Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche
Liebe Leserinnen und Leser,
in unserem Wochenkommentar geht es um die schwierige Lage in der deutschen Wirtschaft und die auch daraus resultierende Unzufriedenheit der Bürger mit der Ampelkoalition sowie deren führenden Politikern. Weitere Themen sind die Machtprobe zwischen BSW-Namensgeberin Sahra Wagenknecht und der thüringischen Landespartei, die Bedeutung und jagdliche Tradition des morgigen Hubertustags sowie zwei Tierkrankheiten, die vor allem den ländlichen Raum betreffen: neue Fälle von Aujeszky bei Wildschweinen in NRW und die gestiegenen Gefahren durch Vogelgrippe, etwa in den Küstenregionen im Norden.
Die deutsche Wirtschaft ist überraschenderweise im dritten Quartal dieses Jahres wieder leicht gewachsen. Das ist zwar auf den ersten Blick positiv, aber längst kein Grund für die Politik, sich zurückzulehnen und den Dingen wie bisher ihren Lauf zu lassen. Im Gegenteil, in wichtigen Teilen der Industrie und des Mittelstands drohen gefährliche Rückschläge. Spektakulärstes Beispiel in dieser Woche waren die Meldungen aus Wolfsburg, wo bei Volkswagen Zehntausende Arbeitsplätze auf der Kippe stehen. Das könnte für den Wirtschaftsstandort Deutschland erst der Anfang sein, falls die politisch Verantwortlichen nicht endlich konsequent gegensteuern. Kostenentlastungen, Entbürokratisierung und gezielte Investitionen in die Infrastruktur bleiben überfällig. Da ist in den vergangenen Jahren viel versäumt waren, was jetzt unter deutlich erschwerten Bedingungen – Stichworte Klimawandel und Ukrainekrieg – nachgeholt werden muss.
Angesichts dieser Lage ist die Unzufriedenheit mit der Ampelkoalition momentan groß. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend bewerten nur noch 14 Prozent der Deutschen (-5 Prozentpunkte im Vergleich zu Anfang Oktober) die Arbeit der Ampelkoalition positiv. 85 Prozent sind weniger oder gar nicht zufrieden. 54 Prozent der Befragten wollen gar vorgezogene Neuwahlen. Diese Werte spiegeln sich auch in der Sonntagsfrage. Wenn schon morgen Bundestagswahl wäre, käme die SPD auf 16 Prozent (unverändert im Vergleich zu Anfang Oktober 2024). Die Union aus CDU und CSU verbessert sich auf 34 Prozent (+3). Die Grünen verlieren gegenüber Anfang Oktober zwei Punkte und landen bei elf Prozent. Die FDP läge mit vier Prozent (+1) weiterhin unterhalb der Mandatsschwelle. Die AfD bleibt bei 17 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht büßt gegenüber Anfang des Monats zwei Punkte ein und landet derzeit bei sechs Prozent. Auf alle anderen Parteien entfallen derzeit zusammen zwölf Prozent – darunter auch die Linke und die Freien Wähler.
Schlechte Noten für Ampelpolitiker
Interessant auch Folgendes: In der persönlichen Bewertung rutscht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Vergleich zu Anfang Oktober deutlich ab (20 Prozent Zufriedenheit, -8 Punkte). Damit liegt er etwa gleichauf mit Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP (19 Prozent Zufriedenheit, +2) und SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz (19 Prozent Zufriedenheit, -2). Zum Vergleich: Der schlechteste Wert von Gerhard Schröder (SPD) während seiner siebenjährigen Amtszeit als Kanzler war 24 Prozent, der von Angela Merkel (CDU) während ihrer 16-jährigen Amtszeit war 40 Prozent. Deutlicher kann sich der Unmut der Bürger über die führenden Ampel-Politiker wohl kaum zeigen …
Natürlich ist die aktuelle Ampelregierung nicht allein für die Misere verantwortlich. Auch frühere Regierungen haben vieles deutlich zu lange schleifen lassen. Doch diese Versäumnisse und Fehler sind Vergangenheit. Die aktuelle Koalition regiert jetzt seit immerhin drei Jahren. Dieser Zeitraum sollte eigentlich reichen, um die Weichen – wie 2021 versprochen – in Richtung Modernisierung und Fortschritt zu stellen. Doch die Realität sieht leider anders aus. In der Ampel scheint sich jeder nur noch selbst der nächste zu sein. Maßstab allen Handels ist weniger das Wohl des Landes als das der eigenen Partei – sprich die Positionierung für die nächste Bundestagswahl. Noch ist diese für September 2025 vorgesehen, aber wenn die Koalition so weitermacht wie bisher, ist ein vorzeitiges Aus durchaus möglich, sofern einer der drei Partner für sich darin einen parteitaktischen Vorteil sieht.
Ampelparteien auf getrennten Wegen
An ernsthaften Problemlösungen scheinen momentan weder SPD, Grüne noch FDP sonderlich interessiert zu sein. Sehr deutlich wird dies in der aktuellen Wirtschaftspolitik, wo die drei „Partner“ demonstrativ getrennte Wege gehen: der Grüne Habeck mit dem Vorschlag eines großen Investitionsprogramms, SPD-Kanzler Scholz und FDP-Finanzminister Lindner jeweils mit eigenen Wirtschaftsgipfeln. Egal, was man von dem einen oder dem anderen Ansatz halten mag, so geht es nun wirklich nicht voran. Kanzler und Minister werden schließlich für gemeinsames und praktisches Regieren bezahlt, nicht jedoch für isolierte und theoretische Programmideen. Die Einzigen, die sich über diese bedrückende Entwicklung freuen dürfen, sind Populisten und ihre antidemokratischen Gesinnungsfreunde.
Im Blickpunkt dabei aktuell vor allem das BSW und seine Namensgeberin Sahra Wagenknecht. Bei den jüngsten Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen feierte die neue Partei spektakuläre Erfolge und steht kurz vor Regierungsbeteiligungen. Doch Wagenknecht interessiert sich nicht für Landespolitik. Ihr geht es allein um die nächste Bundestagswahl. Pragmatische Kompromisse auf Landesebene könnten dort aus ihrer Sicht stören, was jedoch vor allem in Thüringen von den dortigen BSW-Verantwortlichen augenscheinlich anders gesehen wird. Entsprechend energisch versuchen Wagenknecht und Co., ihre Erfurter Wahlsieger durch öffentliche Kritik und Zurechtweisungen wieder an die kurze Leine zu nehmen. Ein solches Kommando-Vorgehen im Stil eines „demokratischer Zentralismus“ ist der ehemaligen Kommunistin Wagenknecht aus ihrer SED-Vergangenheit bestens vertraut. An diesem Samstag wird es ein Treffen aller 81 Parteimitglieder des BSW in Thüringen geben. Dabei will man wohl den Beschluss absegnen, wonach die Partei in Koalitionsgespräche eintritt. Dies könnte dazu führen, dass das BSW sich spaltet, kaum zehn Monate nach der Gründung.
Weiter Politik zum Vorteil Putins?
Man darf gespannt sein, wie die spektakuläre Machtprobe am Ende ausgeht. Sie könnte wegweisend für die Zukunft des BSW werden. Dessen Landespolitiker müssen sich entscheiden: wie Wagenknecht einseitig Politik zum Vorteil Putins machen oder in Koalitionen pragmatische Fortschritte für die Bürger nicht zuletzt im ländlichen Raum ermöglichen. Auch dort sorgt natürlich die große Politik für reichlich Gesprächsstoff. Aber es gibt auch anderes, was jenseits der Metropolen teils hoch im Kurs steht.
Dazu gehört die Jagd mit all ihren Facetten. An diesem Sonntag feiern wir das Namensfest des heiligen Hubertus. In zahlreichen Gottesdiensten gedenken aus diesem Anlass die Jäger ihres Schutzpatrons. Die Begegnung mit einem Hirsch, zwischen dessen Geweihstangen ein Kreuz leuchtet, lässt ihn vom hemmungslosen Wildschützen zu einem Menschen werden, der erkennt, dass er ein völlig falsches Verständnis von der Jagd hat und diese im Kern ein Dienst an der Natur mit weitreichender Verantwortung ist. Die Legende lehrt uns Respekt und Mäßigung. Jagdlich gesprochen ist sie die Basis der Waidgerechtigkeit, die oberstes Gebot aller Jäger ist und sämtliche Verhaltensgrundsätze der Jägerschaft dominiert. In diesem Sinn ist Hubertus mahnendes Vorbild. Hege und Pflege, Tier-, Umwelt- und Naturschutz, zu dem die Jäger auch gesetzlich verpflichtet sind, bilden eine untrennbare Einheit, gegen die Jagdgegner und Tierrechtler ungehemmt polemisieren. In einem Blog-Beitrag wird unser Autor Christoph Boll dieses Spannungsfeld am Montag beleuchten.
Risiken für Jagdhunde
Doch ganz ungetrübt ist die schöne Stimmung und Tradition des Hubertustags leider nicht überall. So sind jetzt im Raum Bonn und Gummersbach aktuelle Fälle von Aujeszky aufgetreten, einer bei Hunden tödlich verlaufenden Viruserkrankung. Sie wird auch als Pseudowut bezeichnet. Hauptwirt des ursächlichen Herpesvirus sind Schweine. Durch die Untersuchung von Blutproben erlegter Sauen wurden in NRW im Jagdjahr 2022/23 von 1960 Blutproben 9,6 Prozent positiv auf Antikörper gegen Aujeszky getestet. Deshalb hat der Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen jetzt dringend appelliert, jeden Kontakt von Jagdhunden mit zur Strecke gelegten Sauen rigoros zu unterbinden.
Auch Gefahren durch Vogelgrippe in Deutschland sind zuletzt wieder gestiegen. „Wir haben ein hohes Risiko des Eintrages und der Ausbreitung bei wilden Wasservögeln für ganz Deutschland und punktuell in einigen Regionen ein besonders hohes Risiko, beispielsweise für Küstenregionen im Norden“, sagte der Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Insel Riems bei Greifswald, Martin Beer, der Deutschen Presse-Agentur. Laut FLI-Daten gab es im Oktober Nachweise bei Wildvögeln in Thüringen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Betroffen waren demnach vor allem Wildgänse und Schwäne.
Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, wünsche ich eine gute Woche. Und drücken Sie mit mir die Daumen, dass am kommenden Dienstag die amerikanischen Präsidentschaftswahlen friedlich verlaufen und zu einem Ergebnis führen, mit dem sowohl die USA als auch der Westen insgesamt zuversichtlich nach vorn blicken können …
Mit den besten Grüßen
Ihr Jürgen Wermser
Redaktionsleitung/Koordination
Das Wesen der Demokartie ist Meinungsvielfalt mit Kompromissen zu Ergebnissen zu führen u Macht friedlich abgeben zu können. Hoffen wir,da dies in Zukunft auch so bleibt.