Die Aktionswoche der Bauern wird unabhängig von der unseligen Konfrontation in Schlüttsiel interne Strategiedebatten befördern
Bei den Bauern kürzen und bei den Konzernen klotzen: Das Sparpaket der Bundesregierung sorgt für berechtigte und massive Kritik, die mit der heute beginnenden Aktionswoche zum Ausdruck kommt. Und auch für Kampfkandidaturen in der Öko-Partei. Der Bundeslandwirtschaftsminister bekommt Rückenwind für seinen Widerstand gegen Traktor-Steuern und teuren Agrar-Diesel. Vize-Kanzler Habeck will sich den Bauern unabhängig von seinen unakzeptablen Schlüttsieler Erlebnissen den Bauern weiter stellen und für seine Positionen argumentieren. Er steht dabei aber auch zusammen mit seinen grünen Ampelkollegen zunehmend vor parteiinternen Debatten. Das hat schon vor den Bauern-Protesten in diesen Tagen begonnen.
Allein sind die Landwirte beileibe nicht mit ihrer Kritik. Die Landtagsfraktion der bayerischen Grünen zum Beispiel protestierte mit einem offenen Brief an die Bundesregierung. „Wenn die Steuerentlastungen für die Landwirtschaft wegfallen, ist das nicht nur schmerzlich, sondern vielfach existenzbedrohend für unsere Bäuerinnen und Bauern“, klagt die Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze: „Dieser Preis ist zu hoch und die Folgen zu schwerwiegend.‟ Frau Schulze ist das Dauer-Lächeln vergangen, obwohl sie bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst mit 34 Prozent ein persönliches Traumergebnis eingefahren hat im teuren Münchner Szene-Stadtviertel Schwabing.
Übermacht kommt aus den Metropolen
In der Provinz sind die Grünen eingebrochen. Die meisten Kandidaten dort schafften es nicht mehr ins Parlament. Die Fraktion steht für die Übermacht der Metropolen. Co-Fraktionschef Ludwig Hartmann, der in München-Mitte 44 Prozent für die Grünen holte, wird dafür nicht gefeiert. Zu groß ist der Frust der Basis in Dörfern und Kleinstädten. Dort, wo sie vor langer Zeit sogar die CSU das Fürchten lehrten. Mit dem Bio-Bauern Sepp Daxenberger an der Spitze, mit einem Grünen-Landrat am nobel-schwarzen Tegernsee.
In leiseren Tönen war die Wut der Bauern speziell in Bayern schon länger zu spüren. Zum Beispiel bei den Debatten um Tierwohl und die Landwirtschaft als „Klimakiller‟. Oder mit den internen Protesten von Grünen im ländlichen Raum gegen den arg blauäugigen Umgang mit dem Aufreger-Thema Wolf. Erst kurz vor dem Wahltag lenkte die Partei-Spitze erkennbar widerwillig ein beim Abschuss von Problem-Wölfen in den Bergweide-Gebieten. Wohl zu spät, um die Almbauern zu erreichen, die schon mal als natürliche Verbündete galten, auch mit ihrer wachsenden Begeisterung für die Marktnische der Bio-Produkte.
Auch die Wolfswende kam wohl zu spät, um den Wahlerfolg und die gewohnte Harmonie auf dem bayerischen Grünen-Parteitag Ende Januar zu retten: Die Landfrau Gisela Sengl tritt gegen die amtierende Landesvorsitzende Eva Lettenbauer an. Besonders spannend daran ist, dass die beiden Frauen bekennende Dorf-Menschen sind. Lettenbauer allerdings als Wirtschaftsingenieurin in Bayerns heimlicher Hightech-Boom-Region Donau-Ries, Sengl als Landschaftsgärtnerin mit eigenem Bio-Hofladen im bäuerlich geprägten Chiemgau. Die Ingenieurin schaffte es mit 26 Jahren auf Anhieb in den Landtag und verteidigte nun erfolgreich ihr Mandat. Die Gärtnerin verpasste nach zehn Jahren engagierter Parlamentsarbeit die Wiederwahl.
Unter Parteiveteranen macht sich auf dem Lande Frust breit
Ihre Kandidatur begründet die bekennende Großmutter Sengl mit klaren Worten: „In der Stadt kommt unsere Politik nach wie vor an, da ist sie ganz fest in der Mitte der Gesellschaft. Auf dem Land haben wir die Menschen, die uns schon einmal gewählt haben, verloren. Plötzlich sollen die Grünen an allem schuld sein. Das dürfen wir nicht einfach so mit uns geschehen lassen.“ Während die Jüngere vor der Landtagswahl durch Bayern tingelte, um Robert Habecks Heizungsgesetz zu erklären, macht sich unter Partei-Veteranen Frust breit. Genüsslich zitiert der „Münchner Merkur“ den Miesbacher Grünen und Alt-Landrat Wolfgang Rzehak. „Es ist wichtig, dass wir Grünen auch für den ländlichen Raum in Bayern wählbar sind.“
Noch richten sich die Schuldzuweisungen hauptsächlich gegen die Ampel-Partner FDP und SPD. Hinter den Kulissen jedoch steht längst der Vize-Kanzler im Feuer. Habeck habe seine Milliarden teure Industriepolitik gegen die Interessen des ländlichen Raums durchgesetzt – und gegen seinen Parteifreund Cem Özdemir, den Bundeslandwirtschaftsminister. Das passt in pikanter Weise zur aktuellen Volksbefragung: Habecks Sympathie-Werte im freien Fall, Özdemir plötzlich der Beliebteste unter den Promi-Grünen. Der Schwabe mit den türkischen Wurzeln hat enorm gepunktet mit klaren Talkshow-Worten zum militanten Islam. Manche Bauern verzeihen ihm mittlerweile sogar den bekennenden Vegetarier. Umso spannender die Frage, wie das Ampel-Tauziehen um die Agrar-Steuern ausgeht.
Die schwarz-roten Landesregierungen funktionieren dabei lautlos
So oder so wird den Grünen auch auf Bundesebene der in Bayern offen ausgebrochene Richtungsstreit nicht erspart bleiben. Speziell durch den Blick auf die Linkspartei, die ihre Vorliebe für urbane Minderheitsprobleme an den Abgrund führte. Vor allem aber wegen der aktuellen Umfrage-Werte der SPD und ihres Kanzlers, der immer wieder mal vergeblich versucht, den rot-grünen Großstadt-Zeitgeist zu bremsen. Während die schwarz-grünen Landesregierungen weitgehend lautlos funktionieren und der Anti-Habeck Özdemir immer öfter als Nachfolger des Stuttgarter Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gehandelt wird.
Kretschmann, Deutschlands erster und einziger Ministerpräsident mit grünem Parteibuch, hat in seiner Neujahrsansprache eben erst die Bürger der Schwarzwald-Gemeinde Niedereschach im gelobt, die sich ihr eigenes Fernwärmenetz gebuddelt und dabei nicht auf Subventionen gewartet haben: „Da haben die Menschen die Ärmel hochgekrempelt, Verantwortung übernommen und miteinander die Energiewende selbst angepackt.“ Geheizt wird Niedereschach mit Holz. Also ausgerechnet mit dem Brennstoff, den Habecks Heizungsgesetz in der Urfassung noch verbieten wollte.
Massive Kritik – aber nicht mit den Methoden der Klimakleber! Die Landwirte, die sich an der Schlüttsieler Blockade beteiligt haben, haben sich selbst und dem gesamten Berufsstand einen Bärendienst erwiesen. Und das auf Klimakleber-Niveau! Inzwischen positionieren sich die organisierenden Verbände mit Deutschen Bauernverband (DBV) an der Spitze deutlich gegen Unterwanderungen und Versuche rechter Instrumentalisierungen bei den dezentralen Aktionen. Sie rufen dazu auf, um die Sache zu streiten und erklären: „Wir stehen für friedlichen und demokratischen Protest! In aller Deutlichkeit distanzieren wir uns von extremen Randgruppen, die unsere Aktionswoche kapern wollen. Nicht mit uns!“
Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat die Blockade-Aktion einiger Landwirte gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck scharf kritisiert. „Das geht gar nicht, das ist eine Grenzüberschreitung, eine Verletzung der Privatsphäre“, sagte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken dem WDR. „Gewalt und Nötigung haben bei unseren Aktionen nichts verloren.“ Verschiedene andere Verbände des ländlichen Raumes rufen derweil weiter zur Unterstützung von friedlichen und demokratischen Protesten auf wie etwa der Deutsche Jagdverband (DJV).
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