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Klimaanpassung statt Klimaschutz

  • Ludwig Hintjens
  • 25. Juli 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Ursula von der Leyen hat sich mit merklich anderen Prioritäten für die ländlichen Räume die Wiederwahl zur Kommissionspräsidentin gesichert


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Ursula von der Leyen (Foto: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst)
Ursula von der Leyen (Foto: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst)

Um ihre Wiederwahl im Straßburger Europaparlament zu sichern, hat Ursula von der Leyen ein breites politisches Spektrum umworben. Sie hat im Bereich Landwirtschaft und ländlichen Räumen Abgeordneten von der Fraktion der Konservativen und Reformer (EKR), die rechts von der christdemokratischen EVP sitzen, bis hin zu den Grünen Angebote gemacht. Sie finden sich in ihren Leitlinien für die Jahre 2024 bis 2029 und in ihrer Rede im Plenum wieder.


Leyen war dazu gezwungen: Stimmen von Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen, die in Straßburg eine informelle Koalition bilden, hätten nur rechnerisch ausgereicht. Da in allen Fraktionen mit Abweichlern zu rechnen war, musste sie auch die Grünen und die Rechtskonservativen bedienen. Heikel, weil sie einerseits Erwartungen bedienen, andererseits niemanden durch zu polarisierende Aussagen verprellen wollte.


Es ist interessant, welche politischen Aussagen bei dieser Gratwanderung herausgekommen sind. Von der Leyen stellt im Hinblick auf die ländlichen Räume augenfällig für 2024 bis 2029 nicht den Klimaschutz, sondern die Anpassung an den Klimawandel in den Vordergrund. Es geht um besseren und besser koordinierten Schutz bei Waldbränden, Dürren und Überschwemmungen. Von der Leyen verspricht „bessere Ressourcen und einen leichteren Zugang zu aufgestockten europäischen Mitteln“. Damit zieht sie die notwendige Konsequenz daraus, dass sich das Klima in Europa schneller aufheizt als anderswo. Die Kommission will einen Plan zur Anpassung an den Klimawandel vorlegen, ebenso wie einen Plan für mehr Resilienz bei der Wasserversorgung.


Auf das, was nicht erwähnt wird, kommt es an


Erhellend ist auch, was von der Leyen nicht erwähnt: So verspricht sie nicht etwa höhere Standards an den Tierschutz bei Viehtransporten. Bei den Grünen ist das zwar alles andere als gut angekommen. Aussagen zu ambitioniertem Tierschutz hätten auf der anderen Seite im eigenen Lager etwa bei den spanischen und rumänische Christdemokraten Stimmen gefährdet. Auch die Einbeziehung der Landwirtschaft in den europäischen Handel mit Verschmutzungszertifikaten (ETS) erwähnt die CDU-Politikerin mit keinem Wort. Dabei hätten Viehzüchter neue Beschränkungen, etwa bei der Freisetzung von Methan, zu befürchten.


Zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wird die Kommission vermutlich im Herbst 2025 ihren Vorschlag vorlegen. Von der Leyen stellt auskömmliche Einkommen für die Landwirte in Aussicht. Außerdem will sie dafür sorgen, dass kein Bauer vom Markt gezwungen wird, seine Produkte unter den Eigenkosten zu verkaufen. Hier bleibt sie im Vagen. Auch ist anzumerken, dass das Agrarbudget am Ende des Tages von den Mitgliedstaaten bestimmt wird. Wie viel Geld die Kommission vorschlägt, das ist eine andere Sache.


Innerhalb der Kommission wird die Landwirtschaft personell aufgewertet. So solle es diesmal wieder einen Agrarkommissar von der christdemokratischen EVP geben. Ohne zu wissen, wer es wird, ist dies höchstwahrscheinlich eine Verbesserung: Der bisherige polnische Agrarkommissar Janusz Wojciechowski gehört der polnischen PiS an und ist ein Totalausfall. Von der Leyen will zudem einen Kommissar für Fischerei und Ozeane ernennen.


Im Europaparlament dagegen hat die CDU/CSU die Chance vergeben, den Landwirtschaftspolitiker Norbert Lins (CDU) wieder zum Chef des Agrarausschusses zu machen. Der Parteiführung war wichtiger, David McAllister wieder den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuss zu verschaffen. Und das, obwohl Lins politisch für die Bauern sehr viel erreicht hat. Hinzu kommt, dass bei der Zielgruppe der Union die gesetzgeberische Arbeit im Agrarausschuss sicher mehr belohnt würde als die politisch zwar wichtigen, aber letztlich wenig ändernden Erklärungen im Auswärtigen Ausschuss. Für Lins wird die Zeit spätestens dann wieder kommen, wenn das Europaparlament die nächste GAP-Förderperiode verhandelt. Einen kenntnisreicheren Agrarpolitiker, der die Interessen von bäuerlichen Familienbetrieben im Blick hat, den hat die Union nicht.

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