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  • AutorenbildJürgen Wermser

Stadt und Land dürfen nicht weiter auseinanderdriften – Sorgen bei Jägern und Bauern

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche


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Liebe Leserinnen und Leser,


sie können nicht voneinander lassen. SPD, Grüne und FDP haben sich nun doch noch auf einen gemeinsamen Haushalt geeinigt. Ein Scheitern hätte zwangsläufig den Bruch der Ampelkoalition bedeutet. Bei allen Unterschieden und Konflikten: So weit wollten es die Unterhändler dann doch nicht kommen lassen. Ein grandioser Neustart in eine gemeinsame und erfolgversprechende Zukunft sieht allerdings anders aus. Dafür haben sich die Spitzenvertreter der drei Parteien im Vorfeld zu sehr bekämpft. Und inhaltlich fehlt der große Wurf, auf den die Mehrheit der Wähler beim Start dieser Regierung gehofft und gesetzt hatte. Zudem ist das Vertrauen in die Kompetenz und Kommunikationsbereitschaft dieser Regierung seit längerem dramatisch gesunken, wie auch die kurz vor der Haushaltseinigung bekannt gewordenen Zahlen des ARD-Deutschlandtrends zeigen. Dort liegt etwa die führende Regierungspartei SPD mit 14 Prozent drei Punkte hinter den Rechtsaußen von der AfD – ein politisches Schreckensszenario, das sich Sozialdemokraten vor ein paar Jahren nicht in ihren schlimmsten Träumen hätten vorstellen können.


Die Liste der Versäumnisse und unzureichenden Reformschritte ist lang. Ein zentraler Bereich, den wir in unserem Blog immer wieder thematisiert haben, ist die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Die Bundesregierung hatte dazu in dieser Woche den ersten umfassenden Bericht vorgelegt. Er zeigt zwar an, dass sich die Regionen generell annähern. Aber die Unterschiede bleiben weiterhin groß. So wird die Bevölkerungszahl in ländlichen, grenznahen und strukturschwachen Regionen weiter schrumpfen, teilweise sogar wie im Erzgebirge bis zum Jahr 2045 um 24 Prozent. Das hat natürlich auch Folgen etwa für die medizinische Versorgung und die Bereitstellung weiterer Infrastruktur. Auch liegen die Einkommen in dünn besiedelten Gebieten im Durchschnitt immer noch unter dem von Großstädten von vor zehn Jahren. Dieses Gefälle zwischen Stadt und Land muss geringer werden.


Abschreckendes Beispiel Frankreich


Welch politisch fatale Effekte es haben kann, wenn Stadt und Land politisch, wirtschaftlich und mental auseinanderdriften, lässt sich am Beispiel unseres westlichen Nachbarn Frankreich leider allzu gut studieren. Vom alles dominierenden Zentrum Paris in die Provinz sind es oftmals nur wenige Stunden Fahrt mit dem Zug oder dem Auto. Aber man ist in einer ganz anderen Welt. In der Großstadt gibt sich die Elite kulturell weltoffen bis hin zu multikulturell. Das „grüne Gewissen“ wird durch den persönlichen Lebensstil und einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr bedient. Man zeigt sich nach außen hin ökologisch bewusst, aber dass Natur mehr ist als ein Park oder ein Erholungsgebiet, ist vielen dort fremd.


Im ländlichen Frankreich, wo die extremen Rechten besonders erfolgreich sind, sieht es völlig anders aus. Ärzte, Bahnhöfe, Postämter, Apotheken – von allem gibt es zu wenig. Jenseits der großen Städte fühlen sich immer mehr Bürger in vielfacher Beziehung abgehängt und unverstanden. Das schürt Ressentiments und weckt den Wunsch, es „denen da oben“ mal zu zeigen. Die Tiefe des Problems wurde in Frankreich lange verdrängt. Umso größer ist jetzt der Schock im urbanen, demokratischen Lager.


Deshalb ist es auch in Deutschland so wichtig, dass der ländliche Raum seinen gebührenden Platz in der öffentlichen Wahrnehmung und praktischen Politik bekommt. Momentan ist da noch einige Luft nach oben, wie etwa die kürzlichen Proteste der Bauern gegen die Politik der Ampelregierung gezeigt haben. Dabei ging es den Landwirten nicht nur um Geld – sprich verlässliche Perspektiven –, sondern auch um mehr Respekt und Anerkennung für ihre oftmals schwere Arbeit. Das Leben und Arbeiten in und mit der Natur hat viele Herausforderungen. Und es ist für unsere Gesellschaft in höchstem Maße systemrelevant. Man denke nur an die Bereiche Ernährung und Umwelt, von denen jeder Bürger lebensnotwendig abhängig ist.


Zu den Lehren aus der Wahl in Frankreich gehört, eine engagierte Politik zur Entwicklung des ländlichen Raumes zu betreiben. Denn wenn die Menschen in den Dörfern und kleineren Städten an den Rand gedrängt werden, wird es auch in den Metropolen ungemütlich.


Wölfe breiten sich weiter aus


Dazu gehört auch das Thema Wolf, das in ländlichen Regionen – im Unterschied zu Metropolen – die Gemüter bewegt. Nur noch als weltfremd lassen sich vermeintliche Tierfreunde und Politiker beschreiben, die die Probleme mit der Ausbreitung des Raubtiers in Deutschland herunterspielen. Über die ungebremste Zunahme an Rudeln in Teilen Deutschlands haben wir in unserem Blog des Öfteren berichtet. Selbst auf die Nordseeinsel Norderney hat es jetzt zum wiederholten Male ein Wolf geschafft. Das Tier tauchte in der Ruhezone des niedersächsischen Wattenmeers auf, wie die zuständige Verwaltung mitteilte. Für den erneuten Nachweis hatte die Behörde eine Drohne mit einer Wärmebildkamera aufsteigen lassen. Zuvor war der Wolf – vermutlich ein Rüde – von einer Wildkamera bereits am 6. und 20. Juni fotografiert worden. Die Raubtiere breiten sich offenkundig immer weiter in Deutschland aus. Auch im Saarland wurde jüngst ein Wolf gesichtet.


Derweil gibt es in der Jägerschaft weiterhin Unmut über anhaltende Unklarheiten im Zusammenhang mit der geplanten Verschärfung des Waffenrechts inklusive eines weitgehenden Messerverbots.  Noch ist nicht klar, wohin die Reise geht, nachdem die FDP die Innenministerin mit einem Veto gegen einen Referentenentwurf aus ihrem Hause zu einem neuen Waffengesetz ausgebremst hat. Nun hat Niedersachsen eine Bundesratsinitiative zur Verschärfung des Waffenrechts in ähnlichem Tenor gestartet. Ausgeblendet wird bei diesen Debatten offensichtlich das eigentliche Problem des illegalen Waffenbesitzens und -handels. Jedenfalls entsteht dieser Eindruck, wenn man die Texte aus dem Innenministerium und aus Niedersachsen liest. Für den Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sind aber die „illegalen Waffen unsere eigentlichen Problemwaffen“. Über den Bundesrat soll nun gleichwohl die Novelle des Waffenrechts „zügig vorangebracht“ werden. Zugleich wird aber in dem Entwurf ausdrücklich betont, dass es Ausnahmen für Jäger geben könne. Mal sehen, was dabei am Ende tatsächlich herauskommt. In unserem Blog wird unser Autor Christoph Boll in der nächsten Woche ausführlicher auf dieses umstrittene Thema eingehen.

 

Gefahren durch erkrankte Tiere


Wildschwein
Foto: Martin Büdenbender / pixelio.de

Sorgen machen sich Jäger und Nutztierhalter aktuell auch um die weitere Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest. In Hessen hat sich die Zahl der Fälle auf neun erhöht, nachdem zuerst in der Nähe von Rüsselsheim ein Ausbruch gemeldet worden war. Jetzt wurden auch zwei infizierte Wildschweine südlich der abgesperrten Zone gefunden. Für Jäger und Landwirte gilt in einem 15-Kilometer-Radius um die Fundorte neben anderen strengen Auflagen auch eine Leinenpflicht für Hunde.


Derweil könnte den Nutztierhaltern – und nicht nur ihnen – womöglich noch von ganz anderer Seite Gefahr drohen. So jedenfalls in dieser Woche Christian Drosten, der Chef-Virologe der Berliner Charité. Er bezeichnete den massiven Ausbruch von dem Vogelgrippevirus H5N1 in den USA als möglichen Auslöser für eine kommende Pandemie. „So etwas hat es vorher noch nicht gegeben, solche extrem großen Ausbrüche bei Kühen – alle Fachleute sind besorgt,“ sagte Drosten in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der Erreger sei jüngst in Milchviehbeständen in USA und dort „sogar schon in Milchprodukten im Handel aufgetaucht“.


Es könne glimpflich ablaufen, denn das Virus brauche mehrere Schritte zur Anpassung, und vielleicht sei es vorher schon unter Kontrolle. Aber es könne auch schon der Anlauf zu einer nächsten Pandemie sein, den wir live mit verfolgen, warnte Drosten, der einer der international führenden Virologen ist und frühzeitig vor einer Pandemie durch das sogenannte Coronavirus gewarnt hatte. Auch damals habe man die Verbreitung des Virus zu spät bemerkt, sagte Drosten nun mit Blick auf den Vogelgrippeerreger. Da kann man nur hoffen, dass es nicht so schlimm kommt …


Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen

Ihr Jürgen Wermser, Redaktionsleitung/Koordination

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