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  • AutorenbildJürgen Wermser

Landtagswahlen überschattet vom Streit um Migration und den Konsequenzen aus Solingen

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche


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Liebe Leserinnen und Leser,


in unserem Wochenkommentar blicken wir voraus auf die morgigen Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen, bewerten die möglichen Folgen für die Ampelkoalition und analysieren deren Reaktion auf das Attentat von Solingen. Dazu gehört die Sorge vor einer weiterhin nahezu unkontrollierten Migration und auch die geplante Änderung des Waffenrechts inklusive eines weitgehenden Verbots, Messer mit sich zu führen. Für weiteren Unmut sorgen der Umgang mit Wölfen und der Entwurf für ein neues Waldgesetz.


An diesem Wochenende sind Thüringen und Sachsen bundesweit im Zentrum des politischen Interesses. Die meisten blicken mit Sorge, andere voller Erwartung auf den Ausgang der dortigen Landtagswahlen. Es steht viel auf dem Spiel, nicht nur die Zusammensetzung der jeweiligen Parlamente und dann anschließend auch der Landesregierungen. Das alleine wäre an sich schon genug, um eine große Aufmerksamkeit zu erklären. Doch der Ausgang der Wahlen ist auch ein sehr wichtiger Indikator für die Stimmung im Lande und insbesondere auch für das Ansehen sowie den Zusammenhalt der Ampel-Regierung in Berlin. Deren Koalitionsparteien drohen morgen in Thüringen und Sachsen empfindliche Einbußen bis hin zu einem teilweisen Scheitern an der Fünf-Prozent-Klausel. So sieht das gestrige ZDF-Politbarometer Extra die AfD in Thüringen bei 30 Prozent, die CDU würde danach 23 Prozent, das BSW 17, die Linke 14 und die SPD sechs Prozent erhalten. Die Grünen und alle anderen Parteien würden an der Fünf-Prozent-Klausel scheitern. In Sachsen sind die Zahlen für die demokratischen Parteien etwas positiver, aber ebenfalls problematisch: CDU 33 Prozent, AfD wie in Thüringen 30, SPD sieben, Grüne sechs und BSW elf Prozent.


Falls sich dieses Stimmungsbild am Wahltag bestätigt, ist mit schwierigen Regierungsbildungen zu rechnen, da alle demokratischen Parteien eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen haben. So hätte in Thüringen nur ein Zusammengehen von CDU, BSW und SPD eine knappe Mehrheit. In Sachsen könnte es eine Fortsetzung der Regierung aus CDU, Grünen und SPD geben. Auch eine knappe Mehrheit für ein Bündnis von CDU und BSW wäre möglich. So oder so, die Lage in Thüringen und Sachsen ist heikel und die Stimmung aufgeheizt. Am Montag werden wir uns in unserem Blog in einer ersten Analyse mit den Ergebnissen befassen.


Bei einem für sie schlechten Ergebnis wird auch die Ampelkoalition im Bund in noch schwierigere Fahrwasser kommen. Die Liste der Klippen und Untiefen ist ohnehin lang. Die größte und gefährlichste bleibt auch in diesen Tagen das Thema Migration, das durch den fürchterlichen Messeranschlag in Solingen wieder einmal für heftige Aufregung sorgt. Oppositionsführer Friedrich Merz sprach jüngst davon, dem Kanzler entgleite das Land. Ob man sich diese zugespitzte Formulierung nun zu eigen machen möchte oder nicht: Klar dürfte sein, dass viele Bürger aktuell einen gefährlichen Kontrollverlust des Staates empfinden. So etwas schürt Ängste und spielt politischen Ideologen in die Hände – siehe die Wahlkämpfe in Thüringen und Sachsen.


Viele praktische Hürden


Ob die jetzt von der Ampelkoalition geplanten Verschärfungen der Asyl- und Abschiebepraxis tatsächlich eine Wende bringen können, ist fraglich. Dafür sind die Zahlen mittlerweile einfach zu hoch. Viele praktische Hürden lassen sich nicht einfach über Nacht beseitigen. Nur ein Beispiel: So betonte jetzt der Deutsche Richterbund, dass man 500 zusätzliche Verwaltungsrichter brauche, um Asylklagen wie von der Politik gewünscht innerhalb weniger Monate abzuschließen. Und in den Staatsanwaltschaften würden bundesweit inzwischen rund 2000 Ermittler fehlen. Kurzum, es wird höchste Zeit für ein parteiübergreifendes und mutiges Vorgehen zugunsten von mehr innerer Sicherheit. Bei diesem ebenso existenziellen wie sensiblen Thema sollten alle demokratischen Kräfte in Deutschland an einem Strang ziehen. Im Bund, in den Ländern und nicht zuletzt in den Kommunen.


Vermeintliche Patentrezepte führen in aller Regel nicht weiter. Dazu gehört auch das angesichts der Ereignisse in Solingen immer wieder geforderte und jetzt von der Koalition vorgesehene weitgehende Verbot, Messer mit sich zu führen – eine Maßnahme, die nicht zuletzt gesetzestreue Bürger wie zum Beispiel Jäger, Angler und Mitglieder von Traditionsvereinen treffen würde. Dagegen dürften sich potenzielle Attentäter gewiss nicht von einem solchen Verbot beeindrucken oder gar abschrecken lassen. Denn natürlich ist nicht das Messer das eigentliche Problem, sondern der wirre Kopf des Attentäters. Wer andere Menschen unbedingt wahllos und bestialisch töten will, kann dies leider auf vielfältige Weise tun. Nicht alle möglichen „Waffen“ lassen sich verbieten. Sonst müsste man neben Schusswaffen und Messern beispielsweise auch alle Autos und Lastkraftwagen aus dem Verkehr ziehen – eine absurde Vorstellung.


In Deutschland dreht sich vieles zu lange im Kreis. Beispielhaft hierfür steht auch ein Thema, das im ländlichen Raum viele Menschen bewegt und in städtischen Regionen – wenn überhaupt – politisch nur unter ferner liefen läuft: der Umgang mit der zunehmenden Zahl von Wölfen. Nutztierhalter beklagen seit langem zunehmende Risse etwa von Schafen. Und mancherorts sorgen sich Eltern um ihre Kinder, die draußen nah am Wald spielen wollen. Die Politik hat immer wieder Verbesserungen versprochen, aber wie auch in anderen Politikbereichen wirkt hier alles festgefahren. So hat das Bundesumweltministerium zwar gemeinsam mit den Ländern neue Regelungen für Schnellabschlüsse verabredet. Aber in meiner Heimat Niedersachsen sind sie vor Verwaltungsgerichten gescheitert. Und auch bundesweit ist es zuletzt nicht mehr gelungen, einen Wolf, der mehrfach Nutztiere angegriffen hat, rechtssicher zu töten. Bei den Bürgern im ländlichen Raum verfestigt sich der Eindruck: Die Politik redet nur, aber handelt nicht. Derweil wird das Problem immer größer. Nach Angaben der Landesjägerschaft wurden allein in Niedersachsen inzwischen 56 Wolfsrudel nachgewiesen, außerdem gebe es aktuell drei Wolfspaare und zwei ständig in Niedersachsen lebende Einzelwölfe.


Minister verbreitet Optimismus


Gleichwohl versucht der zuständige niedersächsische Landesumweltminister Christian Meyer Optimismus zu verbreiten. Das Schnellabschlussverfahren könne weiter angewendet werden. Doch sei deutlich geworden, dass viele der zuletzt angedachten Vereinfachungen inzwischen vom Tisch seien. Die ersten Urteile hätten gezeigt, dass doch deutlich individueller begründet werden müsse, warum ein Wolf getötet werden solle, als es zunächst angedacht war, so der Grünen-Minister bei einem Treffen des Dialogforums Wolf. In dem Gremium tauschen sich Land, Kommunen, Naturschutzverbände sowie Landwirte über den Umgang mit dem Wolf aus. Niedersachsens CDU-Oppositionsführer Sebastian Lechner bringt die Situation derweil so auf den Punkt: „Längst ist deutlich geworden, dass die angeblichen Schnellabschlüsse nichts anderes als weitere grüne Nebelkerzen waren.“ Leider scheint Lechner mit dieser Diagnose richtig zu liegen.


Wald
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

Zum Schluss lassen Sie mich noch auf ein Thema kommen, das mein Kollege Jost Springensguth bereits in der vorigen Woche in seinem Newsletter angesprochen hat: die Bemühungen um ein neues Waldgesetz. Aktuell berät die Bundesregierung nun über einen zweiten Anlauf, nachdem Landwirtschaftsminister Cem Özdemir mit seinem im vergangenen Herbst präsentierten ersten Entwurf praktisch gescheitert war. Doch auch die neue Operation gestaltet sich schwierig, wie die Süddeutsche Zeitung am Mittwoch ausführlich berichtete.


Der Widerstand ist groß. Auch der neue Entwurf mache ihnen das Leben nur unnötig schwer, kritisiert Max von Elverfeldt, Bundesvorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst. Und der Waldbauernverband Nordrhein-Westfalen e.V. teilte jüngst mit, dass die Kampagne „Finger weg vom Bundeswaldgesetz“ ein großer Erfolg sei. Mehr als drei Millionen Menschen hätten bisher die Kampagnen-Posts und Videos in den sozialen Netzwerken erreicht. Und auch in der Politik, bei Medien und Umweltverbänden kämen die Botschaften an. Viele Unterstützer hätten bereits Fotos, Videos und Statements veröffentlicht, um sich gegen Bürokratie und praxisferne Vorgaben einzusetzen. Man darf daher gespannt sein, ob die Ampelkoalition trotz aller Widerstände den neuen Entwurf auf Biegen und Brechen durchsetzt, oder ob sie sich nicht noch lieber anderen und drängenderen Aufgaben zuwendet. Die gibt es reichlich – siehe oben.


Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, wünsche ich eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen

Ihr Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

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