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Die Grünen verlieren auf dem Land an Boden

  • Wolfgang Molitor
  • 28. Feb.
  • 3 Min. Lesezeit

Baden-Württemberg blickt schon auf die Landtagswahl 2026. Die grüne Regierungspartei landet bei der Bundestagswahl hinter CDU, AfD und SPD nur noch auf dem vierten Platz. Für Cem Özdemir noch ein „Heimspiel“?


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Cem Özdemir (Foto: Verena Müller)
Cem Özdemir (Foto: Verena Müller)

Schaut man nach der Bundestagswahl auf die Zweitstimmen-Karte aller Gemeinden, dann ist Baden-Württemberg pechschwarz. Mit einigen AfD-Einsprengseln und wenigen grünen Ausnahmen. Sozialdemokratisches Rot sucht man ohnehin vergebens. Alles in CDU-Butter also, wenn im Frühjahr 2026 ein neuer Landtag gewählt wird, der erste in einem Flächenland unter einer neuen Bundesregierung? Nicht ganz!


In der CDU zeigt man sich irritiert zufrieden. Zum einen liegt man bei einem Plus von drei Prozentpunkten mit 31,6 Prozent über dem Bundesschnitt und hält die AfD (19,8 Prozent mit einem Plus von über zehn Prozent) auf Abstand – auch wenn die in 31 der 38 Wahlkreise an zweiter Stelle lag. Obendrein verbuchten alle CDU-Kandidaten ein um mehr als sechs Prozent über dem Landesschnitt verbessertes Ergebnis. Die Arbeit der Basis läuft gut. Andererseits sind 31,6 Prozent das zweitschlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl. Zumal sechs Direktkandidaten wahlrechtsbedingt nicht die Reise nach Berlin antreten dürfen, obwohl sie die meisten Erststimmen erhalten hatten. Dass gerade die Stimmen aus dem Südwesten besonders laut sind, die eine erneute Änderung des Wahlrechts einfordern, ist da nicht nur parteipolitisch verständlich, sondern basisdemokratisch nachvollziehbar.


Und es gibt noch einen Wermutstropfen. Nach wie vor schafft es die CDU nicht so richtig, verlorenen Boden in den Großstädten wettzumachen. Dennoch: Die Union festigt vor der Landtagswahl vorerst ihre Pole-Position. Was umso richtungweisender sein könnte, weil die Grünen im Ländle dramatisch zurückfallen und 2026 obendrein auf den satten Kretschmann-Bonus verzichten müssen. Ob ihr Spitzenkandidat Cem Özdemir diese Lücke wird füllen können, wird unter Grünen zunehmend in Frage gestellt. Peilten die Grünen nach ihrem Landtagswahltriumph von 2021, als sie sagenhafte 32,6 Prozent holten, noch an, zur dominierenden Baden-Württemberg-Partei zu werden, so wurden sie an diesem Wahlsonntag regelrecht durchgereicht und landeten am Ende hinter der AfD und der SPD (die ihr schlechtestes 2021-Ergebnis von 16,4 Prozent noch einmal um 2,2 Punkte unterbot und bei den Erststimmen mit erbärmlichen 12,9 Prozent sogar auf dem drittletzten Platz einlief) nur noch auf Platz 4.


Özdemir gibt sich nur noch verhalten optimistisch


Vor allem in den ländlichen Regionen rutschten die Grünen ab. Der Traum, sich nicht nur in den größeren Städten zu etablieren, sondern sich auch auf dem Land zu verankern, ist erst einmal ausgeträumt. Mit einem Zweitstimmenergebnis von 13,6 Prozent blieb man nicht nur weit hinter den 17,2 Prozent von vor fünf Jahren zurück, sondern auch hinter den Einbußen auf Bundesebene. Kein Wunder, denn alle grünen Kandidaten verloren in ihren Wahlkreisen an Boden. Einzige Ausnahmen: Stuttgart, Freiburg und Karlsruhe Stadt. Auf dem Land dagegen gab es nichts zu holen.


Noch ist es zu früh, daraus für die Landtagswahl Prognosen abzuleiten. Niemand weiß, ob der junge CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel genug politische Substanz hat, um gegen den erfahrenen Özdemir zu punkten. Noch weiß keiner, wie sich die unvermeidliche Kompromisslinie einer schwarz-roten Koalition im Bund auf die Stimmung im Land auswirkt. Einem Land, in dem besonders misstrauisch und sorgenvoll auf die Entwicklung der Automobilindustrie und ihrer Zulieferer geschaut wird. Und noch wagt kaum einer eine Prognose, ob sich die FDP im Südwesten, die nur noch mit 5,7 Prozent ins Ziel kroch (fast zehn Prozentpunkte weniger als 2021) nach den Bundes-Turbulenzen wird so stark halten können, um ernsthaft auf eine christlich-liberale Koalition hoffen zu dürfen.


Dass Linke (6,8 Prozent) und BSW (4,1 Prozent) tief in der politischen Diaspora auftrumpfen konnten, sei nur am Rande vermerkt. Auf Landesebene dürften sie weiter nur eine Nebenrolle spielen.


Den Grünen droht damit eine Zäsur – ohne Kretschmann und bundespolitischen Rückenwind. Özdemir gibt sich verhalten zuversichtlich. Man habe „noch einige Baustellen“ vor sich. Gerade im ländlichen Raum haben die Grünen sicher geglaubten Boden verloren. Gerade da aber wird die Schlacht um den Sieg im Stuttgarter Landtag am Ende entschieden.

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