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AutorenbildJost Springensguth

Was so alles der Umwelt schadet – „Klimaanpassung“ statt Klimawandel – „Wald und Wild“ in der Praxis

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche


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Liebe Leserinnen und Leser,


alle Welt redet von der Digitalisierung und vor allem der künstlichen Intelligenz (KI). Im Prinzip ist dieser Begriff unzutreffend. Intelligent kann nur ein Mensch, aber eine Maschine eben nicht sein. Der Versuch, menschliches Lernen und Denken auf Computer zu übertragen, ist wohl der Kern der KI, die in aller Munde ist. Und das voller Zukunftshoffnungen, aber auch -ängste. Das „Centrum für Europäische Politik“ (cep) untersucht und bewertet als „Think Tank“ politische Themen mit Blick auf die EU unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten. Nachdenklich macht eine der jüngsten Veröffentlichungen unter der Überschrift „Digitalisierung der EU schadet in vielen Fällen der Umwelt“. Es geht um eine Untersuchung von Energieverbrauch und Kohlenstoffemissionen im Zusammenhang mit immer größer werdenden Rechnerkapazitäten und der ressourcenaufwändigen Chipherstellung. Gefordert wird zu Recht mehr Transparenz über Kohlenstoffemissionen und Energieverbrauch.


Ohnehin blicken wir in dieser Zeit mehr darauf, was sich in Europa tut. Unser Autor Ludwig Hintjens hat nach der Wiederwahl der EU-Präsidentin am Donnerstag in der Reihe unserer täglichen Beiträge in unserem Blog analysiert, was der ländliche Raum zu erwarten hat. Ursula von der Leyen habe im Bereich Landwirtschaft und ländlichen Räumen Abgeordneten von der Fraktion der Konservativen und Reformer (EKR), die rechts von der christdemokratischen EVP sitzen, bis hin zu den Grünen Angebote gemacht. Sie finden sich in ihren Leitlinien für die Jahre 2024 bis 2029 und in ihrer Rede im Plenum wieder. Im Hinblick auf die ländlichen Räume stelle sie augenfällig 2029 nicht den Klimaschutz, sondern die Anpassung an den Klimawandel in den Vordergrund. Da werden also noch muntere Debatten in Brüssel und Straßburg folgen.


Der ländliche Raum kein Thema?


Derweil geht die Berliner Politik erst einmal in die Sommerpause. Das Sommerinterview und der Auftritt des Kanzlers vor der Bundespressekonferenz gehört zu den Ritualen. Die eigene Zufriedenheit, den Haushaltsentwurf angesichts der bekannten Kontroversen innerhalb der Ampel im Kabinett verabschiedet zu haben, war für Olaf Scholz wohl die wichtigste seiner Feststellungen. Für mich ist auffällig, dass weder er noch die Fragen, die an ihn gestellt wurden, direkt Belange des ländlichen Raumes thematisierten. Etwa eine Antwort darauf, welchen Niederschlag die Bauernproteste im Winter in Einzelthemen oder Haushaltsbeschlüssen gefunden haben. Wir werden trotzdem wieder davon hören, wenn die Bundestagsausschüsse und Fachpolitiker nach den Sommerferien in die Details des rund 2500 Seiten umfassenden Etatplanes einsteigen, bevor er dann im Parlament beschlossen wird. Parallel blicken wir in den Ferien erst einmal alle auf die beiden Landtagswahlen am 1. September.


Vorher gehört dazu der ständige Blick in Umfragen vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Bei den Sonntagsfragen mit AfD und CDU oben, der SPD, den Grünen und der FDP zum Teil in bedenklicher Nähe zur 5-Prozent-Hürde bleiben die politischen Sorgenfalten unverändert. Interessant ist ein Randaspekt mit Blick in den „Sachsen-Kompass“, den die Sächsische Zeitung und die Leipziger Volkszeitung initiiert haben. Dort taucht das Stichwort Natur überraschenderweise an prominenter Stelle auf. An der (nicht repräsentativen, aber reaktionsstarken) Online-Umfrage haben sich 23.000 Menschen beteiligt. Danach sagten gut 81 Prozent, dass sie sich in Sachsen wohlfühlen. Und auch die Frage „Was schätzen Sie an ihrem Leben in Sachsen besonders?“ antworteten mit höchstem Wert 80 Prozent „Natur“ neben „Familien und Freunde“. Ich finde das bemerkenswert. „Meinen Arbeitsplatz“ schätzen dagegen übrigens nur 30 Prozent. Das erklärt vielleicht auch etwas von der bekannten Unzufriedenheit dort.


Wachsender Trend aus den Städten heraus zur Natur


Dass viele Menschen, die in größeren Städten oder Ballungszentren leben, wachsende Affinitäten zur Natur und ihren Zusammenhängen entwickeln, ist bekannt. Das gilt in Anknüpfung an die zitierte Umfrage nicht nur für Leipzig, sondern etwa für Beispiele wie Hamburg, den Großraum Berlin, die Metropolen am Rhein und in Bayern, den Südwesten mit Stuttgart oder der inzwischen oft auch überraschend (diesmal unpolitisch gesehenen) grünen Industrieregion Ruhrgebiet. Mancher erinnert sich daran, dass Essen beispielsweise 2017 „Grüne Hauptstadt Europas“ war. Zuvor war das Kopenhagen, danach wurden Städte wie Nijmegen, Oslo, Lissabon, Lahti und aktuell Valencia ausgezeichnet. Sinn dieser von der EU-Kommission 2008 begründeten europäischen Initiative „European Green Leaf Award“ ist es, „grüne und nachhaltige Städte ins Licht zu rücken“, wie es in der Beschreibung heißt.


Warum gehe ich darauf an dieser Stelle einmal ein? Zu beobachten ist aktuell eine sprichwörtliche Sehnsucht als Trend, dass gerade Stadtmenschen zunehmend das Grüne und Nachhaltige suchen und Natur erleben wollen – besonders unmittelbar oder in naher Erreichbarkeit. Sie interessieren sich immer mehr für diese Themen. Die Städter zieht es dabei besonders in ländliche Regionen in der Nähe. Da begegnen sich Stadt und Land mit jeweils eigenen Beobachtungen, Erlebnissen und Erfahrungen angesichts der Bewirtschaftung von Feld und Wald. Vielfach treffen Klischees auf Wirklichkeit, Unkenntnis auf praktisches Wissen; manchmal auch ideologische Betrachtungen auf gegebene Zusammenhänge der wirtschaftlichen Naturnutzung mit abhängigen Existenzen. Beispiele bieten kontroverse Ansichten zum Wolf, über Tierhaltung, die Agrarwirtschaft, zur Lebensmittelproduktion, zum praktischen Tierschutz oder zur forstlichen Bewirtschaftung.


Projekt: Werterhaltende Waldbewirtschaftung


Wald
Foto: Heinrich Linse / pixelio.de

Viel zu hören ist aktuell zum Thema Wald und Wild oder Wald vor Wild: In unserem Blog sind wir schon mehrfach darauf eingegangen, dass der Streit um die richtige Forstwirtschaft in Deutschland auch mit ihren unter Kundigen bekannten Irrtümern eine lange Tradition hat. Das trifft zum Beispiel in der politischen Praxis aktuell bei der Diskussion über den Berliner Referentenentwurf eines neuen Bundeswaldgesetzes zu. Oder es geht um Naturwaldthesen eines bekannten Forst-Publizisten, der einfach umstritten ist, medienwirksam arbeitet und am Ende nach unserer Einschätzung sterbende Wälder sich selbst überlässt. Die Frage, wie weit dies zu verbuschten Wäldern führt oder zu vitalen klimastabilen Forsten, wird kontrovers geführt. Dazu gehört die Antwort darauf, mit welchen Belastungen der naturbelassene Weg für die jeweiligen Eigentümer verbunden ist. Stichworte wären dabei unter anderem der Aufwand für die Verkehrssicherheit und starke Einschränkungen – etwa auch für die Jagd, um regulierend einzugreifen. Für uns gehört sie zu einer werterhaltenden oder -steigernden Waldbewirtschaftung.


Wir haben also klare Positionen dazu und werden als Stiftung praktische Beispiele näher betrachten, authentisch begleiten und auf unserer Homepage in der Entwicklung dokumentieren. Und das über viele Jahre bis zur nächsten Generation. Es geht um Beispiele einer Beforstung als Wirtschaftswald mit ausgewogenen Wildbeständen und hoher Biodiversität. Der Blick richtet sich auf praktische Möglichkeiten im Aufbau von artenreichen Waldprojekten in der Zeit eines spürbaren Klimawandels. Wir blicken auf Lagen in öffentlicher oder privater Hand. Ob in einer Niederwaldbewirtschaftung mit Steilhängen – in Teilen auch mit Gefährdungspotenzial, wie es sich am Ende beispielsweise an der Ahr entlud. Oder die Entwicklung lichtdurchlässiger Hochwaldformen. Das sind große Themen, die Forst, Waldbesitzer, Jäger, Anwohner und Erholungssuchende zunehmend beschäftigen. Der Blick auf sterbende Wälder unter dem Stichwort „naturbelassen“ kann emotional verklären, aber auch kritisch bewertet werden. Wir kommen in einem langfristig angelegten Projekt darauf zurück.


Jägern wird gern eine gewisse Rückständigkeit nachgesagt. Wenn diese mit Respekt vor Gottes Natur und unseren Mitgeschöpfen einhergeht, ist nichts dagegen zu sagen. Deshalb berichten wir auch gern über Gruppen, die sich unermüdlich mühen, die Waidgerechtigkeit in unsere Zeit zu retten. Zum Beispiel die „Gesellschaft für Tierschutzgerechte Jagd und Hege“ – vereint mit den „Hirschgerechten Jägern“ –, die unermüdlich daran erinnert, dass das Bundesjagdgesetz schon im ersten Paragraphen auf die guten jagdlichen Bräuche verweist: Mit der „Verpflichtung zur Hege, Sicherung der Lebensgrundlage des Wildes sowie der Grundsätze deutscher Waidgerechtigkeit“. Von der breiten Öffentlichkeit kaum bemerkt, drohen einst „eiserne Regeln“ wie der Schutz von Muttertieren während der Aufzuchtzeit oder das Verbot „unfairer“ technischer Hilfsmittel wie Nachtsichtgeräten aufzuweichen. Dies in einer Zeit, in der Tierwohl zum mächtigen Marketinginstrument geworden ist. Und alles unter dem Irrglauben, dass wir den Wald im Klimawandel retten, wenn wir die Wildtiere als seine angestammten Bewohner vernichten. Mehr dazu schreibt Michael Lehner in der kommenden Woche in unserem Blog.


Mit diesen Absichtserklärungen für Natur und Mensch und die dahinter praxisnah wirkende Stiftung wünsche ich Ihnen ein erholungs- und erlebnisreiches Wochenende

Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination

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