Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche
Liebe Leserinnen und Leser,
eine politisch unruhige Woche liegt hinter uns. Der Grund dafür ist Thüringen, genauer gesagt das Ergebnis der dortigen Kommunalwahlen. Denn was am vergangenen Sonntag in dem ostdeutschen Bundesland geschah, ist ein wichtiger Fingerzeig in Richtung der in diesem Jahr noch bevorstehenden Wahlen auf Länder- und EU-Ebene. Dabei bewegt vor allem die Frage, ob die Erfolgswelle der Rechtsextremisten und Rechtspopulisten endlich unterbrochen oder gar beendet werden kann.
Gewiss, in Thüringen wurde „nur“ auf kommunaler Ebene gewählt, wo naturgemäß lokale und persönliche Befindlichkeiten eine größere Rolle als nationale Aspekte oder Parteiprogramme spielen. Insofern lassen sich die jüngsten Ergebnisse nicht ohne weiteres auf Landes-, Bundes oder gar EU-Ebene übertragen. Und dennoch: Es zeigt sich, dass die AfD trotz aller Affären und Skandale eher stärker als schwächer dasteht. Es gab zwar nicht den von einigen befürchteten Durchmarsch der Rechtsextremisten in kommunale Spitzenämter. Aber das ist nur ein schwacher Trost. Denn im Vergleich zu den vorherigen Kommunalwahlen in Thüringen hat die AfD viele Sitze in Kommunal- und Kreisvertretungen dazugewonnen. Das muss den anderen, demokratischen Parteien zu denken geben. Für Selbstzufriedenheit gibt es in deren Reihen keinen Grund.
Spionagevorwürfe haben kaum geschadet
Der AfD in Thüringen hat es kaum geschadet, dass sie und ihr Landesvorsitzender vom Verfassungsschutz wegen rechtsextremistischer Umtriebe observiert werden. Auch Spionagevorwürfe und Handlangertätigkeiten für ausländische Diktaturen wie China und Russland werden offensichtlich von vielen Wählern verdrängt oder gar achselzuckend hingenommen. Das ist in höchstem Maße besorgniserregend. Denn unter normalen Umständen hätte eine derart diskreditierte Partei ein Debakel an den Wahlurnen erleben müssen. Doch das hat es in Thüringen nicht gegeben. Umso engagierter sollten sich die anderen, demokratischen Parteien auf die nächsten Urnengänge vorbereiten und noch stärker und offener das Gespräch auch mit kritischen Bürgern suchen.
Klar ist: Die Kluft zwischen Regierenden und Regierten muss deutlich verringert werden. Dies gilt nicht zuletzt für den ländlichen Raum, wie sich jetzt in Thüringen einmal mehr gezeigt hat. Zu Recht heißt es in einem Kommentar der Badischen Zeitung zum Ausgang der jüngsten Kommunalwahlen, dass vor allem im peripheren ländlichen Raum das Gefühl verbreitet sei, von der Politik in Erfurt oder einer anderen Landeshauptstadt und Berlin seit Jahren nicht mehr wahrgenommen zu werden: „Denen da oben sind wir egal, ist eine verbreitete Klage. Völkisch abgewandelt lautet sie, es sei Zeit, sich jetzt auch mal um die Deutschen zu kümmern.“ Dieser Teufelskreis aus Frustration und Stärkung der radikalen Kräfte muss durchbrochen werden – im ländlichen Raum und in der Republik insgesamt.
Auch in dieser Woche hat der russische Angriff auf die Ukraine für viele Schlagzeilen gesorgt. Die Menschen im Kriegsgebiet haben Schlimmes durchzumachen. Doch auch die Tierwelt ist von den Kämpfen stark betroffen. So berichtete jetzt ein Wissenschaftler in der Süddeutschen Zeitung, dass etwa die Zahl der getöteten Delfine auf 50.000 geschätzt werde.
Die Tiere seien durch Seeminen getötet worden oder hätten durch die Sonare der russischen Kriegsschiffe die Orientierung verloren. Auch Zugvögel sind von den Kämpfen betroffen. Selbst große Schwärme aus Tausenden von Watvögeln hätten im Februar 2022 auf ihrem Weg von Afrika zurück in die nord- und osteuropäischen Brutgebiete die Region fluchtartig verlassen, heißt unter Berufung auf wissenschaftliche Erkenntnisse in dem Artikel mit der bezeichnenden Überschrift „Glücklicherweise können Vögel diesen Horror nicht verstehen!“
Adler müssen ausweichen
Schelladler, von denen es nur noch wenige hundert Exemplare in Europa gibt, sind nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ebenfalls zusätzlich gefährdet. Wegen der Kriegshandlungen weichen sie auf dem Rückweg aus ihren Überwinterungsgebieten im Nahen Osten und in Südosteuropa häufig von ihrem üblichen Kurs nach Belarus ab. Sie machen weniger Pausen in Gebieten, die sie sonst besonders gerne aufgesucht hatten, um ungestört Nahrung zu suchen und sich zu erholen. Für die Passage in rund 350 Metern Höhe über die Ukraine brauchen sie deshalb gut zwei Tage länger als üblich. Durch diesen zusätzlichen Stress befürchten Forscher eine größere Sterblichkeit der Altvögel und einen geringeren Bruterfolg im Folgejahr.
In Deutschland spitzen sich derweil die Auseinandersetzungen um geplante Novellen von Landesjagdgesetzen zu, so etwa in Brandenburg und in Rheinland-Pfalz. Siehe dazu auch jüngst den Beitrag „Neuer Anlauf gegen das Jagdrecht“ unseres Autors Michael Lehner.
„Nach fünf Jahren Amtszeit von Minister Vogel müssen wir feststellen, dass das Verhältnis zu einem Großteil der Landnutzer zerrüttet ist.“ Brandenburgs CDU-Fraktionsvorsitzender Jan Redmann
So hat jetzt in Brandenburg der grüne Landwirtschaftsminister Axel Vogel gegen den Willen aller Beteiligten aus dem ländlichen Raum eine heftig kritisierte Durchführungsverordnung zum Jagdgesetz zum 1. Juni in Kraft gesetzt. Die kommunalen Spitzenverbände sowie der Landesjagdbeirat und auch die Koalitionspartner CDU und SPD kritisierten die Bestimmungen scharf. Dazu gehört etwa die Herausnahme von Nutria und Bisam aus dem Jagdrecht und eine Sommerschonzeit für wiederkäuendes Schalenwild. Der Landesjagdverband forderte den Ministerpräsidenten auf, die Verordnung unverzüglich zurücknehmen zu lassen und den „demokratiefeindlichen Umgang des grünen Landwirtschaftsministeriums sofort zu stoppen. Die wiederholte ignorante und die ideologiegetriebene Arbeitsweise des grünen Ministers muss beendet werden“, so Dr. Dirk-Henner Wellershoff, Präsident des Landesjagdverbandes Brandenburg (LJVB). Und auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Jan Redmann übte massive Kritik. „Nach fünf Jahren Amtszeit von Minister Vogel müssen wir feststellen, dass das Verhältnis zu einem Großteil der Landnutzer zerrüttet ist“, sagte Redmann. Es sei Vogel nicht gelungen, einen verlässlichen Dialog mit den Landnutzern zu installieren. Mit zwei gescheiterten Jagdgesetzentwürfen, aber auch bei den Themen Düngemittel und Pflanzenschutz habe der Minister viel Vertrauen verspielt. Die neue Verordnung „entspricht in wesentlichen Punkten nicht dem, was wir im Koalitionsausschuss besprochen haben“, erkärte Redmann weiter.
Auch Berufsjäger machen mobil
Auch in Rheinland-Pfalz gibt es heftigen Unmut in der Jägerschaft. So hat kürzlich der Bundesverband Deutscher Berufsjäger (BDB) in einer großen regionalen Zeitungsanzeige erklärt, es sei nicht nachvollziehbar, dass Teile der rheinland-pfälzischen Landesregierung um die grüne Ministerin Eder seit Jahrzehnten Bewährtes mit einem neuen Jagdgesetz über Bord werfen wollen. Als Ersatz werden unter anderem mehr Hightech gegen Wildtiere, keine angemessenen Ruhe- und Schonzeiten für Wild, Totalabschüsse bei hohen Strafandrohungen und zentralistische Verwaltung mit wachsender Bürokratie erörtert. „Jäger sind keine Schädlingsbekämpfer!“, heißt es in der Anzeige der Berufsjäger. Man fordere wissensbasiertes Handeln und keinen ideologischen Umgang mit unseren Wildtieren.
Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Anmerkung in eigener Sache und den Hinweis auf einen Spendenaufruf unserer Stiftung natur+mensch, den Sie ebenfalls per E-Mail erhalten haben. Neben den traditionellen Projekten als Jägerstiftung veröffentlicht sie den Blog www.blog-natur-und-mensch.de und diese Kolumne als wöchentlichen E-Mail-Newsletter, der für die Nutzer kostenfrei ist. Unser Team als „Stimme aus der Jagd für den ländlichen Raum“ besteht aus professionellen Autoren und – zur Reichweitenoptimierung – aus Medienfachleuten. Wir erreichen unter der Marke „natur+mensch“ in diesem Blog und auf den Social-Media-Kanälen zurzeit monatlich mehr als 60.000 Nutzer. Unser Ziel sind 100.000. Dabei geht es darum, die gesellschaftliche Rolle der Jagd in ihrem Umfeld zu verdeutlichen. Ländlich verortete Unternehmen und Verbände wie im „Forum Natur“ sind unsere natürlichen Bündnispartner. Mit jeder Spende an die Jägerstiftung natur+mensch können Sie dazu beitragen, dass weiter und noch mehr breite Wirkung für unsere Anliegen entfaltet wird …
Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen
Ihr Jürgen Wermser
Redaktionsleitung/Koordination
Comments