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AutorenbildChristoph Boll

Waffenrechtsänderung: Aus Fehlern nichts gelernt

Bundesinnenministerin Nancy Faeser wollte das Waffenrecht mit aller Macht ändern. Trotz massiver Bedenken vieler Fachleute


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Quelle: Dorn/DJV

Seit gut zwei Wochen ist die umstrittene Gesetzesnovelle zum Waffengesetz in Kraft – und bringt offenbar erhebliche Vollzugsprobleme. Der Deutsche Jagdverband (DJV) spricht von einem „Chaos bei den Waffenbehörden“. Ursache sei die überstürzt geänderte Prüfung von waffenrechtlicher Zuverlässigkeit und persönlicher Eignung. Das führe „derzeit bundesweit zu massiven Schwierigkeiten bei der Erteilung von Jagdscheinen und waffenrechtlichen Erlaubnissen“, die auch dem Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VDB) sauer aufstoßen.


Unklar ist wohl, wie die zusätzlichen Zuverlässigkeitsanfragen bearbeitet werden sollen. Der VDB hat bei den Waffenbehörden in allen Bundesländern erfragt, wie sie sich verhalten. Ergebnis: Knapp 40 Prozent „machen (…) erstmal nichts“, will sagen: Es werden Anträge einfach nicht bearbeitet und somit keine Erlaubnisse erteilt. Betroffen sind Jäger und Sportschützen ebenso wie jeder Bürger, der den sogenannten kleinen Waffenschein erwerben möchte, der Volljährige berechtigt, Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen (PTB-Waffen) außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume und des befriedeten Besitztums zu führen.


Hintergrund der Probleme ist die Neuregelung, dass nun auch die Bundespolizeibehörde, das Zollkriminalamt und die Polizeidienststellen, die in den letzten zehn Jahre für den Antragsteller zuständig waren, in die Abfragen einbezogen werden. Damit begründet auch der niedersächsische Landkreis Harburg auf seiner Internetseite sein Vorgehen: „Gleichzeitig wurde aber noch nicht festgelegt, wie diese Behörden die nun gesetzlich verpflichtend vorgeschriebenen Zuverlässigkeitsanfragen der Waffenbehörden – in Niedersachsen sind das die Landkreise – bearbeiten sollen.“ Außerdem werden mehr Behörden nachberichtspflichtig, müssen also beim Vorliegen von Erkenntnissen umgehend die Waffenbehörden informieren. Die Informationen müssen zudem so aufbereitet sein, dass die Waffenbehörde konkrete und verwertbare Erkenntnisse erhält.


Von Beginn an gab es massive Kritik an den waffenrechtlichen Regelungen des sogenannten Sicherheitspaketes. Vertreter fast aller Bundestagsfraktionen, vor allem aber zahlreiche namhafte Experten waren sich einig, dass die Gesetzesänderung nicht das bringt, was sie verspricht, nämlich mehr Sicherheit und Schutz der Bevölkerung vor extremistischen und kriminellen Gewalttaten. Besonders deutlich wurde das bei der Anhörung im Innenausschuss des Parlaments. Dabei ist nach Einschätzung des VDB auch deutlich geworden, „dass hier eine Vereinfachung der Strukturen möglich gewesen wäre, um bürokratische Hürden und unnötige Mehrarbeit abzubauen“. Derzeit gebe es durch die Kombination aus regelmäßigen Zuverlässigkeitsprüfungen und der Nachberichtspflicht beständig doppelte Abfragen – in Millionenhöhe pro Jahr. Anstatt einer Entlastung stelle diese Ausweitung eine weitere bürokratische Belastung dar, die die Prozesse verlangsame.


Fehlende digitale Vernetzung


Eigentlich hätte SPD-Ministerin Faeser wissen können, wie nötig es ist, vor der Rechtsnovelle eine digitale Vernetzung aller beteiligten Behörden zu schaffen. Weil das nicht erfolgt war, gab es bereits bei Einführung der Verfassungsschutzabfrage im Jahr 2020 deutliche Verzögerungen bei der Antragstellung einer waffenrechtlichen Erlaubnis. Insofern kann man auch sagen: Aus Fehlern nichts gelernt. Der DJV hatte im Gesetzgebungsverfahren auf die zu erwartenden Schwierigkeiten hingewiesen und gefordert, Änderungen erst dann in Kraft treten zu lassen, wenn in der Verwaltung die Voraussetzungen für eine zügige, möglichst automatisierte Abfrage geschaffen sind. „Das Chaos bei der Zuverlässigkeitsprüfung war vorhersehbar“, kommentiert deshalb auch DJV-Geschäftsführer Olaf Niestroj die jetzige Situation.


In einem Protestschreiben fordert der Verband die Bundesinnenministerin auf, unverzüglich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Jagdscheine und waffenrechtliche Erlaubnisse bundesweit wieder zeitnah in der üblichen Frist von zwei bis vier Wochen erteilt werden. In der Zwischenzeit müssten die Behörden die Erlaubnisse vorübergehend nach dem bisherigen Verfahren prüfen, fordert der DJV. Denn verspätet erteilte Jagdscheine können für Jäger massive Auswirkungen haben: Pächtern droht der Verlust ihres Jagdreviers, und ohne Jagdschein entfällt das Bedürfnis für den Besitz von Waffen.


Der DJV weist außerdem darauf hin, dass die Waffenbehörden schon jetzt ausreichend Abfragemöglichkeiten und sogar die Pflicht haben, waffenrechtliche Erlaubnisse sofort zurückzunehmen, wenn sich herausstellt, dass diese nicht hätten erteilt werden dürfen. Die Behörden könnten also nach der Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis die bislang nicht mögliche Prüfung fortsetzen und bei negativem Ausgang die Erlaubnis zurücknehmen. Der Verband betont darüber hinaus, dass es sich bei der Jagdscheinerteilung und der waffenrechtlichen Überprüfung um zwei unterschiedliche Prüfungen handelt. Bislang haben in vielen Bundesländern die Jagdbehörden die waffenrechtliche Zuverlässigkeit eigenständig geprüft. Dies muss nach Ansicht des DJV auch weiterhin möglich sein – gerade, wenn sich Waffenbehörden zu Zuverlässigkeit und persönlicher Eignung auf Grund fehlender Verwaltungsabläufe gar nicht äußern. Dies haben auch die gerade auf dem Deutschen Jagdrechtstag in Sundern (NRW) geführten Expertendiskussionen gezeigt.

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