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Keine Mätzchen beim Mindestlohn

  • Autorenbild: Wolfgang Kleideiter
    Wolfgang Kleideiter
  • vor 2 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit

Das Thema Mindestlohn, das politisch angeheizt wieder einmal Obst-, Gemüse- und Weinanbaubetriebe in Ängste versetzt, verträgt keine Mätzchen, sondern braucht den klaren Verstand


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Foto: Fotobox_Petra0107
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Die 15 Euro erobern die Schlagzeilen. Als wäre ein gesetzlicher Mindeststundenlohn in dieser Höhe im nächsten Jahr bereits in Stein gemeißelt. Ist er aber nicht. Da mögen Wunschdenker wie die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dagmar Schmidt, dies in Interviewaussagen noch so sehr suggerieren. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD steht wortwörtlich: „Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.“


Erreichbar, wohlgemerkt – aber nicht gesetzt. Niemanden dürfte entgangen sein, dass die wirtschaftliche Gesamtsituation belastet und der internationale Wettbewerb schwieriger geworden ist. Die schwache wirtschaftliche Konjunktur hinterlässt mittlerweile sichtbare Spuren auf dem Arbeitsmarkt.


Ein kompliziertes Rechenexempel


Man darf deshalb gespannt sein, welche Empfehlungen bis Ende Juni die Mindestlohnkommission geben wird. Von einer sprunghaften Anhebung des Mindestlohns von derzeit 12,82 Euro pro Stunde auf 15 Euro ist kaum auszugehen. Das Gremium müsste dann die Untergrenze stärker anheben, als es die Entwicklung der Tariflöhne hergibt. Das Statistische Bundesamt errechnet nämlich aus den Tarifverträgen einen Index für die Entwicklung der tariflichen Stundenverdienste ohne Sonderzahlungen. Die Mindestlohnkommission nimmt diese Index-Entwicklung der vergangenen zwei Jahre als Grundlage. Bei 15 Euro, so analysierte die ARD-Tagesschau, würde der Mindestlohn etwa um einen Euro höher ausfallen als bei einer bloßen Berücksichtigung der Tarifverdienste.


Woher kommt dann der 15-Euro-Mindestlohn, der auch Obst-, Gemüse- und Weinanbau in Deutschland massiv belasten würde? Der Wert entstammt allein dem politischen Wunschdenken. Bundeskanzler Olaf Scholz, inzwischen nur noch geschäftsführend im Amt, hat sich mit seinen Forderungen nach einer Erhöhung immer wieder in die Festlegung durch die Kommission eingemischt.


Sein designierter Nachfolger Friedrich Merz lässt davon die Finger. Und er hat vollkommen recht, wenn er in den Formulierungen im Koalitionsvertrag keine „Verabredung“ zwischen Union und SPD sieht, die 15 Euro anzupeilen. Ähnlich äußert sich auch SPD-Chef Lars Klingbeil.


Ein Mindestlohn von 15 Euro würde im europaweiten Vergleich Deutschland fast an die Spitze katapultieren. In den allermeisten europäischen Ländern liegt der Mindestlohn deutlich niedriger. In Spanien, Portugal oder Griechenland ist er nicht einmal halb so hoch. Von Ungarn, Bulgarien und Rumänien ganz zu schweigen.


Vom Lande kommt der Ruf nach einer Sonderregelung


Bauernpräsident Joachim Rukwied hält aus gutem Grund nichts von der 15-Euro-Idee: „Mit dieser Anhebung wäre die deutsche Landwirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig.“ Er prophezeit das Ende für den Obst-, Gemüse- und Weinanbau in Deutschland. Die Landwirtschaft, die seit jeher viele Erntehelfer beschäftige, brauche auf jeden Fall eine Sonderregelung. Schon vor Jahren warnte Rukwied davor, dass ein zu hoher Mindestlohn den Strukturwandel beschleunige: „Wir werden weitere Betriebe verlieren und noch mehr Erzeugung von Lebensmitteln ins Ausland verlagern. Wie sollen wir im europäischen Wettbewerb bestehen, wenn nahezu all unsere Nachbarn einen deutlich geringeren Mindestlohn haben?“


Aktuell lösen die Mindestlohn-Pläne in Gemüse- und Weinanbaugebieten erneut Existenzängste aus. Gemüsebauern berichten davon, dass sie bei 15 Euro Mindestlohn nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Salat, Radieschen, Kohl, Frühlingszwiebeln oder Spargel verlangten viel Handarbeit. Den Landwirten blieben nur noch zwei Möglichkeiten: Auf andere Kulturen wie Kartoffeln umzusteigen oder ganz aufzugeben.


Der Präsident des Deutschen Weinbauverbandes, Klaus Schneider aus Dirmstein, sagte kürzlich zu einem 15-Euro-Mindestlohn: „Das ist ein schwerer wirtschaftlicher Schlag für die Betriebe, der die angespannte Lage für eine Vielzahl von Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern nur verschärfen wird.“ Personalkosten seien mit der größte Kostenfaktor. Schneider kritisiert: „Die Erhöhung würde nur weiter dazu führen, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Betriebe im europäischen und globalen Markt zu verschlechtern.“


Zur Erinnerung: Vor zehn Jahren startete der Mindestlohn in Deutschland mit einer Untergrenze von 8,50 Euro pro Stunde und entwickelte sich langsam nach oben. Die Kommission setzte auf kleine Schritte. Der Ampel-Regierung ging es zu langsam. Sie beschloss ohne weiteres Votum der Kommission im Juni 2022 eine Anhebung von 10,45 Euro auf 12 Euro.

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