Berlin ist zu laut, zu kaputt – und vor allem zu teuer. Doch jetzt beschleunigt sich der Preisauftrieb auch in den umliegenden Regionen stark. Mit Folgen für das Zusammenleben von Einheimischen und Zugezogenen
Der junge Mitarbeiter einer großen Beratungsfirma in Berlin-Mitte hat ein Problem. Sein Vermieter hat vor einem halben Jahr seine Wohnung vor den Toren der Hauptstadt verkauft – an einen bulgarischen Investor. Der hat alles auf Vordermann gebracht, renoviert, das Dach gemacht, ohne Zweifel. Aber dann kam der Hammer: David erhielt vor zwei Wochen die Nachricht, dass der fleißige Vermieter die Miete für die knapp 90 Quadratmeter teure Wohnung um zwölf Prozent anhebt. Zwölf Prozent bei einer Miete von 890 Euro. Das kann sich der Vater von zwei kleinen Mädchen aber nicht leisten.
Kein Einzelfall, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage bezüglich der Situation im Mietmarkt in Deutschland zu entnehmen ist. In keiner Region in Deutschland sind in den vergangenen zwei Jahren die Mieten (konkret für neue Mietverträge) so stark gestiegen wie in einem Gebiet rund um die Hauptstadt Berlin. Besonders hart ist es in Brandenburg: Plus 30 Prozent müssen Mieter in diesem Bundesland mehr zahlen als vor einem Jahr. Dies gilt für Neuverträge von Mietwohnungen oder nach einem Eigentümerwechsel.
Berlin strahlt aufs Umfeld ab
Ein Grund ist natürlich die Anziehungskraft der Metropole Berlin und ihrer vornehmen Vorstadt Potsdam, in denen gut betuchte Bürger aus dem Westen schon kurz nach der Wende viel alte Bau- und Wohnsubstanz gekauft haben und schon immer teuer vermieten konnten. Die prominentesten Namen sind Günther Jauch und der ehemalige SAP-Manager Hasso Plattner, der sich gleich noch ein schönes Impressionisten-Museum in Potsdam-Mitte gekauft hat.
Dieser Run auf Potsdam, das schon zu Zeiten der Weimarer Republik viel Prominenz anlockte, hat in den 90er Jahren im Umfeld von Berlin für erhebliche Verwerfungen in der Bevölkerungsstruktur von ganz Brandenburg gesorgt. Jetzt hält Potsdam den traurigen Rekord, mit knapp 32 Prozent Aufschlag die höchsten Mietsteigerungen in ganz Deutschland zu verzeichnen – deutlich vor München.
Entwarnung ist nicht in Sicht, ganz im Gegenteil: Aktuell gibt es den zweiten Preisschub, der sogar bis in den Nordwesten und Südosten von Brandenburg zu spüren ist. Durch die Ansiedlung der Tesla Gigafactory Berlin-Brandenburg sind die Miet- und Baupreise nicht nur im Umfeld der märkischen Gemeinde Grünheide in die Höhe gegangen. Auch der Berliner Flughafen mit seinem Hunger nach qualifiziertem und anderem Personal schafft weiter steigende Nachfrage und steigende Mieten. Shuttle-Busse sorgen dafür, dass die Menschen sogar in weiter entfernten Regionen wohnen können und mobil sind.
Städte wie Königs Wusterhausen und Landkreise wie Teltow-Fläming wachsen immer stärker, die politisch Verantwortlichen haben Probleme, für die vielen Familien gute und attraktive Infrastruktur vorzuhalten. Soziologen verweisen zudem auf das Problem, wie und ob sich Zuziehende und „Einheimische“ mit ihren Werten, Lebenseinstellungen und auch Einkommen vertragen. Stadt und Land, das ist eben mehr als falsche Romantik vom Leben im Grünen. Da prallen schon mal Welten aufeinander.
Kein Zurück nach Berlin
Ein Zurück nach Berlin dürfte es für viele aber nicht geben. Denn dort steigen die Mietpreise ebenfalls immer stärker. Nach Angaben der Bundesregierung verteuerten sich die Mieten in der Hauptstadt um 26,7 Prozent – und das sogar in Vierteln wie Friedrichshain, Moabit und dem Wedding, die vor zwei, drei Jahren noch als wenig attraktiv galten, heute aber „in“ sind. Nach einem Bericht des Nachrichtenportals Spiegel Online kann sich ein Drittel der Berliner Haushalte auf dem freien Markt schon jetzt keine Wohnung mehr leisten. Mehr als jeder zweite Berliner Mieter-Haushalt verdient nach der veröffentlichen Studie des Mietervereins so wenig, dass er „Anspruch auf staatliche Hilfe wie einen Wohnberechtigungsschein für Sozialwohnungen“ hat.
All dies hat Auswirkungen – auch auf den jungen Vater, der als Alleinerziehender ein Wohnungsproblem hat. Natürlich wäre er bereit, für seinen Weg zur Arbeit in Berlin-Mitte mehr als die 60 Minuten einzuplanen, da sich die Kinder in der „Provinz“ eigentlich ganz wohlfühlen und an Berlin nicht hängen. „Aber ich habe überhaupt keine Chance auf eine Besichtigung für eine Wohnung“, sagt der studierte Betriebswirt. Schon heute gibt es auf eine freie Wohnung in Königs Wusterhausen 80 Bewerbungen. Und da hat er als Berufsanfänger keine Chance, den Zuschlag zu bekommen.
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