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  • AutorenbildFrank Polke

Probewohnen in der Provinz

Aktualisiert: 24. Mai

Die Kindergärten sind nicht überfüllt, der Spielplatz liegt malerisch zwischen Wald und kleinem See. Vor allem aber sind die Mieten bezahlbar. Viele kleinere Städte im Osten bieten Probewohnen an. Mit Erfolg, wie das Beispiel Guben zeigt


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Foto: HomeoGrapher

Die Idee kam den Stadtoberen vor zwei Jahren, kurz vor dem Ende der Pandemie. „Wir müssen versuchen, vom Frust vieler Menschen über das hektische Großstadtleben zu profitieren. Wir haben hier in Guben doch bezahlbaren Wohnraum und eine schöne Natur“, so war man sich in Guben einig, die Trümpfe des Lebens im ländlichen Raum aktiv und voller Selbstbewusstsein auszuspielen. Einer davon: Viele Menschen müssen nach der Etablierung des Home-Office-Gedankens nicht mehr regelmäßig ins Büro in die Stadt fahren oder pendeln, sondern können auch von zu Hause arbeiten. Und warum nicht dann gleich aufs Land ziehen, dort per Homeoffice arbeiten, wenn man eh keine bezahlbare Wohnung findet oder das Bauen unerschwinglich ist? Vorteil ländlicher Raum, dachte man sich auch in Guben. Eine Stadt, die im Osten Brandenburgs an der polnischen Grenze liegt und aktuell etwas mehr als 20.000 Einwohner zählt. Nur noch 20.000, es waren einmal mehr. Nach Angaben der Verwaltung lebten mehr als 25.000 Menschen in der Stadt in Ostbrandenburg, zu Wendezeiten waren es sogar knapp 30.000.


Gründe für den Bevölkerungsrückgang gibt es viele. Guben liegt im Landkreis Spree-Neiße, ganz im Osten Brandenburgs, 145 Kilometer Luftlinie südöstlich von Berlin gelegen. Die Niederlausitz war noch nie eine Metropolregion. Nicht vor 100 Jahren, nicht zu DDR-Zeiten. Und auch nicht nach der Einheit. Zu wenig Jobs in den 90er Jahren, zu wenig Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche und Ältere. Danach musste gespart werden, die Infrastruktur wurde weiter zurückgefahren – ein Teufelskreis wie in vielen kleineren Gemeinden und Orten nicht nur im Osten. Aber gerade im Osten kam in den Nach-Wende-Jahren noch die Abwanderung vor allem der jüngeren Leute nach Berlin, Cottbus, Leipzig oder in den Westen obendrauf. Nur wenige kehrten heim.


„Erlebe deinen Traum in Guben“ Doch genau das sollte sich ändern, befand die Politik. Selbst der urbane Zeitgeist erkannte, dass man gut bis sehr gut im ländlichen Raum leben kann. Vor allem mit Kindern ist Berlin-Kreuzberg, Leipzig-Connewitz oder das Ruhrgebiet nicht immer nur toll. Eine Marketingagentur setzte auf Selbstbewusstsein der kleinen Stadt ganz im Osten Deutschlands. „Guben tut gut.“ Oder „erlebe deinen Traum. Gut leben, gut arbeiten, gut wohnen.“ Vor allem junge Familien (mit oder ohne Kinder) wurden aufgefordert, sich für ein Probewohnen im Sommer zu bewerben. Einzige Bedingung: die Bewerber durften ihren Wohnsitz bisher nicht in Guben gehabt haben. Für das ungewöhnliche Projekt stellte die örtliche Wohnungsgesellschaft mbH insgesamt fünf Zwei- oder Dreiraumwohnungen zur Verfügung, die von 18 Parteien bis September bewohnt werden können. Mietfrei für bis zu vier Wochen. Nur die Nebenkosten müssen die Interessierten selbst zahlen.


Gespannt wartete man auf den Rücklauf der Bewerbungen. Doch die Probe-Wohnen-Aktion scheint durchaus einen Nerv getroffen zu haben. „Bei uns sind über 35 Bewerbungen eingegangen“, erklärte eine Sprecherin der Stadt Guben der Nachrichtenagentur dpa. „Die meisten sind von Pärchen und Familien gekommen. Hier schien das Interesse am höchsten zu sein. Das hat uns aber auch nicht wirklich überrascht.“


Insbesondere die „Großstadtflucht“ war bei vielen ein Motiv, es einmal in der Provinz zu versuchen. „Speziell mit Kindern wächst bei vielen der Wunsch nach einem Leben im Grünen, mit einem familiären Umfeld und kurzen Wegen in die Kita und die Schule“, führte die Sprecherin aus.


Einige Bewerber mussten auf die Warteliste


Auch in Guben hofft man jetzt darauf, dass die jungen Familien sich aktiv ins „Stadtgeschehen“ einbringen. Auch lokale Firmen sind in das Projekt miteinbezogen. Laut Stadtverwaltung bieten einige Betriebe Praktika, um vor allem jungen Menschen ihr Unternehmen nahezubringen. Denn neben der Stadtflucht ist der Fachkräftemangel das zweite große Problem nicht nur in der Oder-Neiße-Region, sondern in vielen Regionen Ostdeutschlands.


Die ersten Probewohner sollen am 1. Juli eintreffen. Alle kommen jetzt nicht zum Zuge, müssen auf eine Warteliste. Ob die Menschen, die jetzt für vier Wochen „Probe-Gubener“ werden, dauerhaft bleiben, ist noch nicht abzusehen. Der Blick in die Nachbarschaft macht aber Mut: Guben folgt mit dem Modell anderen Städten wie Eberswalde, Frankfurt (Oder)und dem malerischen Görlitz in Sachsen. Dort geriet die Probe-Wohnen-Aktion schon mal zum Erfolg.


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