Auf dem Land wird es immer schwieriger, einen Tierarzt zu finden. Deshalb starten die Länder verschiedene Initiativen. Niedersachsen setzt sich zum Beispiel für die vereinfachte Anerkennung ausländischer Abschlüsse ein

Schaut man sich die Zahlen der Bundestierärztekammer (BTK) nur oberflächlich an, könnte man die Hände in den Schoß legen: Denn in der Vergangenheit ist die Zahl der Tierärzte in Deutschland durchschnittlich pro Jahr um etwas mehr als ein Prozent gestiegen. Der Studiengang Veterinärmedizin ist weiterhin beliebt. Für die deutschlandweit rund 1500 Studienplätze gibt es etwa 5000 Bewerberinnen und Bewerber.
Und trotzdem herrscht gerade im ländlichen Bereich, wo die allermeisten Nutztiere gehalten werden, ein Mangel. Denn immer mehr Veterinäre ziehen das Angestelltenverhältnis einer Selbstständigkeit vor. Laut Bundestierärztekammer hat im Jahr 2023 die Anzahl der Angestellten (11.429) sogar die Anzahl der Niedergelassenen (11.437) eingeholt. Und der Trend, als angestellter Veterinär mit 40 oder weniger Wochenstunden zu arbeiten, nimmt weiter zu. Der Mangel, so weiß man inzwischen, ist weniger ein Problem der Arztzahl als vielmehr ein Mangel an Arbeitszeitstunden. Dr. Holger Vogel, Präsident der BTK, formulierte es kürzlich so: „Angestellte Vollzeitkräfte mit 40 Wochenstunden können die bis zu doppelt so umfangreiche Arbeitszeit eines Selbstständigen nur in Teilen abdecken.“
Der Traumberuf ist in der Selbstständigkeit oft ein Knochenjob. Zum Teil ist auch deshalb die Anzahl der Tierarztpraxen rückläufig. Im Jahresvergleich 2022 zu 2023 betrug der Rückgang bei den Niedergelassenen minus 306. Und die Situation wird in Zukunft wohl nicht besser. Denn auch in diesem Berufszweig rollt die Rentenwelle. Viele praktizierende Tierärzte sind inzwischen 60 bis 69 Jahre alt.
Der Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) weist schon seit längerer Zeit auf den „Tierärzte(-stunden)mangel“ hin. Auch kurz vor der Bundestagswahl wünschte Verbandspräsident Dr. Siegfried Moder ein ganzes Maßnahmenpaket – von der Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes über den Bürokratieabbau bis hin zur Verbesserung der Ausbildung durch eine Modernisierung der tierärztlichen Approbationsordnung. „Alle Forderungen sind bekannt, aber noch nicht umgesetzt“, bedauerte Moder beim bpt-Neujahrsempfang.
Zu den besseren Rahmenbedingungen gehören aus Sicht der Veterinäre vereinfachte Anerkennung ausländischer Abschlüsse, verlässliche Kinderbetreuung, eine regelmäßige, am besten an die Inflationsentwicklung angepasste Erhöhung der Gebührenordnung und finanzielle Anreize für Rentner, noch ein paar Jahre länger im Beruf zu bleiben. Siegfried Moder: „Wir müssen endlich dafür sorgen, dass dieser traumhafte Beruf auch für Selbstständige wieder attraktiv ist.“
Praktiker berichten, dass sie inzwischen 20 bis 30 Prozent der Arbeitszeit mit staatlich verpflichtenden Aufzeichnungspflichten verbringen. Eine Zeit, die sie als Arzt lieber beim tierischen Patienten verbringen würden.
Langwierige Verfahren zur Anerkennung ausländischer Tierarztausbildungen
In einem Punkt – Anerkennung ausländischer Tierarztausbildung – erhalten die Praktiker jetzt Rückendeckung. Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte setzte sich Mitte Februar im Bundesrat für ein beschleunigtes Anerkennungsverfahren ein. Die Verfahren seien zu langwierig, da man weniger die Kenntnisse der Antragsteller prüfe, sondern sich zu sehr auf Dokumente konzentriere. Dokumente hätten aber viele Menschen auf ihrer Flucht nicht mitnehmen können. Oder die Unterlagen können aus den Herkunftsländern nicht nachgeschickt werden.
Die „Gleichwertigkeitsprüfung“ von Tierarztausbildungen aus Staaten außerhalb der EU erfordert zurzeit nicht nur die Bewertung von Prüfungsbescheinigungen, sondern auch Lehrpläne, Stundentafeln oder ähnliches in amtlich beglaubigter Übersetzung. Bei inzwischen über 400 Anträgen im Jahr ist dies für die Tierärztekammern eine Belastung, da in die Prüfung viel Zeit investiert werden muss.
Das Land Bayern reagiert auf den Tierarztmangel jetzt sogar mit einer Quote. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vergibt erstmals bis zu zehn Prozent der an der Ludwig-Maximilians-Universität München pro Jahr zur Verfügung stehenden Tiermedizinstudienplätze an Bewerber, die ein besonderes Interesse an der nutztierärztlichen Tätigkeit aufweisen. „Wir brauchen mehr Tierärzte auf dem Land. Wir brauchen Landtierärzte für die Nutztierhaltung in allen bayerischen Regionen. Sie bedeuten mehr Tierschutz in der Fläche und mehr Lebensmittelsicherheit“, erklärte der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber.
Comments