Die Erfassung der Jagdstrecke wird jeweils für das Jagdjahr vom 1. April bis 31. März ausgewiesen. Die Statistik dokumentiert die Population der einzelnen Arten. Sie dokumentiert auch Vitalität und Qualität ihrer Lebensräume. Teil 1: Niederwild
Es geht mehr als um eine Selbstbeweihräucherung der Jäger, wenn die Jagdstrecken jeweils für ein Jagdjahr ausgewiesen werden. Die Statistik, die auf Kreis-, Landes- oder Bundesebene alle auf der Jagd erlegten Wildtiere sowie das sogenannte Fallwild erfasst, ist ein relatives Maß und Index der Populationsgröße einzelner Arten. Sie ist zugleich ein Indiz für den jeweiligen Zustand ihres Lebensraumes. Ist das Wild gesund und lebt es in einem optimalen Habitat, kommt es in größerer Zahl vor, als wenn es krank ist und aus Äsungsmangel kümmert. Wichtiger ist der mehrjährige Trend. Schwankungen von einem Jahr zum nächsten sind bei der Analyse wenig aussagekräftig, weil sie etwa durch eine intensivere Bejagung oder auch witterungsbedingt sein können. Nass-kalte Frühjahre und Frühsommer lassen bei vielen Offenlandarten kaum Nachwuchs groß werden.
Bundesweit gibt es große Unterschiede der Entwicklungen bei Schalen- und Niederwild, bei Friedwild und Beutegreifern. Aber auch große Differenzen zwischen den einzelnen Bundesländern. Gämsen brauchen nun mal die Berge. Sie kommen in Deutschland vorrangig in den bayerischen Alpen und in geringerer Zahl auch im Schwarzwald und der Schwäbischen Alb, also in Baden-Württemberg, vor. Für die Zahlen bei Hase, Fasan, Rebhuhn und Kaninchen ist traditionell das norddeutsche Tiefland wichtig, also Niedersachsen und NRW, wo im vergangenen Jahr 72.737 Feldhasen erbeutet wurden. Das ist im Vergleich zum Vorjahr erneut ein leichter Anstieg, der fast immer nur möglich ist in Kooperation der Jäger mit der Landwirtschaft. Wo der Feldhase als Leittierart gute Lebensbedingungen vorfindet, fühlen sich auch andere Tier- und Pflanzenarten wieder wohl. Aber das Fünkchen Hoffnung auf eine Trendumkehr der seit Jahrzehnten sinkenden Besätze dürfte durch das seit einigen Monaten grassierende Myxomatose-Virus (siehe Blog-Beitrag „Myxomatose bedroht Meister Lampe“ vom 14. Oktober 2024) schnell erlöschen.
Massiver Rückgang der Hasenstrecken
Zuvor war die Hasenstrecke in NRW in zehn Jagdstrecken bis 2022 um etwa 77 Prozent von einst 127.000 auf 29.000 zurückgegangen, in Niedersachsen um 68 Prozent von 88.000 auf 28.000. Ursache war keineswegs ausschließlich jagdliche Zurückhaltung, sondern vielmehr auch auf die Zerstörung von Lebensräumen und Nahrungsgrundlagen durch Landwirtschaft und Versiegelung. 1981/82 wurden bundesweit noch 825.039 Mümmelmänner erlegt. 236.587 lautet die letzte vorliegende Zahl, die aus dem Jahr 2022/2023 stammt.
Bei den Fasanen ist der Spitzenwert des Jagdjahres 1971/72 mit mehr als 1,3 Millionen auf 87.935 gesunken. Ganz ähnlich ist es beim Rebhuhn, das heute nur noch vereinzelt in bejagbarer Menge vorkommt. Zuletzt lagen noch 1.685 auf der bundesweiten Strecke. Bei den Kaninchen sank die Beute von 860.376 im Jahr 1990 auf zuletzt 63.856. Nicht ganz so dramatisch sind die Zahlen bei Waldschnepfe, Stockenten und Wildtauben. Aber auch sie sind im Sinkflug.
Die Population der Beutegreifer wächst ständig
Zum Niedergang des Niederwildes tragen ganz erheblich die Beutegreifer bei, deren Strecke kontinuierlich wächst. Zwischen 80.000 und 90.000 Dachse erlegen die Jäger pro Jahr, besonders im Süden der Republik. Es gibt Vermutungen, Meister Grimbart gehe es besonders dort gut, wo es etwas wärmer ist, und er könnte ein Gewinner des Klimawandels sein. Verglichen mit den Strecken von Hase und Fasan sind 412.245 erlegte Füchse immer noch viel. Aber es waren auch schon mal 250.000 Rotröcke mehr. Vielleicht fehlen Reineke doch die Kaninchen.
Vergleichsweise neu bei uns ist der Marderhund. Die Enokstrecken haben sich in den vergangenen Jahren bei rund 30.000 eingependelt. Auffällig ist der hohe Anteil, der in Schleswig-Holstein erbeutet wird. Das nördlichste Bundesland hat die ehemaligen Hauptmarderhundländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg abgelöst. Es scheint, als fühle sich der Marderhund in kälteren Gefilden wohler. Jedenfalls schreitet die Besiedlung des Südens deutlich langsamer voran. Geradezu dramatisch ist die Ausbreitung des Waschbären. 2029/20 wurden erstmals mehr als 200.000 dieser Neubürger erlegt. Damit hatte sich die Strecke in nur sechs Jahren verdoppelt und in einigen Bundesländern wurden mehr Waschbären als Füchse erlegt. Das nährt die Prophezeiung, dass der Kleinbär in absehbarer Zeit zu Deutschlands häufigster Raubwildart aufsteigen wird. Er steht als invasive Art auch auf EU-Ebene auf der Liste der unerwünschten Arten, die intensiv gejagt werden sollen. Außerdem tragen Marderartige, Raben- und Greifvögel dazu bei, dass das Niederwild gezehntet wird.
In einem weiteren Teil gehen wir in der kommenden Woche auf das Schalenwild ein.
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