Der Raubtier-Bestand ist auf Rekord-Niveau und EU-Vorschläge lassen viele deutsche Gerichte unbeeindruckt – noch
Verwaltungsrichter in Münster haben die bundesweit bekannte Problemwölfin „Gloria“ vor dem vom Kreis Wesel amtlich angeordneten Abschuss bewahrt. Angeblich wäre der Bestand in Nordrhein-Westfalen sonst gefährdet. Zugleich addieren sich die offiziellen Wolfszahlen aus den Bundesländern auf den Rekord-Höchststand von über 1300 Tieren.
So gut wie sicher ist jedoch, dass die Tage des allerstrengsten Artenschutzes für Wölfe in der Europäischen Union gezählt sind. Die Kommission wartet zwar immer noch auf endgültige Zahlen aus Deutschland, machte jedoch schon im Herbst des vergangenen Jahres klar, dass einer Lockerung in der FFH-Richtlinie nichts im Wege stehe. Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber kommentierte: „Das ist eine frohe Weihnachtsbotschaft aus Brüssel an unsere Weidetierhalter, die seit langem durch immer mehr Wölfe unter Druck kommen. Endlich bestätigt die EU-Kommission, dass der Wolf nicht mehr gefährdet ist.“
Dass die Uhren nicht nur in Düsseldorf und Münster, sondern mitunter sogar vor bayerischen Gerichten (noch) anders gehen, ist bekannt. Solange sich klagende Tierrechtler auf gültiges EU-Recht berufen, bleiben Landesregierungen und Regional-Behörden weitgehend machtlos. CSU-Frau Kaniber: „Damit künftig auch noch unsere Tiere auf unseren Weiden stehen, müssen die Mitgliedsstaaten jetzt schnell handeln. Sie müssen die Berner Konvention und die FFH-Richtlinie ändern und dann nationales Recht anpassen. Dazu fordere ich Bundesumweltministerin Steffi Lemke auf: Keine Tricks, keine Verzögerung.“
Wölfin Gloria wird trotz derartigem Stimmungswandel wohl einen weiteren Sommer überleben: In der Hauptsache ist über die Abschussverfügung zwar noch nicht entschieden. Aber die klagenden Vereine erreichten einen Aufschub bis zum generellen Abschussverbot, das am 15. Februar beginnt und Wölfe während der Aufzucht ihrer Welpen schützt. Die Frage, ob „Gloria“ besonders verhaltensauffällig ist, spielt bisher eine eher untergeordnete Rolle. Wichtiger ist erst einmal der mögliche „artenschutzrechtliche Schaden“ für den Fall, dass nach „Glorias“ Abschuss kein anderes Wolfsweibchen ins Münsterland zuwandert.
Juristisch bleibt Artenschutz für Wölfe wichtiger als Erhalt der Deichschäferei
Der auf der anderen Seite „zu berücksichtigende landwirtschaftliche Schaden in Gestalt gerissener Weidetiere würde dagegen aufgrund bestehender Entschädigungsregelungen für Nutztierhalter kompensiert“, heißt es in der Urteilsbegründung: „Die damit einhergehende Belastung der Steuern zahlenden Allgemeinheit erscheint vergleichsweise marginal.“ Woran sich selbst durch die Hochwasser-Ereignisse des laufenden Winters nichts änderte: Dass die Schafweide wichtig fürs Instandhalten der Deiche ist, ist zwar bekannt. Juristisch bleibt der Artenschutz für Wölfe wichtiger als der Erhalt der Deichschäferei.
Spannend am Rande: Auch in Nordrhein-Westfalen hat der Landesjagdverband seinen Mitgliedern dringend davon abgeraten, an einer möglicherweise bevorstehenden Wolfsentnahme teilzunehmen. Nicht nur wegen der Risiken, vor Gericht zu landen. Sondern auch wegen der Gewaltbereitschaft mancher Wolfs-Paten.
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