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  • Ludwig Hintjens

Weg von der Gießkanne  

Der Expertenkreis zur Zukunft der EU-Landwirtschaft fordert die Abschaffung der Direktzahlungen: Unterstützungsleistung soll nur bekommen, wer aktiv als Bauer arbeitet und es wirklich nötig hat


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Foto: orko46

Die finanzielle Unterstützung der Landwirte durch die EU soll grundsätzlich umgestellt werden. Geld aus dem EU-Haushalt soll „zielgerichteter an aktiv arbeitende Landwirte“ gezahlt werden, „die das Geld nötig haben“. Dies ist eine zentrale Empfehlung aus dem Bericht des Strategischen Dialogs zur Zukunft der EU-Landwirtschaft. 29 Vertreter der Lebensmittelbranche, Landwirte und Nichtregierungsorganisationen hatten sieben Monate lang unter der Leitung des deutschen Hochschullehrers Peter Strohschneider beraten. Strohschneider hat Erfahrung: Er hat bereits auf nationaler deutscher Ebene die Zukunftskommission Landwirtschaft geleitet.


Der 110 Seiten lange Abschlussbericht, den die Teilnehmer trotz ihrer sehr unterschiedlichen Standpunkte einvernehmlich verabschiedet haben, wurde jetzt in Brüssel vorgestellt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will in den ersten hundert Tagen ihrer neuen Amtszeit, also bis März, ihre „Vision“ für die EU-Landwirtschaft und Ernährung vorlegen. Dabei will sie sich von den Empfehlungen der Experten leiten lassen.


Experten für Abschaffung der Flächenprämien


Auch wenn dies nicht explizit in ihrem Bericht steht, schlagen die Experten die Abschaffung der Flächenprämie vor. Die Direktzahlungen, die die Eigentümer von landwirtschaftlicher Nutzfläche bekommen, gingen beispielsweise 2023 in Deutschland an 310.000 Begünstigte und umfassten knapp sieben Milliarden Euro. Im Schnitt bekamen deutsche Bauern 280 Euro je Hektar Land.


Künftig soll also EU-Geld an die Bauern für geleistete Arbeit und nicht mehr für den reinen Besitz von Land gezahlt werden. Dies sei nicht nur nötig, „um die öffentlichen Haushalte solide“ zu halten, sondern um „ungewünschte Folgen wie höhere Pacht- und Bodenpreise“ zu verhindern. Die Empfehlung legt zudem nahe, nicht mehr an alle zu zahlen. Statt mit der Gießkanne wie heute sollte die Einkommensunterstützung „viel zielgerichteter“ fließen. Ziel müsse sein, das Höfesterben zu verhindern und ein „ordentliches Einkommen“ der Bauern sicherzustellen. Geld bekommen sollen „die Bedürftigsten, insbesondere in Gebieten mit natürlichen Einschränkungen, auf Kleinbetrieben, Junglandwirte, gemischte Betriebe und Neueinsteiger“.  Ein Umstieg von den pauschalen Flächenzahlungen zu einem „effektiven Ansatz zur Einkommensunterstützung“ wird gefordert. Die Höhe der Zahlung müsse basieren auf der „Rentabilität des Betriebes“, die anhand einer standardisierten Methode nachgewiesen werden soll.


Neue GAP-Periode ab 2028


Die EU-Kommission solle ein Expertengremium beauftragen, Mechanismen und Kriterien für die Auszahlung der Gelder festzulegen. Auch Umverteilung, Deckelung, eine degressive Auszahlung sowie Verteilungskriterien aus der Sozialpolitik sollen dabei zu Hilfe genommen werden. Das Expertengremium mahnt an, dass der Abschied von der Direktzahlung mit der neuen Förderperiode in der Gemeinsamen Agrarpolitik kommen müsse. Die neue GAP-Periode soll offiziell 2028 beginnen und bis 2035 gehen. Indes gehen Brüsseler Agrarpolitiker davon aus, dass wie bei der letzten Förderperiode es auch diesmal wieder eine Übergangsphase gibt und die nächste GAP-Reform erst 2029 oder 2030 in Kraft tritt.


Spätestens mit dem Beitritt der Ukraine zur EU ist eine Reform der Einkommensunterstützung ohnehin fällig. Die Ukraine verfügt in ihrem jetzigen Staatsgebiet über 33 Millionen Hektar Ackerland. Dies entspricht etwa einem Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche der EU. Die Direktzahlungen auf die Landbesitzer in der Ukraine auszudehnen wäre nicht nur teuer. Es würden auch hohe Summen an internationale Agrarkonzerne gehen, die einen Großteil der Flächen besitzen. Mit dem Beitritt des Landes wird nicht vor Mitte des nächsten Jahrzehnts gerechnet.

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