In West-Niedersachsen werden Elektrolyseure zur Produktion von grünem Wasserstoff gebaut. Von hier aus soll auch eine flächendeckende Infrastruktur entstehen, um die Energiewende voranzutreiben
Auf grünen Wasserstoff, klimaneutral produziert aus erneuerbaren Energien, setzen Experten ihre große Hoffnung bei der Energiewende. Denn mit Wasserstoff lässt sich Strom aus Windkraft und Photovoltaikanlagen speichern – und er kann auch dann eingesetzt werden, wenn gerade kein Wind weht und die Sonne nicht scheint.
Mit grünem Wasserstoff soll künftig zum Beispiel das größte deutsche Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg statt mit Kohle betrieben werden, ebenso Chemiefabriken und Raffinerien. Auch als Kraftstoff für Züge, Schiffe oder Müllfahrzeuge ist grüner Wasserstoff vorgesehen. So lassen sich CO2-Emissonen reduzieren. Doch noch ist es nicht so weit. So hat die Europäische Union nach Einschätzung des EU-Rechnungshofs bislang lediglich bescheidene Erfolge erzielt. Derzeit ist die Produktion von Wasserstoff sehr energieintensiv und erheblich teurer als Kohle, Öl und Erdgas.
Produktion in China statt im Münsterland
Benötigt werden dafür besondere Maschinen: Elektrolyseure – Hightech-Geräte, in denen Wasser (H2O) mithilfe von Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. Einer der Hersteller ist das deutsch-italienische Spezialunternehmen Enapter, das eine Serienfertigung in der „Klimakommune“ Saerbeck im Kreis Steinfurt im Münsterland plante. Vorgesehen war, dass in jedem Monat bis zu 10.000 Wasserstoff-Elektrolyseure gebaut werden. Doch aus der Massenproduktion wird nichts, denn Enapter hat sich vor einigen Wochen für den Produktionsstandort China entschieden. Entsprechend groß war die Enttäuschung in der Region, vor allem in Saerbeck und beim Kreis Steinfurt.
Im nördlichen Nachbarkreis Emsland, einer Region ohne Großstadt, aber mit vielen „Hidden Champions“ und technischen Pionieren, ist man dagegen bester Laune: Die Stadt Lingen plant, zum bundesweit größten Standort für Wassertechnik zu werden, gefördert vor allem mit Geldern des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Dafür haben sich Unternehmen, Kommunen und Institutionen zur Initiative „Get H2“ zusammengeschlossen.
Lingen im Emsland als deutsches Wasserstoffzentrum
Die Förderbescheide über 637 Millionen Euro gab es Mitte Juli; auch die Landesregierung in Hannover beteiligt sich. Ziel ist es, vom Südwesten Niedersachsens aus eine flächendeckende Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland zu schaffen. „In Lingen, als deutsches Wasserstoffzentrum, wird die gesamte Wertschöpfungskette von der Erzeugung über die Speicherung, den Transport bis hin zur Nutzung im industriellen Maßstab abgebildet“, freut sich der parteilose Oberbürgermeister Dieter Krone.
Lingen, Standort eines 2023 abgeschalteten Atomkraftwerks, hat eine strategisch günstige Lage: Die Stadt an der Ems liegt zwischen dem Ruhrgebiet und der Nordsee mit den Offshore-Windparks. Das Unternehmen BP will in Lingen im Projekt „Lingen Green Hydrogen“ auf dem Gelände seiner Raffinerie einen 100 MW-Elektrolyseur installieren, der Wasserstoff an Industriekunden in der Region liefert. Und der Konzern RWE plant einen 300 MW-Elektrolyseur zur Produktion von Wasserstoff. Ein weiterer Energieversorger in Westniedersachsen – EWE – baut zwei große Elektrolyseure: eines im ostfriesischen Emden und eines in Bremen, dazu einen Speicher für grünen Wasserstoff in Huntorf bei Elsfleth in der Wesermarsch.
Während von der Deutschen Umwelthilfe, vom BUND, NABU und Greenpeace zum Teil noch Skepsis, Kritik und Bedenken zum Einsatz von grünem Wasserstoff zu hören sind, wird im Westen Niedersachsens bereits gehandelt – zugunsten einer ökologisch wie ökonomisch zukunftsfähigen Klimaneutralität.
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