Wahlkampfendspurt: Medien, Meinungsbilder und der vergessene ländliche Raum
- Jost Springensguth
- 15. Feb.
- 5 Min. Lesezeit
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

Liebe Leserin, lieber Leser,
der Wahlkampf geht in seine letzte Woche. Wir nehmen im nachfolgenden Text dieser Wochenkolumne die massiven TV-Aktivitäten dazu in den Blick. Durchgängig hohe Einschaltquoten belegen das hohe Interesse der Menschen. Trotz aller gesehener und transportierter Aufregungen verändert sich zum Schluss das Meinungsbild in der Wählerschaft wenig. Am Ende dieser Kolumne weisen wir auf ein Beispiel hin, wie die Jägerschaft auch mit Material der Stiftung „natur+mensch“ zu Lernort-Exkursionen in Feld und Wald anregt.
Über mangelnde Direkt- und Indirektinformationen im laufenden Wahlkampf können wir uns nicht beklagen. Da sind erst einmal die populären TV-Sendungen, die Millionen vor die Schirme bringen. Das begann mit der ZDF-Sendung „Wie geht's Deutschland“, bei der die Spitzenpolitiker aller im Bundestag vertretenen Parteien zu Wort kamen und die sich 3,18 Millionen angesehen haben. Dann kam der „Schlagabtausch im ZDF“ mit den „kleineren“ Parteien mit nur etwas weniger Publikum, dafür mit ziemlichem Ärger für den Sender zum Thema Ausgewogenheit. Spitze war dann das direkte Duell Scholz-Merz in ARD, ZDF und angegliederten Spartenkanälen mit über zwölf Millionen. Und am Donnerstag waren dann die vier von ihren Parteien aufgestellten Kanzlerkandidaten hintereinander mit Antworten auf wenige Zuschauerfragen zu sehen. Da saßen circa fünf Millionen vor den Fernsehschirmen.
Das war insgesamt schon ein beachtliches Echo. Dabei fällt auf, dass sich große Veränderungen bei den laufenden Wahlprognosen nicht ergeben. Nach dem ZDF-Politbarometer und dem ARD-Deutschlandtrend gibt es nur leichte Bewegungen. Für Scholz bleibt die erhoffte Aufholjagd aus und Merz bewegt sich trotz aller Aufregungen um das Thema Brandmauer stabil über 30 Prozent in Richtung Kanzleramt – mit wem auch immer. Es kommt natürlich darauf an, was am Ende die Wählerinnen und Wähler sagen.
Verengtes Themenspektrum
Insgesamt sind es knapp zehn große Sendungen, in denen die Spitzen der Parteien bzw. die vier Kanzlerkandidat(inn)en aufeinandertreffen. Dazu kommen die rituellen allwöchentlichen Talkshows von Sonntag (Miosga) über Klamroth, Maischberger, Lanz bis Donnerstag (Illner). Sie gleichen sich mit den Spitzen aus der Politik in einem: In Fragen und Antworten drehen sich die Inhalte um weniger als eine Handvoll Themenkomplexe mit Migration, Sicherheit und Wirtschaft.
Der erfahrene Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner erkennt gar eine dreifache Wechselstimmung: „Schluss mit Scholz“, „Die Wähler wollen eine ‚neue Wirtschaft‘“ und „Zuwanderung sollte geregelt, finanziell verkraftbar, von uns bestimmbar und gerecht ablaufen“.
Wir versuchen, uns mit unserem Blog und unseren Themen dazwischen zu mogeln, um das wieder in die Debatte zu ziehen, was auch viele Menschen bei uns bewegt. Das ist die Mehrheit derer, die auf dem Lande leben und arbeiten und sich meist in den Dörfern und Städten am Ende der Wirkungskette von Migration und Wirtschaft sehen.
Was sich in den Netzen so abspielt
Schauen wir einmal in das viel gelobte Portal „Wahl-O-Mat“, wo wir nahezu spielerisch mobil und digital abfragen können, welche Parteien zu welchen meiner Fragen Aussagen anbieten. Am Ende kommt dann dabei raus, welche Parteien mir nach meinen angekreuzten Positionen nach dem Prinzip „schwarz-weiß“ in Summe am meisten entsprechen. Der Haken an der Sache: Es gibt nur Antworten auf die Thesen, die angeboten werden. Und diese umfassen die begrenzte Zahl von 38 Aussagen, die in der Auswahl vielleicht dem Popularitätsschema bzw. Ranking der gängigen politischen Themen in diesen Wochen entsprechen. Aber nicht der Vielschichtigkeit unserer politischen Agenda in ihrer Breite. Beispiel: Wenn ich Parteipositionen dazu abfrage, was mich für den ländlichen Raum interessiert, kommt lediglich als 18. der 38 Thesen „Ökologische Landwirtschaft soll stärker gefördert werden als die konventionelle Landwirtschaft“ vor. Das war's dann für den ländlichen Raum.
Dann haben wir noch das weite Feld der sogenannten sozialen Medien, wo keiner mehr unterscheiden kann, was richtig und was unwahr ist – um den am treffendsten Trump zuzuordnenden Begriff „Fake“ zu vermeiden. Bleiben wir allein bei den laut unseres Verfassungsschutzes russischen Quellen zuzuordnenden Desinformationskampagnen mit Lügen und Verzerrungen. Wir sollten sie wenigstens erkennen können.
Wo bleiben die Stimmen vom Lande und bayerische Antworten darauf
Wo bleiben die Stimmen vom Lande? Besonders wahrnehmbar sind sie im Süden. Von Bayern aus kandidiert der „gelernte Landwirt“ Hubert Aiwanger, Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident, für den Bundestag. Er führt die Freien Wähler (FW) nicht nur als Vorsitzender, sondern versucht, seine Partei, die eher eine Bewegung ist, im Bund auszurollen. Die Prognosen sind nicht so gut, sodass sich dort in Bayern Söder wohl weiter mit Aiwanger arrangieren muss. Das Kapitel „Landwirtschaft für Deutschland“ im FW-Programm hat die zentrale Aussage: „Die familiengeführte, bäuerliche Landwirtschaft ist für uns Grundvoraussetzung für einen lebensfähigen und lebenswerten ländlichen Raum.“ Weiter steht dort unter anderem, das bodengebundene Jagdrecht zu erhalten, die Waldbewirtschaftung vor Überregulierung zu schützen, die Abwanderung der Tierhaltung zu verhindern und die Wolfspopulation zu reduzieren. Nur sieht alles allerdings danach aus, dass die Stimmen dafür weit unter fünf Prozent bleiben und damit die wohlmeinenden Worte wirkungslos bleiben.
Die vorgezogene Besetzung eines Agrarministeriums
Aiwanger muss Söder auf den Plan gerufen haben, selbst von Bayern aus Akzente für den ländlichen Raum auf ungewöhnliche Art zu setzen. Der Ministerpräsident nahm schon eine Besetzung für das Landwirtschaftsressort in Berlin vor, bevor gewählt wurde, geschweige denn eine Koalitionsbildung sich abzeichnet. Der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner, CSU-Kandidat und von Söder designierter Bundesagrarminister, geht abseits der vielzitierten Mainstream-Themen im Wahlkampf auch schon ins Detail einer Politik für den ländlichen Raum. Auf Wahlkampfveranstaltungen wird er als „Spitzenkandidat für die Landwirtschaft“ begrüßt. Er soll dafür sorgen, dass die Bauern keine anderen Parteien wählen müssen. Gemeint sind vor allem AfD und Freie Wähler.
Welche Rolle der ländliche Raum in unserer Gesellschaft spielt, verdeutlicht der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband mit seinem Präsidenten Hubertus Beringmeier: „Über die Hälfte der Menschen in Deutschland lebt in ländlichen Regionen.“ Das ist übrigens auch die Motivation der Stiftung „natur+mensch“, die diesen Blog mit wöchentlichem Newsletter herausgibt, sich auf diese Themen zu fokussieren. Sie stehen zurzeit wenig sichtbar auf der Agenda.
Die Natur den Kindern nahebringen
Und dann gibt es noch meinen Hinweis auf eine der Aktivitäten unserer Stiftung „natur+mensch“: Im Rahmen der DJV-Initiative Lernort Natur engagieren sich seit vielen Jahren Jägerinnen und Jäger ehrenamtlich, um Lehrer(innen) und Erzieher(innen) bei der Vermittlung naturkundlicher Bildungsinhalte zu unterstützen. Zahlreiche mobile und stationäre Waldschulen wurden eingerichtet und vielerorts sind Schulklassen regelmäßig zu Gast in den Revieren der Jäger. Mit dem Lernort-Natur-Rucksack unterstützten wir dieses Engagement. Dabei handelt es sich um eine Materialsammlung, die zusammengestellt wird, damit Exkursionen von Kindern in die Natur vor- und nachbereitet werden können. Der Rotary-Club Wedel hat nun zusammen mit der Kreisjägerschaft Pinneberg sieben Grundschulen mit diesen Rucksäcken ausgestattet. Diese Initiative ist beispielhaft und hilfreich: Denn Studien belegen, dass Kinder immer weniger die Tiere in ihrer Umgebung bestimmen können. Das gilt natürlich auch für Pflanzen und Bäume in Feld und Wald. Hier der Bericht über die Aktion.
Mein Tipp zum Wochenende, liebe Leserinnen und Leser, nutzen Sie doch mal Ihren vielleicht geplanten Ausflug dazu, selbst einmal zu prüfen, was Sie in Fauna und Flora bestimmen können. Vielleicht sogar mit Ihren Kindern und Enkelkindern. In diesem Sinne
Ihr
Jost Springensguth
Redaktionsleitung / Koordination
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