Die wachsende Population von Tunnelgräbern wie Bisam, Nutria oder Dachs führt zunehmend zu Debatten darüber, wer dafür zuständig ist, zum Beispiel Deiche und Dämme als Teile öffentlicher Infrastruktur zu schützen
Jagd trägt dazu bei, Schäden durch Wildtiere an öffentlichem Eigentum oder Infrastruktur zu verhindern oder zumindest zu minimieren. Schwierig wird es, wenn solches Ansinnen auf ideologische Vorbehalte gegen die Jagd oder zumindest gegen die Jäger trifft wie gerade in Niedersachsen. Dort sieht der vorliegende Referentenentwurf für ein novelliertes Jagdgesetz die Herausnahme der Nutria aus dem Jagdrecht und eine damit einhergehende Überführung ins Umweltministerium vor. In dessen Auftrag sollen die Bisamjäger zukünftig auch die Nutria fangen und damit vor allem den Deich- und Hochwasserschutz in Niedersachsen gewährleisten. Denn die Nager können Deichanlagen und Uferbereiche derart unterhöhlen, dass schlimmstenfalls ein Deich bei Hochwasser brechen kann.
Jäger sollen jedoch neben den Bisamjägern auch künftig die Nutria weiter bejagen dürfen. Wie das allerdings ganz praktisch gehen kann, darauf ist die federführende grüne Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte noch Antworten schuldig. Jäger bejagen Arten, die dem Jagdrecht unterliegen, und Bisamjäger haben in der Regel keinen Jagdschein, dürfen also keine Schusswaffe nutzen. Jägerpräsident Helmut Dammann-Tamke reagierte gelassen auf die geplante Neuerung. Er werde nicht um die Nutria kämpfen, erklärte er im sicheren Bewusstsein des zu erwartenden Protestes der Deichschutz- und Hochwasserverbände. 45.000 Nutria habe die Jägerschaft im vergangenen Jagdjahr ehrenamtlich getötet. Würden Bisamjäger diese Aufgabe erledigen, koste das den Steuerzahler künftig 80 Euro pro Tier.
Bahndammsicherung: Beispiele aufwendiger Sanierungen
Auch Dachse sind begnadete Tunnelgräber. Für ihre Baue nutzen sie regelmäßig auch Bahndämme. Das sorgt bei den betroffenen Verkehrsgesellschaften für mächtig Verdruss und teure Sanierungen. Im Landkreis Bad Dürkheim muss der Bahndamm einer Pendlerstrecke ausgebessert werden. Die Nutzer der Bahnstrecke müssen ab Juli 2025 auf sogenannten Schienenersatzverkehr umsteigen. Die Sperrung der Strecke ist dann bereits die dritte innerhalb von vier Jahren. Zunächst war der 6,2 Kilometer lange Abschnitt von Bad Dürkheim nach Freinsheim ab Juli 2021 fast ein Jahr lang gesperrt. Es folgte die Sanierung des Bahndamms zwischen Freinsheim und Grünstadt ab Juli 2022.
Geruchsstoffe sollten Grimbart von den Gleisanlagen vergrämen. Das war ebenso erfolglos wie die Fangjagd. Nicht ein Dachs tappte in die Betonrohrfallen. Um den Bahndamm zu stabilisieren, hatten Bauarbeiter sogar Beton in das Bausystem der Dachse gefüllt. Was diese Betriebsstörung des Bahnbetriebes gekostet hat, ist nicht bekannt. Insgesamt dürften die Schäden, die die Deutsche Bahn durch Dachse hinnehmen muss, in die Hunderte Millionen Euro gehen.
Besonders spektakulär ist der Fall der Strecke Unna-Fröndenberg in Nordrhein-Westfalen. Seit rund zwei Jahren ist die gut zwölf Kilometer lange Trasse gesperrt, weil Schmalzmanns Sippe sich dort heimisch niedergelassen hatte. Die Sanierungskosten wurden anfangs mit bis zu 50 Millionen Euro beziffert, Schadensersatzforderungen auf die gleiche Summe geschätzt. Fachleute hatten entlang der Bahnlinie fast 40 Dachseingänge entdeckt. Es sei ein knapp 300 Meter langes, weit verzweigtes Tunnelsystem entstanden, etwa fünf Meter unterhalb der Gleise. Die Hohlräume gefährdeten die Stabilität der Schienen, so die Bahn.
Wie lange die Sperrung der Bahnstrecke andauern wird, ist offen. Zwischenzeitlich hieß es, man müsse eher von einem Neubau als einer Instandsetzung sprechen. Nicht auszuschließen war, dass die Dachsschäden so gravierend sind, dass der Bestandsschutz verloren geht. Das würde ein komplett neues Planfeststellungsverfahren erforderlich machen mit Öffentlichkeitsbeteiligung und Bearbeitung der Themen Immissionsschutz, Naturschutz und Artenschutz. Zehn Jahre können da schnell ins Land gehen.
Zahlen sprechen für sich
Eine ganz andere Sicht der Dinge hat der Nabu-Kreisverband Unna. Dem Vorsitzenden Adrian Mork mutet die langfristige Sperrung der Bahnstrecke wie ein Loriot-Sketch an. Das Ganze sei wenig stichhaltig und vorgeschoben. Da sei wohl die Baukörperkontrolle seit einigen Jahren nicht oder nur oberflächlich erfolgt. „Über diese Dachsbaue sind über viele Jahre Züge hinweggefahren, ohne dass es ein Problem gegeben hat. Sollte jetzt an einer Stelle ein Schaden aufgetreten sein, der eine Reparatur notwendig macht, sollte dies auch umgehend an genau dieser Stelle passieren, ohne gleich die gesamte Strecke zu sperren“, so der Naturschützer.
Die Probleme mit Grimbart hängen auch mit der Populationsentwicklung zusammen. In den 60er- und 70er-Jahren war der Dachs aufgrund der Tollwut fast ausgerottet. Seither aber nimmt die Zahl in der Tendenz zu. Im Jagdjahr 2012/13 wurden in Deutschland 66.579 Dachse erlegt. 2022/23 waren es fast 85.000. Die höchste Strecke wurde 2019/20 mit annähernd 89.000 erlegten Dachsen erreicht.
Deutlich geringer ist die Zahl der in Deutschland lebenden Biber. Unmut löst aber auch dieses Nagetier gelegentlich aus, wenn es an Gewässerdämmen gräbt und Zu- oder Abflüsse verstopft, um den Wasserpegel ansteigen zu lassen. Dadurch kann es zu Überschwemmungen und Dammbrüchen kommen. In Bad Dürrenberg in Sachsen-Anhalt wurde durch den Biber aus einem kleinen Bach eine Auenlandschaft – mitten in der Stadt. Die Anwohner fürchteten, dass ihre Keller überschwemmt werden könnten. Die Reparatur- und Instandhaltungskosten für solche Fälle können stattliche Summen erreichen.
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