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Wenn die letzte Kneipe im Dorf dicht macht

  • Autorenbild: Frank Polke
    Frank Polke
  • 17. Feb.
  • 3 Min. Lesezeit

Überall im Land machen Kneipen zu, Tag für Tag. Gerade der ländliche Raum verliert damit oft die letzten „Wohnzimmer“ für die Gemeinschaft


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Foto: Rainer Sturm / pixelio.de
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

Zuletzt hatte das Gasthaus in Ostwestfalen noch an drei Abenden auf. An den anderen Tagen standen die Frauen und Männer, die früher gern mal auf ein Bier, eine Frikadelle und vor allem ein Schwätzchen an der Theke in ihre Stammkneipe „Zum Wilden Mann“ gekommen waren, bereits vor der verschlossenen Kneipentür. Doch Anfang Februar kam nun das endgültige Aus: „Danke an meine treuen Gäste. Wir schließen für immer.“ Aus, nach 120 Jahren. Jetzt fehlt die letzte Kneipe im Dorf. Eine Situation, die längst nicht mehr auf das kleine Dorf in Ostwestfalen beschränkt ist. Bundesweit sank die Zahl der Gaststätten und Kneipen seit dem Jahr 2000 von 270.000 auf 155.000 im Jahr 2023.


Ganz hart trifft es vor allem die neuen Bundesländer, Bayern – ein Land, das traditionell sehr stolz auf seine Gaststättenkultur war und ist – und auch Nordrhein-Westfalen. Nach aktuellen Angaben des Statistischen Landesamtes Nordrhein-Westfalen sank die Zahl der Kneipen im bevölkerungsreichsten Bundesland zwischen 2006 und 2023 um fast 42 Prozent. Während 2006 noch gut 14.000 Kneipen gezählt wurden, waren es bei der letzten Zählung 2023 nur noch gut 8000.


Corona wirkt wie ein Brennglas


Die Gründe sind vielfältig: Seit den 50er und 60er Jahren veränderte sich das gesellschaftlich-soziale Freizeitverhalten. Immer weniger Menschen gingen regelmäßig zum Stammtisch in die Eckkneipe, andere alternative Beschäftigungsmöglichkeiten wurden attraktiver. Kino und Fernseh-Konsum, Reisen oder Theater – es gab halt andere Dinge, die man unternehmen konnte. Die Corona-Pandemie wirkte dann am Ende für die ohnehin geschwächte Kneipen-Kultur wie ein negativer Brandbeschleuniger: „Die Kneipen hatten ja aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen einige Monate geschlossen“, erklärt ein Dehoga-Sprecher. Viele Menschen gewöhnten sich irgendwann daran, sich im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung von den vielfältigen Medienangeboten unterhalten zu lassen. Dazu kostet natürlich das Getränk aus dem Supermarkt weniger.


Nach der Corona-Zeit kamen der Ukraine-Krieg und die steigende Inflation, die das Geld knapper werden ließ – all das vermieste vielen Kneipen-Besuchern die Rückkehr an die Theke. Noch heute liegen die Umsätze in der gesamten Gastronomie-Branche deutlich unter denen der Vor-Corona-Zeit. Auch fanden viele Mitarbeiter neue Jobs in Unternehmen und Betrieben, die weniger krisenanfällig sind und auch attraktivere Beschäftigungszeiten anbieten konnten und können.


Scholz' Wortbruch als Wahlkampfthema


Den letzten Schlag versetzte die Ampel-Regierung Ende 2024 der Branche, die mit knapp drei Millionen Beschäftigten durchaus für Jobs und Wertschöpfung sorgt. Trotz Zusage des Kanzlers („Das schaffen wir nie wieder ab“) hob die Ampel-Regierung den Mehrwertsteuersatz auf Speisen für die Gastronomie wieder auf 19 Prozent an. „Das war ein Kostenschlag, den die Branche auch und gerade aufgrund der gestiegenen Kosten für Lebensmittel, Personal und Energie so nicht an ihre Kunden weitergeben konnte und kann. Dann kommen noch weniger Gäste oder sie halten sich an einem Glas fest“, schimpft denn auch die Oppositionspolitikerin Anja Karliczek (CDU) über den Wortbruch der Regierung. Konsequenz: Die CDU schrieb es sogar ins Wahlprogramm, diese Steuererhöhung wieder rückgängig machen zu wollen. In 21 von 23 EU-Staaten gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Speisen. Konsequenz: Das Schnitzel oder der Salat im deutschen Gasthaus ist einfach knapp drei Euro teurer als in den Niederlanden, Polen oder Frankreich. Gerade in grenznahen Regionen ein weiterer Wettbewerbsnachteil.


Das Kneipensterben trifft nämlich nicht nur die Gäste, die vor verschlossenen Türen stehen oder Unternehmer-Familien, die ihre gastronomischen Betriebe oft seit Generationen führen und die auch das Dorfbild oder den zentralen Platz der Kleinstadt prägen. Vereine, Parteien und andere Gruppen haben schon jetzt Probleme, geeignete Räume für ihre Treffen und Begegnungen zu finden. Früher waren das die Kneipen oder kleinere Gasthäuser, die ihre Säle gern zur Verfügung stellten. „Mit jeder Kneipe, die schließt, fehlt uns nun ein gesellschaftliches Wohnzimmer. Das ist schon bitter, gerade für den ländlichen Raum“, so der Dehoga-Sprecher.

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