Weniger Lebensraum durch weitere Zerstörung ländlicher Flächen, der neueste Trend beim Rasenmähen – dem Igel geht es auch bei uns schlecht. Besonders schwer hat es das putzige Tier offenbar in Bayern
Das Problem ist der Mensch, wieder einmal. Mit diesen eindringlichen Worten beschreibt die Weltnaturschutzunion (IUCN) die Verantwortlichkeit. Verantwortlichkeit auch dafür, dass gerade in Westeuropa die Zahl der Igel dramatisch zurückgeht. Grund sind modische Trends im Garten, aber auch der Hunger des Menschen nach immer mehr Lebens- und Wirtschaftsraum gerade im ländlichen Raum.
Konsequenz: Innerhalb der vergangenen zehn Jahre ist die Anzahl der in Westeuropa lebenden Igel je nach Land um zwischen 16 und 33 Prozent zurückgegangen. Gesicherte Daten, die dies beweisen können, liegen allerdings nicht vor. Aber die Weltnaturschutzunion beruft sich auf seriöse Schätzungen aus den Regionen und Ländern Europas. Besonders krass: In Flandern (Belgien) und in Bayern hätten die Schätzungen sogar einen Rückgang von 50 Prozent ergeben, hieß es. Die Organisation hat den Winterschläfer deshalb in die Rote Liste der bedrohten Tierarten aufgenommen. Der westeuropäische Igel (Erinaceus europaeus) kommt unter anderem in Deutschland und Österreich, den Benelux-Ländern, Skandinavien und Großbritannien vor.
Igel leiden an der Zerstörung der Natur
Der Igel gilt als eines der am meisten vermenschlichten Tiere. In Comics und Filmen, in Sagen und sogar bei der Videoplattform YouTube wird er als putziger Geselle geschildert, der oft das Gute im Schilde führt, selten böse oder gar gefährlich ist. So liebt der Stadtmensch seine Tierwelt. Aber das bewahrt den stachligen Liebling der Herzen – Igel bekommen in der Regel nur einmal pro Jahr Nachwuchs – trotzdem nicht vor der Zivilisationswut des Menschen. „Insbesondere die Zerstörung ländlicher Lebensräume durch Intensivierung der Landwirtschaft, der Bau von immer mehr Straßen und die oft rücksichtslose Stadtentwicklung führt zu diesem gefährlichen Rückgang des westeuropäischen Igels", heißt es in dem Bericht der IUCN. Das gestörte Gleichgewicht zwischen Urbanisierung und Intensivierung der Landwirtschaft auf der einen Seite und dringend benötigten natürlichen Ressourcen und Lebensraum für Tiere gehe auch zu Lasten des Igels.
Besonders zwei modische Entwicklungen für den heimischen Garten setzen dem stachligen Freund erheblich zu. Da ist zum einen der Trend zum Steingarten, der dem Igel wertvolle Rastplätze und Wege nimmt. Auf versiegelten Flächen und in Schottergärten finden die Tiere keine Nahrung und keine Verstecke mehr vor natürlichen Feinden.
Zweiter Trend: Die zunehmende Zahl von elektronischen Rasenmähern wird für viele Tiere zur tödlichen Falle. Kaum eines der Geräte ist nach Untersuchungen des TÜVs in der Lage, große Igel zu erkennen und zu umfahren, wenn diese sich zum Schutz „einigeln“. Denn so reagieren die Igel nun einmal auf Gefahren, die sie offenbar auch beim Treffen mit den elektronischen Rasenmähern wittern. Bei kleineren Igeln kam es dann immer zum Kontakt – bei 14 von 19 untersuchten Rasenmährobotern sogar zur tödlichen Begegnung mit der Maschine: Schnittwunden, abgetrennte Gliedmaßen, vollständige Freilegung der Bauchregion oder sogar Enthauptung sind die Folgen. Tier- oder Igelschutz mangelhaft, könnte man sagen.
Auch immer mehr Bäume sind bedroht
Ein schwacher Trost ist es denn auch nur, dass es anderen Tieren und Pflanzen noch schlechter geht als dem Igel. Denn laut aktuellem Ranking liegt der Igel auf der Stufe „Potenziell gefährdet“. Das ist Rang zwei der siebenstufigen Skala, die die IUCN für die Beurteilung der Gefährdung verwendet. Die Skala reicht von „nicht gefährdet“ bis „ausgestorben“. Die Rote Liste umfasst inzwischen mehr als 166.000 Tier- und Pflanzenarten, von denen gut 46.000 bedroht sind.
Besonders hart trifft es laut neuestem Bericht die Bäume. Der Raubbau an Wäldern und natürlichen Flächen durch Städtebau und den Klimawandel habe dazu geführt, dass auf den Inseln in Asien über die Hälfte der Baumarten gefährdet seien. Und sterben erst die Bäume, dann dauere es nicht mehr lange, bis das ganze Ökosystem mit in Gefahr gerate.
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