrige Schülerin der kommunistischen Plattform der untergegangenen SED, erweist sich als Helfershelferin Putins. Wer diesen Kurs nicht mitmacht, verliert die Gunst erst Wagenknechts. Und dann jegliche Chance, weiter mitmachen zu können oder sich zu wehren.


Aber es gibt handelnde Personen im BSW, die sich mehr oder weniger offen diesem totalitären Machtanspruch Wagenknechts entgegensetzen. Allen voran die ehemalige Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf. Sie ist aktuelle Verhandlungsführerin, gilt ebenso wie Schütz und BSW-Landesgeschäftsführer Tilo Kummer als durchaus pragmatisch. Und sogar lösungsorientiert. Genau dies bringt das Trio aber in einen wohl unauflösbaren Gegensatz zu Wagenknecht. Dies formuliert immer neue Hürden, verschärft die Anforderungen an die „Friedenspräambel“. Die gesamte CDU solle diese sich zu eigen machen, schießt Wagenknecht aus dem Hintergrund. Bloß keine Einigung im Sinne der Bildungspolitik des Landes. Oder der Zukunftsfähigkeit der Krankenhauslandschaft im Osten oder gar der Entwicklung des ländlichen Raums. Zerstörung ist der Plan.


Ministerpräsidentenwahl als Damoklesschwert


Anders als die Brandenburger SPD verfolgt die Thüringer CDU um Mario Vogt einen anderen Plan: Dieser beinhaltet viele Formen der Zusammenarbeit mit dem BSW - zwischen Duldung und Koalition gebe es ja noch andere Modelle. Kann klappen, muss aber nicht klappen, wie sich in Erfurt jetzt zeigt. Im Fall des Scheiterns könnte es so weiter gehen: Bei einer anberaumten Ministerpräsidentenwahl im Thüringer Landtag gewinnt nach zwei Wahlgängen ohne Ergebnis der Kandidat, der auch nur eine einfache Mehrheit auf sich vereint. Die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD ist mit 32 von 88 Sitzen stärkste Kraft im Parlament. Möglich aber auch, dass es diesseits der von der CDU weiter gepflegten Brandmauer doch zu einem Regierungsbündnis mit Wagenknecht kommt.

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