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AutorenbildJost Springensguth

Unsägliche Politikerattacken und Weichenstellung auf einem Parteitag – Die SPD und ihre Antworten auf jagdliche Prüfsteine

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche


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Liebe Leserinnen und Leser,


für diese Woche ist es schon eine Herausforderung, die bedeutenden Ereignisse bewertend in einem Text zusammenzubringen. Das bezieht sich auch darauf, relevante Debatten und Beschlüsse zu den uns nahe liegenden Themen herauszuheben und zu bewerten. Da hat sich mit Ausnahme einer umstrittenen Stellungnahme der SPD vor der Europawahl zur Jagdpolitik (s.u.) weiter wenig Nennenswertes mit Blick auf die Strukturen des ländlichen Raumes ereignet. Das, was sich im Wald tut und getan wird, haben wir bereits zum 1. Mai in unserem Blog beschrieben. Zu Beginn der kommenden Woche werden wir noch einmal auf die kontrovers geführte und anhaltende Debatte um die Nutzung unseres wichtigsten nachwachsenden Rohstoffes, des Holzes, eingehen. Auch das wird uns noch länger beschäftigen.


Der allgemeine politische Blick auf die letzten Tage muss zunächst die unsäglichen Überfälle und Attacken auf demokratische Politiker und Wahlkampfhelfer erfassen. Plakate kleben oder Straßenwahlkampf unter Polizeischutz? Das kann es nicht sein. Und schwere körperliche Angriffe auf Politiker wie jetzt auch auf Franziska Giffey wirken nach den Dresdener Attacken und den immer wieder gemeldeten Angriffen auf Kommunalpolitiker eskalierend. Das fordert die Innen- und Sicherheitspolitik heraus, wobei sich der Justizminister in Berlin zurückhaltend zeigt, Gesetze zu ändern und das Strafmaß zu erhöhen. Dagegen kommen aus den Ländern Stimmen, das Strafgesetzbuch zu erweitern, um Amts- und Mandatsträger stärker rechtlich zu schützen. Jedenfalls meint der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung: „Wir sind viel zu lasch und luschig.“ Er bezieht das auf seine selbst erlebte Quote zwischen Anzeigen und Urteilen: 50:2.


Im Mittelpunkt der politischen Woche stand natürlich der CDU-Parteitag mit Vorstandswahlen, einem neuen Grundsatzprogramm und Kampagnenauftakt zur Europawahl. Dazwischen, so hört man, wurde als teambildende Maßnahme auch kräftig gefeiert. Zusammengefasst hat sich die große Unionsschwester gefestigt, um auch den Umfragedeckel bei 30 Prozent dauerhaft nach oben zu durchbrechen. Sie hat sich in eine erneute Aufstellung in die Startblöcke zur Kanzlerpartei begeben.


Frei von Unfällen und Nachlässigkeiten“


Und das mit Friedrich Merz, der zusammen mit seinem Generalsekretär Carsten Linnemann das Bild einer CDU mit veränderten, der Zeit angepassten und neu formulierten Grundsätzen demonstrativ nach außen trägt. Die 1001 Delegierten folgten ihrem mit fast 90 Prozent wiedergewählten Vorsitzenden, dem bisher manchmal nachgesagt wurde, integrierende Wirkung gehöre eben nicht zu seinen Stärken. Das hat sich wohl geändert. Die vor dem Konvent in Berlin immer wieder zu vernehmenden nostalgischen Stimmen mit inhaltlichen Erinnerungen an die letzte Kanzlerinnenära sind leiser geworden. Und das gilt auch für die Töne, die vorher aus Düsseldorf, Kiel und natürlich München Merz verstimmt haben. Selbst kritische Beobachter der Union attestieren ihm letztendlich ein überzeugendes Ergebnis, und die ihm nicht gerade nahestehende Süddeutsche Zeitung wertet seine Rede „frei von Unfällen und Fahrlässigkeiten“. Das ist der Unterschied zwischen Distanz und Nähe: Die CDU-Delegierten feierten ihn mit Applaus in Parteitags-Rekordlänge.


Auch die scharfe Kritik von Merz an den Ampelparteien trübt nicht den Blick auf mögliche eigene spätere Regierungsmehrheiten. Schwarz-grüne Blaupausen aus einigen Ländern sind inhaltlich nicht eins-zu-eins nach Berlin übertragbar. Kernthemen wie Wirtschaft, Finanzen, Soziales und Klimapolitik unter Einschluss ihrer Auswirkungen auf die ländlichen Räume bleiben zwischen Union und dem nach der Koalitionsvereinbarung sogenannten „Fortschrittsbündnis“ unverändert scharf kontrovers.


Beim Grundsatzprogramm gab es regen Diskussionsbedarf im Detail – wohlwissend, dass Parteiprogramme steinige Wege zur Realisierung vor sich haben. Gleichwohl picke ich hier eine von den Delegierten beschlossene Initiative aus Niedersachsen und Westfalen heraus: Der Artikel 20a des Grundgesetzes, der den Staat zum Klimaschutz verpflichtet, soll danach bei dem Ziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen um den Begriff der Ernährungssicherheit ergänzt werden. Das ist eine Nuance, um die es im Zweifel für spätere Generationen existenziell werden könnte.


Die Rechnung der Metropol-These geht kaum noch auf


Wie schon auf dem jüngsten CSU-Parteitag spielte der ländliche Raum jetzt auch bei der nördlichen Schwesterpartei in Redeminuten eine Nebenrolle. Als es noch um satte Mehrheiten für die Union ging, florierte die These, dass Alleinregierungen in greifbare Nähe rücken (und in Bayern verteidigt werden), wenn es gelänge, das Großstadt-Publikum zu gewinnen. Bei Edmund Stoiber, einem Vordenker der Metropol-These, schien die Rechnung noch aufzugehen. Danach kamen Politiker-Generationen, für die das nicht mehr gelten kann. In Bayern sorgen die Freien Wähler dafür, dass die AfD-Allmachtträume Fantasie bleiben. Worüber Söder nicht gern redet und worauf die CDU in ihrem „Verbreitungsgebiet“ nicht bauen kann.


Wahlplakat der PARTEI zur Europawahl

Noch ein paar Bemerkungen zur Europawahl. Da war auch der Auftritt der Kommissionspräsidentin und EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen mit der Kernaussage für die bürgerlichen Parteien: „Wir stehen für ein Europa der Vernunft.“ 


Das kann man sich nur verstärkt wünschen, wenn man hierzulande über die ersten Plakate der Exoten oder nach der Schmarotzerpflanze benannten Orchideenparteien stolpert. In Deutschland fallen sie unter keine Sperrklausel und haben mit 0,5-Prozent der Stimmen wenigstens einen Sitz. Sie kommen mit abenteuerlichen Slogans daher, wie man bei dem sogenannten Satiriker Sonneborn erschreckend feststellen muss. Da sind auch Dümmlichkeiten wie „SUV anzünden“ mit dem Zusatz in Minischrift „ist eine Straftat“. Oder bei anderen „Wo willst Du in 800 Jahren leben“ (Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung) bzw. „Sei kein Arschloch“ (Volt). Wer so einen Platz im EU-Parlament erreicht, bewegt nichts, kassiert aber Diäten von monatlich 7.853,89 EUR netto nach Abzug von EU-Steuern und Versicherungsbeiträgen. Dazu gibt es die Pauschalen wie Tagegelder und kostenfreie Bildung für Abgeordnetenkinder auf der Europaschule in Brüssel. Sonneborn gilt mit seinem Geschäftsmodell MdEP übrigens in Brüssel als einer der faulsten Abgeordneten, der abwechselnd mit ja und nein stimmen wollte, das dann aber bei Russland-Voten als ausgewiesener Putin-Freund nicht durchhielt. Vielleicht sollten auch Verfassungsrichter noch einmal ihre Haltung zum Wegfall von Sperrklauseln überprüfen.


Widersprüchliche Position der SPD zum Wolf


Ein anderes Ärgernis zur Europawahl bescherte in dieser Woche die SPD mit ihren Antworten auf jagdliche Prüfsteine. Zum Thema Wolf hält sie den Herdenschutz für das „alleinige Mittel zur Schadensprävention“. Mit der Antwort werden damit nach Auffassung des Deutschen Jagdverbandes (DJV) Forderungen auch aus den eigenen Reihen der SPD in Regionen konterkariert, die von der Ausbreitung des Wolfes besonders betroffen sind. Dazu stehe diese Position in starkem Gegensatz zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz 2023 und dem im Koalitionsvertrag auf Bundesebene festgeschriebenen Regierungsauftrag. Danach soll ein regional differenziertes Bestandsmanagement eingeführt werden. Und in einem weiteren Punkt lehnt die SPD die Bau- und Fallenjagd komplett ab, obwohl jegliche wissenschaftliche Grundlage dazu fehle. Ein Verbot der Fangjagd würde z.B. den Hochwasserschutz unmöglich machen. Beispiel: Die invasive Nutria breitet sich weiter aus und unterhöhlt großflächig Deichanlagen an Flüssen sowie am Meer. Sie gefährdet damit die Sicherheit von mehr als einer Million Menschen allein an den deutschen Küsten. Jeder Kundige weiß: Da hilft nur die Fallenjagd.


Nun noch eine kleine Bemerkung zu Freuden der Jagd. Im Osnabrücker Land hat ein Jagdfreund ein kleines Jubiläum als Anlass zum Feiern und Spenden genommen: Das (nicht offizielle) goldene Jubiläum „50 Jahre Jagdschein gelöst“ führte zur Einladung einer größeren und fröhlichen Runde. Vorher bat der Jubilar darum, eine Anlassspende zugunsten unserer Stiftung aufzulegen. Das könnte doch Schule machen. „natur+mensch“ finanziert ihre Projekte zum Thema Wald + Wild, zur Naturpädagogik und zur Öffentlichkeitsarbeit auf diesem Wege. Daran sei einmal in eigener Sache erinnert! Fundraising gehört zur Arbeit der Stiftung.


Was bei uns neu ist


Und noch ein Hinweis zu unserem Blog: Seit dem 8. Mai haben wir „natur+mensch“ technisch und optisch aufgefrischt. Dank der immer weiter zunehmenden Reichweite (zurzeit monatlich weit über 50.000 Nutzer) haben wir uns für einen Wechsel zu einer Plattform entschieden, die mit ihrer intuitiven Technologie besonders benutzerfreundliche Webseiten ermöglicht. Vor allem auf mobilen Geräten – egal ob Tablet oder Smartphone – lassen sich die Inhalte schnell laden und sehen modern aus. Für unsere langjährigen Nutzer ändert sich nichts. Besuchen Sie unseren Blog weiterhin über die Ihnen bekannte Webadresse www.blog-natur-und-mensch.de Sie werden feststellen, dass Sie – abgesehen von einem frischen Design – wie gewohnt direkt auf die aktuellen journalistischen Beiträge geleitet werden. Auch auf unserer neuen Webseite können Sie mit einem Knopfdruck den Artikel Ihrer Wahl in den sozialen Netzwerken teilen oder ihn sich ausdrucken lassen. Unsere neue Webseite ermöglicht es uns zudem, Ihnen eine noch komfortablere Vorlesefunktion all unserer Artikel anzubieten.


Bei der Menüstruktur unserer Webseite bleibt alles beim Alten. Informieren Sie sich gerne „Über uns“, erfahren Sie mehr über unsere Autoren oder treten Sie direkt mit uns in Kontakt.


Zum Schluss: Aus aktuellem Anlass schreibt das Institut für Demoskopie Allensbach etwas zum Muttertag zu Ehren derjenigen, die „den Haushalt schmeißen und Kinder erziehen“. Die Forscher erinnern daran, dass Deutschland noch weit davon entfernt sei, den Alltag zwischen Vätern und Müttern annähernd gleich aufzuteilen und in diesem Sinne partnerschaftlich zu gestalten. „In der elterlichen Arbeit wenden Mütter täglich 3 Stunden und 48 Minuten für die genannten Aktivtäten auf, Väter 2 Stunden und 11 Minuten.“


Damit wissen wir jetzt minutengenau, wer im Haushalt was tut. Dabei befinde sich die „Müttererwerbstätigkeit“ aktuell auf einem Höchststand.


Mit dieser Erkenntnis und ausgeruht vom Feiertag wünsche ich Ihnen ein schönes Frühlingswochenende.

Ihr Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination

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