Planungsstopp im Wilden Westen
- Wolfgang Kleideiter
- 13. Feb.
- 3 Min. Lesezeit
Der Windkraft-Spitzenreiter tritt auf die Bremse: CDU und Grüne haben in NRW das Landesplanungsgesetz so ergänzt, dass der Neubau von Anlagen außerhalb von vorgesehenen Windenergiegebieten für ein halbes Jahr gestoppt ist

Anfang des Jahres gab sich NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) noch hochzufrieden: „Der massive Ausbau der Windenergie ist entscheidend für die Zukunft Nordrhein-Westfalens als Industriestandort“, erklärte sie mit Blick auf die Spitzenposition, die das bevölkerungsreichste Bundesland im Jahr 2024 beim Windkraft-Ausbau übernommen hat.
Der Ausbau scheint inzwischen zu „massiv“ und untergräbt die regionale Planung. Seit Monaten macht angesichts einer Antragsflut für Anlagen außerhalb geplanter Windenergiegebiete in NRW der Begriff vom „Wildwuchs“ die Runde. Tatsächlich ist die Antragszahl zuletzt von November 2024 von insgesamt 846 auf 1427 im Dezember 2024 gestiegen – ein Wachstum von 68,7 Prozent in einem Monat. Die Zahl der beantragten Vorbescheide außerhalb der Windenergiegebiete hat sich laut Landesregierung dabei mehr als verdoppelt (von 432 auf 959). Doch gerade einmal 17 Prozent der Anträge auf Erteilung eines Vorbescheids zu einem Vorhaben liegen innerhalb der geltenden oder geplanten Windenergiegebiete. Der Focus schrieb nicht zu Unrecht vom „Wilden Westen beim Windkraft-Ausbau“. Standort sichern, lautete für viele Investoren offenbar die Devise.
Fast kompletter Stopp von Genehmigungsverfahren
Jetzt hat die schwarz-grüne Koalition in Düsseldorf reagiert. Da die neuen Regionalpläne wohl erst zum Ende des Jahres in Kraft sein werden, hat sie im Landtag per Beschluss einen fast kompletten Stopp von Genehmigungsverfahren durchgesetzt. Das liest sich erst einmal so, als könnte die interministerielle Task Force „Ausbaubeschleunigung Windenergie NRW“ ihre Arbeit einstellen. Tatsächlich geht es aber um komplizierte (planungs-)rechtliche Fragen, mit denen sich in der Vergangenheit bereits das Oberverwaltungsgericht in Münster befassen musste.
Nun sehen Fachleute in der jüngsten Mehrheitsentscheidung bereits den dritten Anlauf, um die Regionalplanung abzusichern und die inzwischen unübersichtlich gewordenen Genehmigungsverfahren zu steuern. Effekt: Zig Hundert Windkraftplanungen in NRW, die außerhalb von Windenergiegebieten liegen, sind zunächst einmal angehalten. Die Genehmigungsbehörden dürfen sie bis auf Weiteres nicht mehr bearbeiten. Eine Ausnahme gibt es nur für Repowering-Vorhaben und für Vorhaben, für die bereits zehn Monate vor Inkrafttreten des Moratoriums vollständige Genehmigungsunterlagen bei der Genehmigungsbehörde vorlagen. Und Bezirksregierungen können Einzelfall-Genehmigungen erteilen, wenn durch die Anlagen ausnahmsweise nicht die Konzentration von Windrädern in Vorranggebieten gestört wird. Man darf gespannt sein, wann erste Gerichte angerufen werden. Der ein oder andere Investor wird versuchen, über den Klageweg doch noch zu einer Genehmigung zu kommen.
Es geht auch um die Akzeptanz der Windenergie
Die CDU will mit dieser neuen Regelung die Akzeptanz für die Windenergieanlagen erhalten und am Ende die Energiewende erfolgreich voranbringen. Die SPD kritisiert, dass man so alle möglichen Windenergieanlagen ausmerze, die im Außenbereich noch erlaubt sein könnten. Dem Landesverband Erneuerbare Energie (LEE) NRW geht es deutlich zu weit, dass man Windenergievorhaben außerhalb der noch immer nicht fertiggestellten Regionalpläne den Boden entziehe.
Der Bundesverband WindEnergie sieht in dem Vorstoß eine Gefahr für den weiteren Ausbau der Windenergie in NRW. Erst in den vergangenen Wochen hätten sich Bundesregierung und Union auf Drängen von NRW auf Änderungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz geeinigt. Danach können sich Planer Flächen außerhalb von (in Aufstellung befindlichen) Vorranggebieten nicht mehr mittels eines einfachen Vorbescheids sichern. Dies hätte doch schon gereicht.
Unzufrieden sind neben der Energiebranche auch Forstverbände. Viele Waldbesitzer sind auf die Einnahmen durch Windkraftprojekte angewiesen. „Flächeneigentümer und Investoren haben im Vertrauen auf die bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen vielerorts bereits erhebliche, vor allem finanzielle Vorleistungen erbracht“, sagt Max von Elverfeldt, Vorsitzender des Verbands Familienbetriebe Land und Forst NRW. „Diese Vertrauensbasis darf nicht zerstört werden. Flächeneigentümer leisten einen maßgeblichen Beitrag zur Energiewende, indem sie ihre Grundstücke für den Ausbau erneuerbarer Energien bereitstellen. Ohne Verlässlichkeit und Planbarkeit gerät dieser Einsatz jedoch ins Wanken.“
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