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- Geld fürs Dorfleben
Der Generalsekretär des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, Stephan Gersteuer, kritisiert im Interview mit „natur+mensch“ die grüne Landwirtschaftspolitik Deutliche Verbesserungen, aber der große Durchbruch ist es nicht. Der Generalsekretär des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, Stephan Gersteuer, äußert sich zu den jüngsten Beschlüssen der EU-Kommission. Dabei kritisiert er Auswüchse der gegenwärtigen Politik mit „überbordenden bürokratischen Pflichten und Doppelerhebungen“. Sollte es beim Agrardiesel keine weiteren Verbesserungen geben, kündigt der Generalsekretär neue Demonstrationen im Vorfeld der Bundestagswahlen an. Frage: Die Zeiten in der Landwirtschaft sind ungemütlich, europaweite Proteste an der Tagesordnung. Jetzt hat die EU-Kommission angekündigt, den Bauern entgegenkommen zu wollen. Kehrt damit Ruhe ein? Gersteuer: Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Änderungen sind in der Tat bemerkenswert. Im Grunde enthalten sie das Zugeständnis, dass die derzeitige Gemeinsame Agrarpolitik insofern fehlkonzipiert ist, als dass eine immer geringer werdende Basisprämie je Hektar mit zu hohen Auflagen im Rahmen der sogenannten Konditionalität verknüpft ist. Immerhin soll nun die vierprozentige Stilllegungspflicht entfallen, die Winterbodenbedeckung flexibler gestaltet werden können und neben dem von Jahr zu Jahr vorzunehmenden Fruchtwechsel auch eine jährliche Anbauvielfalt anerkannt werden können. Das werden die Landwirtinnen und Landwirte, wenn es denn national auch so umgesetzt wird, als deutliche Erleichterung wahrnehmen. Das größere Ärgernis sind aber die zumeist vor allem aus dem nationalen Recht stammenden, überbordenden bürokratischen Pflichten und Doppelerhebungen auf den Betrieben. Frage: 55 Milliarden Euro gibt die EU jährlich an die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), sechs Milliarden davon gehen nach Deutschland. Rund drei Viertel davon fließen als Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe, der Rest ist für die Förderung ländlicher Regionen vorgesehen. Was heißt das? Geld fürs Dorfleben? Gersteuer: Ja, aus der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik wird auch die ländliche Entwicklung gefördert, unter anderem die Dorferneuerung. Das ist also nicht nur etwas für Landwirte, sondern auch für Landräte. Soweit die Landwirtschaft gefördert wird, sind dafür von den Bäuerinnen und Bauern konkrete Gegenleistungen für Natur und Umwelt zu erbringen. Frage: Die Höhe der Direktzahlungen hängt mit der bewirtschafteten Fläche zusammen. Ist diese Regelung noch zeitgemäß? Gersteuer: Die flächenbezogene Zahlung macht heute nur noch einen Teil der Direktzahlungen aus und ist zudem an die – bislang zu strenge – Konditionalität gebunden. Dieses Konstrukt sehen wir kritisch und zeigen uns offen für Lösungen, die unter dem Namen „Gemeinwohlprämie“ oder „erfolgsorientierte Agrarprämie“ bestehende und neue Leistungen der Landwirte für Natur und Umwelt vergüten sollen. Frage: Landwirte müssen sich an bestimmte Umweltstandards halten. In Schleswig-Holstein haben sie unter anderem breite Knickpflege zu akzeptieren. Dagegen gibt es Widerstand. Ist da eine Einigung mit dem grünen Umweltministerium in Sicht? Gersteuer: Wir sind dazu in Gesprächen mit der Landesregierung. Es geht darum, dass, so wie das Land es auslegt, sich Regelungen aus dem Landes- und dem Bundesnaturschutzgesetz miteinander verhaken: Im Ergebnis dürfte der Knick nur alle drei Jahre nach der Ernte im Sommer seitlich beschnitten werden, dabei aber nur der Zuwachs aus dem letzten Jahr entfernt werden. Der Knick wächst dann aber immer weiter in die Fläche hinein. Dies entspricht nicht der klassischen Knickpflege und ruft nach Änderung. Zusatzfrage: Belastet die grüne Philosophie die landwirtschaftliche Zukunft? Gersteuer: Frage ist, was die grüne Philosophie ist. Es gibt ja das Schlagwort von den Grünen als Verbotspartei oder zumindest Regulierungspartei. Und in der Tat will man den klimarelevanten Emissionen nicht nur – wie auch von Ökonomen empfohlen – mit europäischem Emissionshandel und der nationalen CO₂-Abgabe zu Leibe rücken, sondern mit Dirigismus und detailversessener Regulatorik. Das geht dann vom nationalen Klimaschutzgesetz über die Nachhaltigkeitsberichterstattung, Lieferkettengesetze und das Heizungsgesetz bis hin zum Verbrennerverbot. Genauso geht man beim Erhalt der Biodiversität und beim Ostseeschutz vor: Mehr Auflagen und mehr Regeln sollen es richten. Andererseits erkennen auch Grüne, dass die überbordende Bürokratie Wirtschaft und Landwirten immer Fesseln anlegt und die Unternehmen im Übermaß belastet. Dass zwischen Regulierungssucht und Bürokratie ein Zusammenhang besteht, erkennt man anscheinend nicht. Der grüne Umweltminister Schleswig-Holsteins, Tobias Goldschmidt, soll einen Aufkleber am Monitor in seinem Büro haben, der besagt „I love Ordnungsrecht!“. Zu Ende gedacht bedroht das durchaus die Zukunft unserer Betriebe. Frage: Die deutsche Ampelregierung hält am schrittweisen Abbau des Agrardiesel-Privilegs fest. Findet sich die Bauernschaft damit ab? Gersteuer: Die Kürzung war ein unüberlegter Schnellschuss. Sowas kommt, wenn man eine fragwürdige Liste des Umweltbundesamtes zu angeblich klimaschädlichen Subventionen zu Rate zieht. Dabei bestehen zumindest zwei Denkfehler: Zum einen ist es keine Subvention und kein Privileg, sondern ein berechtigter teilweiser Erlass der Kraftstoffsteuer, weil wir den Diesel weitaus überwiegend auf unseren Feldern verbrauchen und nicht auf öffentlichen Straßen, die mit dieser Steuer gebaut und unterhalten werden sollen. Zum anderen ist diese Befreiung nicht klimaschädlich, weil die Landwirte gar keine Ausweichmöglichkeit haben. Es gibt noch keine funktionierenden Alternativen zum Dieselschlepper. Deshalb bleiben wir am Agrardiesel dran und werden das spätestens im Bundestagswahlkampf thematisieren. Frage: Brüssel will Zölle auf Agrarimporte aus Russland und – überraschend – auch aus der Ukraine einführen. Halten Sie das für den richtigen Weg? Gersteuer: Beides hilft nur bedingt. Letztlich handeln wir Getreide auf dem Weltmarkt und das Hauptproblem ist, dass Russland zurzeit billigen, zum Teil geraubten Weizen auf diesen Markt wirft – sicherlich auch um die Ukraine zu schwächen, die auf die Einnahmen aus den Getreideexporten dringend angewiesen ist. Dadurch sinken Preise und Nachfrage nach heimischem Getreide dramatisch. Importe aus Russland und der Ukraine führen vor allem zu einer Nachfragedelle im Osten der EU. Deshalb reagiert die EU mit Zöllen auf ukrainische Waren, wobei Weizen allerdings noch ausgenommen ist, und überlegt, das russische Getreide mit Zöllen zu belegen. Auch wir sagen, diese Getreidelieferungen müssen dorthin, wo das Getreide gebraucht wird – und das ist nicht die EU. Frage: Die Landwirte sollen rückwirkend ab 2023 bei der Einkommensteuer über sechs Jahre entlastet werden. Ein Entgegenkommen der besonderen Art, wovon andere Branchen in der Wirtschaft nur träumen können. Ein etwas überzogenes Privileg, heißt es. Eine Konzessionsentscheidung zugunsten der Landwirte? Gersteuer: Die Steuerglättung, die wir übrigens bis zum Jahr 2023 hatten, hilft den Betrieben durchaus. Die Formulierung Ihrer Fragestellung überschätzt die Wirkung aber erheblich. Gerade in Schleswig-Holstein mit einem hohen Anteil an Vollerwerbsbetrieben bleiben viele Betriebe trotz Glättung über dem Progressionsbereich, sodass die Glättung vor allem einen Liquiditäts-, aber keinen Steuerspareffekt hat. Bei den übrigen Betrieben ist die Mittelung des Steuersatzes gerechtfertigt, weil in der Landwirtschaft durch die zunehmend extremer werdende Witterung und die volatilen Weltmärkte die Einnahmen in der Landwirtschaft stärker schwanken, ohne dass der einzelne Betrieb darauf Einfluss hat.
- Bahn fährt wieder und mehr Hasen – zwei gute Nachrichten zu Ostern
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, beginnen wir vor dem Osterfest mit zwei guten Nachrichten. Wer an den Festtagen Freunde oder Verwandte besuchen möchte, hat endlich wieder im wörtlichen Sinne freie Bahn. Die Lokführergewerkschaft GdL und das Bahn-Unternehmen haben sich erfreulicherweise auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt. Die Kunden mussten viel zu lange auf diese Tariflösung warten. Die Gewerkschaft hatte mit ihren massiven Streikaktionen zu einem schweren Vertrauensverlust der Bahn beigetragen. Um deren Ruf als verlässliches Verkehrsmittel steht es wegen Misswirtschaft und viel zu häufiger Unpünktlichkeit von Zügen ohnehin nicht zum Besten. Wird jetzt, nach der jüngsten Einigung, alles gut werden? Davon ist leider nicht auszugehen. Denn die Verbesserungen für die Beschäftigten wird das Unternehmen zumindest kurzfristig kaum auffangen können, ohne dass die Kunden darunter leiden müssen. Zu befürchten sind noch mehr Zugverspätungen, höhere Preise oder gar ein generell ausgedünnter Fahrplan aufgrund Personalmangels – Stichwort Arbeitszeitverkürzung der Lokführer. Jedem einzelnen von ihnen sei es persönlich gegönnt, aber in der jetzigen wirtschaftlichen Situation ist weniger arbeiten keine gesamtgesellschaftlich sinnvolle Lösung. Darunter wird der Güterverkehr schwer leiden, der ohnehin zum Stiefkind des Unternehmens geworden ist – siehe den Beitrag unseres Autors Michael Lehner – „Die Bahn, ein Trauerspiel“ – vom vergangenen Montag. Auch im Personenverkehr dürfte die Geduld der Passagiere künftig weiter arg strapaziert werden. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Kurzfristig heißt es erst mal aufatmen, weil die Züge zu Ostern wie geplant wieder rollen können. Auch Flugreisende müssen keine weiteren Streiks mehr zu Ostern befürchten, nachdem sich jetzt der Konzern und die Gewerkschaft ver.di auf Grundzüge eines neuen Tarifvertrags für das Lufthansa-Bodenpersonal geeinigt haben. Gewinner des Klimawandels Indirekt hat auch die zweite gute Nachricht etwas mit Ostern zu tun: Die Zahl der Feldhasen in Deutschland hat wieder zugenommen. Dies wird nicht nur Jäger und Naturliebhaber freuen, sondern auch viele Familien und Kinder, für die die Langohren zum tierischen Symbol des Osterfestes geworden sind. Im vergangenen Frühjahr lebten auf Äckern, Wiesen und Feldern im Durchschnitt 19 Feldhasen pro Quadratkilometer. Dies ist nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes (DJV) der höchste Wert seit Beginn des bundesweiten Monitorings im Jahr 2001. Im Frühjahr 2022 seien in Deutschland lediglich 16 Tiere pro Quadratkilometer gezählt worden. Der Feldhase gehört damit zu den Gewinnern des Klimawandels, denn er mag es vor allem in der Geburtszeit im Frühjahr gerne trocken und warm. Auch war der letzte Winter nicht besonders hart. Allerdings waren die kürzlichen Überschwemmungen in weiten Teilen Deutschlands fatal gerade für junge Feldhasen. Sie hatten bei den Wassermassen keine Chance, zu entkommen und sich in trockene, sichere Gebiete zu flüchten. Die deutsche Wildtier-Stiftung schätzt die Gesamtzahl der Feldhasen in Deutschland auf mindestens zwei Millionen. Man kann nur hoffen, dass der positive Trend auch langfristig anhält. Dazu ist es allerdings erforderlich, die Bedürfnisse von Landwirtschaft und Naturschutz noch stärker miteinander in Einklang zu bringen. Dies wird nur über finanzielle Verbesserungen für Bauern gehen, die die Äcker und Wiesen bewirtschaften, die den Lebensraum der Feldhasen bilden. Hier ist die Politik gefordert. Özdemir wird daran gemessen, was er persönlich leistet Der zuständige Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir scheint das Problem erkannt zu haben, wie jüngste Äußerungen in einem ARD-Interview nahelegen. Der Grünen-Politiker zeigte auch Verständnis für die kürzlichen Proteste der Bauern. Bedenklich stimmt jedoch, dass er den Unmut der Landwirte vor allem auf die Versäumnisse aus den letzten Jahrzehnten bezog, nicht jedoch auf die aktuelle Politik. So einfach sollte es sich Özdemir nicht machen. Denn natürlich ist in der Vergangenheit viel versäumt und falsch entschieden worden. Doch das ist kein Grund, jetzt die Hände in den Schoß zu legen und mit dem Finger auf die Vorgängerregierungen zu zeigen. Im Gegenteil, der Grünen-Politiker wird daran gemessen, was seine Koalition und er persönlich aktuell leisten, und nicht daran, was frühere Politiker versäumt haben. Selbst ist der Minister. Auch bei der jüngsten Einigung der europäischen Agrarminister über ein neues Reformpaket war Özdemir keine treibende Kraft. Denn er stand mit seinen umwelt- und klimapolitischen Bedenken, den Bauern auf vielen Politikfeldern entgegenzukommen, weitgehend allein da. Vorausgesetzt, das Europäische Parlament stimmt im April wie erwartet zu, werden Landwirte dauerhaft von der Pflicht entbunden, vier Prozent ihrer Ackerflächen brachliegen zu lassen. Wer es dennoch tut, muss dafür vom Staat entlohnt werden. Aufgeweicht werden zudem Regeln für die Fruchtfolge, die erlassen worden waren, damit die Böden sich besser erholen können. Und die nationalen Regierungen sollen künftig etliche andere Ökoregeln flexibler als bisher anwenden. All dies mag für die Bauern noch nicht der große Durchbruch zum Positiven sein, doch es sind für sie klare Verbesserungen. Umso wichtiger, dass gewalttätige Proteste wie jüngst in Brüssel die politische Stimmung nicht wieder zuungunsten der Bauern kippen lassen. Schritt nach vorn beim Thema Wolf Einen kleinen Schritt nach vorn macht die Politik derweil auch beim Thema Wolf, zumindest in Niedersachsen. Dort darf seit Dienstagabend in der Region Hannover ein Wolf geschossen werden. Niedersachsen setzt damit als erstes Bundesland das neue, sogenannte Schnellabschussverfahren um, auf das sich die Umweltministerkonferenz Anfang Dezember geeinigt hatte. Danach ist in Gebieten mit überdurchschnittlich vielen Wolfsangriffen auf gut geschützte Herden in einem Abstand von 1.000 Metern um die entsprechende Weide für 21 Tage der Abschuss erlaubt – ohne dass eine DNA-Probe bestätigen muss, dass es sich um einen bestimmten Wolf handelt. „Um die Akzeptanz für den Wolf zu erhalten, müssen wir im Einzelfall, wo Wölfe wiederholt Probleme machen, zum Schutz der Weidetiere handeln, und zwar schnell.“ Niedersachsens Grünen-Umweltminister Christian Meyer Am vergangenen Wochenende war in der Region Hannover ein Rind durch einen Riss getötet worden. Aus dem Umweltministerium hieß es laut NDR, mit „hinreichender Sicherheit“ handele es sich dabei um einen Wolfsriss. Die Genehmigung zum Abschuss gelte für einen Zeitraum von drei Wochen. Das getötete Rind war den Angaben zufolge Teil einer Herde mit rund 30 erwachsenen Heckrindern und einem Jungbullen. Nach geltenden Vorgaben sei damit ein ausreichender Schutz gegeben gewesen, so das Ministerium. Wolfs-Freunde drohen mit „beispielloser Klagewelle“ Seit September 2023 handelt es sich um den fünften Riss in diesem Gebiet. Eindeutiger und krasser könnte die Gefahr für die betreffenden Weidetiere kaum sein. Selbst das von einem Grünen geführte Umweltministerium in Hannover sieht hier klaren Handlungsbedarf. Doch radikale Artenschützer laufen gleichwohl Sturm gegen die Ausnahmegenehmigung und halten sie für rechtswidrig. Der in Wolfsburg ansässige „Freundeskreis freilebender Wölfe“ kündigte an, mit einer „beispiellosen Klagewelle“ bis hin zum Europäischen Gerichtshof gegen die Regelung vorzugehen. Man kann nur hoffen, dass die Justiz hier schnell mit einem wirklichkeitsnahen Urteil Klarheit schafft. Derweil hintertreibt Bundesumweltministerin Steffi Lemke im Kreis der 27 EU-Mitgliedstaaten den Vorstoß der Kommission, den Schutzstandard des Wolfes von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zu senken. Darüber berichtet nach Ostern in unserem Blog Ludwig Hintjens, unser Mann in Brüssel. Doch genug der Politik. Jetzt stehen hoffentlich für uns alle schöne Ostertage an. Genießen Sie die Zeit mit Freunden und der Familie. Und wenn Sie im ländlichen Raum leben, schauen Sie vielleicht bei einem der vielerorts stattfindenden Osterfeuer vorbei. Dort kann man in zwangloser und angenehmer Atmosphäre Nachbarn und andere Bekannte treffen, die einem sonst nicht jeden Tag über den Weg laufen. In meiner Heimat haben solche Veranstaltungen eine lange Tradition. Ich gehe gern dorthin und lasse mir dabei eine (nicht vegane) Bratwurst vom Grill der Freiwilligen Feuerwehr gut schmecken … Mein Kollege Jost Springensguth und alle Autoren unseres Blogs wünschen Ihnen frohe Ostern. Den nächsten Beitrag von uns können Sie dann am Dienstag nach den Festtagen lesen. Mit besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination
- Lasst die Hasen Eier legen
Ostern ist die hohe Zeit der Kommerz-Tierliebe und der großen Missverständnisse Ostern hat die kommerzielle Tierliebe Hochkonjunktur. Mit veganen Kampagnen gegen der Verzehr von Eiern oder gar von geschmortem Kaninchen. Und mit Stimmungsmache gegen Landwirtschaft und Jagd. Dabei bewirkt ahnungslose Tierliebe oft das Gegenteil von Natur- und Artenschutz. Tatsache ist zum Beispiel, dass längst nicht mehr viele Jäger des (Oster-)Hasen Tod sind. Sondern weit eher einseitige Tierliebe. Weil Fuchs und Waschbär ohne Jagd überhandnehmen und nicht nur dem Feldhasen, sondern auch den Wiesenbrütern in ihren verbleibenden Lebensräumen das (Über-)Leben schwer machen. Zusammen mit den Greifvögeln, von denen viele längst nicht mehr zu den bedrohten Arten gehören. Nicht der Rotmilan, was sogar hartnäckige Windkraftgegner zugeben müssen. Jäger wissen, dass im Acker meist noch weit mehr Hasen sitzen als im akkurat gestutzten (und gespritzten) Rasen von Golfplätzen oder Parkanlagen. Und wahr ist auch, dass kein vernünftger Jagdpächter „seine“ Hasen ausrottet. Ein guter Besatz gehört zum Stolz des Beständers. Jedes Jahr im Herbst zur Treibjagd ist zu bestaunen, dass es tatsächlich noch solche Reviere gibt. Und oft sind sie in überwiegend bäuerlicher Hand. Zu solcher Hege gehört auch der Mut, Hass auszuhalten. Wenn Tierfreunde „Mörder“ brüllen. Und nicht verstehen, dass die Füchse sich ohne Regulierung mit Flinte und Büchse so lange vermehren, bis Tollwut und Räude für Gleichgewicht sorgen – weit grausamer und quälender als der Schuss des Jägers. Doch in der Realität wird um jeden Fuchs gestritten. Auch vor Gerichten und auch um sicher nicht bedrohte Arten wie die Saatkrähe. Sogar um Schädlinge, die nicht heimisch sind, sorgt sich ein Teil der Naturschutz-Szene. Zumal der NABU, der dabei mitunter auch die Lächerlichkeit nicht scheut. Zum Beispiel in Niedersachsen, wo ein örtlicher NABU-Vorsitzender eine „starke Bekämpfung“ der Waschbären verlangte. Und prompt von Vereinsoberen dafür gerüffelt wurde. Dabei waren sogar die von Freiwilligen mühsam errichteten Krötenzäune für die Katz, weil sich die niedlichen Bärchen hemmungslos an den Fangeimern bedienten. Waschbären-Wahrheit spricht sich beim NABU herum Mittlerweile hat sich die Waschbären-Wahrheit zwar auch in NABU-Führungskreisen herumgesprochen, aber weitere Aufklärung dürfte nicht schaden: „Es gab schon länger den Verdacht, dass Waschbären für den Rückgang zahlreicher einheimischer Reptilien- und Amphibien-Arten in bestimmten Gebieten mitverantwortlich sind“, sagt Projekteiter Sven Klimpel von der in Wolfsangelegenheiten beim NABU hochgeschätzten Senckenberg-Gesellschaft. Grasfrösche, Erdkröten und Gelbbauchunken gehören demnach zu den Beutetieren. Die Erdkröte häuten die Waschbären vor dem Verzehr, um Kontakt mit der giftigen Haut zu minimieren. Dass so auch das Nahrungsangebot für den prächtig gedeihenden Bestand an Störchen ernsthaft geschmälert wird, mag allenfalls Artenschutz-Feinschmecker interessieren. Eher von allgemeinem Interesse ist zur österlichen Zeit das Schicksal von Hahn und Henne. Wobei Ersterer vor allem als „Bruderhahn“ aktuell Schlagzeilen macht: Selbige aus der Legehennen-Zucht können es nämlich mit ihren auf Fleischzuwachs gezüchteten Artgenossen an Ertrag nicht aufnehmen und blieben bisher ausgeschlossen von der Hähnchen-Mast. Es droht Küken-Mangel So wurden jährlich rund 45 Millionen männliche Küken der Legerassen getötet, bis die Bundesregierung diese Praxis im Jahr 2022 untersagt hat. Einige Betriebe versuchen nun, die Brüderhähne durchzufüttern. Was kaum kostendeckend ist, weil die Verbraucher bei allem Verständnis fürs Tierleid ihren Broiler gern billig und vollfleischig kaufen. Ergebnis: Einige Brütereien haben bereits aufgegeben. Es droht Küken-Mangel. Und der Futter-Markt zum Beispiel für Greifvögel in zoologischen Gärten entbehrt der Küken, die dort gern genommen wurden. Zumindest lehrt die österliche Zeit durch derlei Aufklärung, dass Hasen vermutlich doch keine Eier legen. Und dass die Komikerin Anke Engelke womöglich schief liegt, wenn sie in ihrer „Neuen Häschenschule“ vermutet, dass die Füchse keine Hasen fressen. So wenig wahr wie die Behauptung, dass Hennen zum Psychiater müssen, weil wir ihnen die Eier stehlen.
- Demokraten unter Druck
In Deutschland stehen in diesem Jahr wichtige Wahlen bevor. Da wächst die Sorge vor Einschüchterungsversuchen und Attacken gegen Kandidaten und Mandatsträger 2024 stehen neben der Europawahl am 9. Juni unter anderem Kommunalwahlen in Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt auf dem Programm. Hinzu kommt die Wahl der Landtage im September in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Gerade in den neuen Bundesländern hat sich das politische Klima in den letzten Monaten weiter radikalisiert. Dies gilt nicht zuletzt für Thüringen, wo der rechtsextremistische AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke in weiten Kreisen die Tonlage bestimmt. In diesem Bundesland hat es nun 2023 fast doppelt so viele Attacken gegen Politiker wie zwei Jahre zuvor gegeben. Erst Ende der vergangenen Woche hatten sich deswegen Thüringer Kommunalpolitiker, Abgeordnete und politische Bürger laut Frankfurter Allgemeine über die zuletzt erheblich verschärfte Sicherheitslage von Amts- und Mandatsträgern ausgetauscht. Landesinnenminister Georg Maier beklagte dort eine Verrohung der politischen Auseinandersetzung. So habe es im Jahr 2023 in Thüringen 82 Attacken auf Wahlkreisbüros gegeben. Das Dunkelfeld der Bedrohung sei allerdings deutlich größer, da längst nicht alle Angriffe gemeldet würden, so der Innenminister. Viele Kommunalpolitiker würden darauf verzichten, etwa zerstochene Autoreifen zu melden, weil sie Angst hätten oder sich ärgerten, dass derartige Verfahren oft eingestellt würden. Brandanschlag auf Privathaus Für bundesweite Schlagzeilen hatte zuletzt ein Brandanschlag auf das Haus des SPD-Lokalpolitikers Michael Müller in Schnepfenthal im Kreis Gotha gesorgt. Menschen kamen dabei glücklicherweise nicht zu Schaden, aber die Flammen erfassten die Hausfassade und ein geparktes Auto. Und wenn etwa die Mitglieder der Suhler Linken-Stadtratsfraktion zusammenkommen, erwartet sie dort vor dem Parteibüro Woche für Woche ein Grüppchen selbsternannter Montagsspaziergänger, denen Verbindungen zur rechtsextremen Szene nachgesagt werden. Oft stehen die Marschteilnehmer dann am Büro, brüllen ins Mikrofon, klopfen an die Scheibe oder platzieren vor dem Eingang Transparente. Ende Februar warfen Unbekannte zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate die Scheibe des Parteibüros ein. Auch in Büros der Suhler Grünen und der SPD gingen Scheiben zu Bruch. Solche Attacken sind in Thüringen momentan leider keine Einzelfälle. Der Verfassungsschutzpräsident des Bundeslandes, Stephan Kramer, sprach von einer aggressiven politischen Stimmung, die weitere Anschläge und Angriffe befürchten ließe. Ministerpräsident Bodo Ramelow versetzte die Sicherheitsbehörden des Freistaats inzwischen in erhöhte Alarmbereitschaft. Die Grünen haben vor diesem Hintergrund beschlossen, dass kein Parteimitglied in Thüringen allein Straßenwahlkampf betreiben solle. Zudem werde trainiert, wie man in brenzligen Situationen deeskalieren könne. Solch zunehmende Aggressivität und Gewaltbereitschaft betrifft alle Parteien. Statistisch gesehen wird neben den Grünen und Linken auch die in Thüringen als rechtsextremistisch eingestufte AfD ebenfalls häufig Ziel von Attacken. So zog etwa ein parteiloser Landratskandidat der AfD nach wenigen Tagen seine Bewerbung zurück, weil seine Familie bedroht worden war. Und an ein AfD-Wahlkreisbüro in Nordhausen war kürzlich eine zunächst unbekannte Substanz verschickt worden. Ein Mitarbeiter sei deswegen vorsorglich ins Krankenhaus gebracht worden, hieß es. Gewiss, all dies hat noch nicht die schreckliche Dimension wie das Attentat auf den damaligen Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019. Dieser war Ziel einer rechtsextremen Hasskampagne gewesen und wurde vor seinem Haus von Kugeln tödlich getroffen. Gleichwohl sind die jüngsten Angriffe politisch nicht zu unterschätzen. Es sind zumeist Hasskommentare oder auch verbale Angriffe, doch auch tätliche Attacken mit entsprechend heftigerer Wirkung haben – wie gezeigt – zugenommen. Das Ziel ist immer das gleiche: den politischen Gegner einschüchtern, zum Rückzug bewegen oder im schlimmsten Falle gar physisch ausschalten. Folgen können fatal sein Die Folgen können nicht nur für die Betroffenen und deren Familien fatal sein. Auch der Schaden für die Allgemeinheit ist gewaltig, wenn sich zunehmend Bürger aus der öffentlichen Verantwortung zurückziehen und politische Posten nicht länger bekleiden wollen. Hinzu kommt, dass solche Ämter aufgrund der negativen Schlagzeilen natürlich für qualifizierte Bewerber deutlich an Attraktivität verlieren. Denn so mancher dürfte es sich künftig doppelt und dreifach überlegen, ob er sich und seiner Familie eine solche Belastung zumuten möchte. Eine schnelle Lösung gegen diese Verrohung von Sprache und politischem Klima gibt es leider nicht. Doch es sind Schritte in die richtige Richtung möglich. Dazu gehört etwa eine parteiübergreifende Solidarität für Kommunalpolitiker, die Ziel solcher Attacken geworden sind. Auch muss die Justiz mit einer konsequenten Strafverfolgung Täter rasch und hart in die Schranken weisen. Zudem sollte man über eine bessere Hilfe für Opfer politischer Gewalt und Hetze nachdenken – von psychologischer Betreuung über juristische Unterstützung bis hin gegebenenfalls zu mehr staatlichem Schutz. Und alle Demokraten sollten auch in ihrem persönlichen Umfeld entschieden gegen Hassreden und politische Verunglimpfungen eintreten. Die Devise: Wehret den Anfängen. Momentan geht die größte Gefahr für unsere politische Kultur vom rechten Spektrum aus. Neonazis und Extremisten aus dieser Ecke scheuen nicht vor verbalen und auch physischen Gewaltaktionen zurück. Doch auch von links lauern Gefahren für die Demokratie, die eines Tages zu einer ähnlich starken Bedrohung führen können, nicht zuletzt auf lokaler Ebene. Die kommenden Wahlen in Ostdeutschland sind auch deshalb für Kommunalpolitiker überall in Deutschland von großer Bedeutung und Brisanz.
- Peinliche Schüsse aus Namibia
Die Bundesumweltministerin handelt sich mit dem geplanten Einfuhrverbot für Jagdtrophäen heftigen Protest aus Afrika ein Die Jagdgegner im Bundesumweltministerium haben ihrer Ministerin heftigen Ärger verschafft. Namibias Umweltminister Pohamba Shifeta wirft seiner deutschen Kollegin „neokoloniale Einmischung in die Souveränität Namibias“ vor. Grund für den peinlichen Vorgang: das von Steffi Lemke (Grüne) geplante Einfuhrverbot für Jagdtrophäen. Dass sich ausgerechnet eine „grüne“ Ministerin „Neokolonialismus“ vorwerfen lassen muss, hat wohl auch mit beschränkter Wahrnehmung zu tun. Wie sehr gut bezahlte Trophäenjagd dem Artenschutz in Entwicklungsländern dient, ist aus unverdächtigen Quellen belegt. Daran erinnert Minister Shifeta im Protestschreiben nach Berlin erneut. Elefant, Breitmaul- und Spitzmaulnashorn, Löwe, Bergzebra, Leopard und Giraffe seien in Namibia keineswegs bedroht, sondern häufig bei wachsenden Beständen. O-Ton: „So wie in Deutschland und Europa auch, brauchen Wildtiere ein nachhaltiges Management, um ihre Populationen, Lebensräume, aber auch um landwirtschaftliche und forstliche Schäden zu verhindern.“ Dass ausländische Jagdgäste die Arbeit erledigen, stört zwar die direkt Betroffenen wenig, dafür aber Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Aus Sicht des Bundesumweltministeriums sollten Einfuhren von Jagdtrophäen geschützter Arten verboten werden. Dazu konnte im Koalitionsvertrag leider keine Einigung erzielt werden. Deshalb wird das Bundesumweltministerium auf Basis artenschutzfachlicher Maßgaben die Importe von Jagdtrophäen geschützter Arten insgesamt reduzieren und im Einzelfall ganz verbieten.“ So weit die Antwort auf eine Anfrage der Unionsabgeordneten Dr. Anja Weisgerber. Verweis auf Wildtier-Monitoring Der Protest aus Namibia verweist auf das dort praktizierte Wildtier-Monitoring, das die Jagd streng reglementiert. Und darauf, dass die Einnahmen aus dem Jagdtourismus helfen, Lebensräume, Nahrungssicherheit und Arbeitsplätze sichern. Nicht zuletzt diene die Jagd zudem der Entschärfung des mitunter tödlichen Konflikts zwischen Wildtieren und Menschen mit ihren Nutztieren, verursacht durch Elefant, Löwe, Hyäne, Leopard und Flusspferd. Minister Shifeta sieht jedenfalls keine artenschutzrechtliche Grundlage für eine einseitige politische Entscheidung. Er stehe dem Bundesumweltministerium jederzeit für einen Dialog mit Experten zur Verfügung. Dies sei zudem für eine fundierte Entscheidung rechtlich von der Weltnaturschutzunion (IUCN) vorgeschrieben, zitiert die Bild am Sonntag Minister Shifeta: „Wenn Deutschland uns die Trophäenjagd unmöglich machen will, ist das eine gesetzeswidrige, neokoloniale Einmischung, die der internationalen Rechtslage zuwiderläuft. Wir können uns eigentlich nicht vorstellen, dass Deutschland uns das antut. Unsere Länder sind ja Freunde. Wer Tiere schützen will, muss kontrollierte Jagd erlauben.“
- Die Bahn, ein Trauerspiel
Industrie und Gewerbe kehren dem Schienengüterverkehr nach horrenden Preiserhöhungen massenhaft den Rücken Wieder mal „Gut gemeint und schlecht gemacht“. Ausgerechnet die Ampel-Regierung lässt zu, dass die Bahn neben dem Rückzug aus dem ländlichen Raum auch noch dem Lastwagen-Güterverkehr ein Konjunkturprogramm liefert. Obwohl das Umsteigen auf die Schiene auch fürs Klima mehr bringen könnte als Wärmepumpen und Elektro-Autos. Besonders spannend: Die Grünen halten ziemlich still zum Trauerspiel. Ist ihnen womöglich klar, dass die Utopie von der möglichst kostenlosen Personenbeförderung und die sinnvolle Ertüchtigung von Streckennetz und Güterverkehr nicht zusammenpassen? Zumal der Rückzug aus der Fläche längst zum Dauer-Verstoß gegen die im Grundgesetz geforderte „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ im ländlichen Raum geraten ist. Das glücklose (und fürstlich bezahlte) Bahnmanagement flüchtet sich derweil in weitere brutale Preiserhöhungen für Industrie- und Gewerbekunden. Mit der Folge, dass diese massenhaft zum Lastwagen-Transport zurückkehren. Dieser ist plötzlich preiswerter als die Bahn, obwohl auch die Lkw-Unternehmen mit gestiegenen (Energie-)Kosten klarkommen müssen. Kommentar der Linkspartei: „Zeitgleich die Kapazitäten des Güterverkehrs auf der Schiene bei der DB Cargo herunterzufahren, ist gerade selbstmörderisch, sowohl für den Konzern als auch für die deutsche Klimapolitik. Durch LKWs noch verstopftere Autobahnen werden die ersten Signale des zusammengestrichenen Schienengüterverkehrs sein.“ Transportvolumen: Rückzug aus der Fläche Grotesk, dass die Bahn mit ihrer lange Jahre hochrentablen und (mittlerweile abgewirtschafteten) Lastwagen-Tochter DB-Schenker an der Rückwärts-Wende zum Straßentransport womöglich wieder gutes Geld verdient. Aber dem Vernehmen nach soll nun der Verkauf von Schenker den maroden Konzern retten. Das aktuelle Trauerspiel folgt allerdings einer langen Tradition. Seit Jahrzehnten verliert die Bahn Transportvolumen durch den Rückzug aus der Fläche, der ja nicht nur den Personennahverkehr auf dem flachen Land ins Auto gezwungen hat, sondern auch für viele Kleinstadt-Betriebe das Aus der Bahnverladung bedeutet. Die Entwicklung trifft vor allem die ländlich verortete Wirtschaft und damit bisher weitgehend gesunde Mittelstandsbetriebe außerhalb von Ballungszentren. Rettung versprach zeitweise die Idee, Lastwagen und Bahn durch intelligente Lösungen besser zu verknüpfen. Stichwort „Kombiverkehre“ oder auf DB-Deutsch „DB Intermodal Services“. Gerade junge, umweltbewusste Logistik-Unternehmer setzten auf die Kombination von Lkw und Schiene. Oft mit Millionen-Investitionen für moderne Ausrüstung wie sogenannte Wechselbrücken, die schnelles und problemloses Umsetzen der Ladungen auf die Schiene ermöglichen. Wer die Lastwagen-Flotte reduzierte, um solchen Aufwand zu finanzieren, steht zwar aus der Umwelt-Perspektive jetzt gut da, sieht im wirklichen Leben aber alt aus. Die Bahn hat nämlich dafür gesorgt, dass sich der ökologisch sinnvolle Schienentransport nicht mehr rechnet. Die Folge: Gerade Großkunden kehren zurück zum Lkw-Transport. Darunter auch Konzerne, die um Milliarden-Hilfen vom „grünen“ Wirtschaftsminister buhlen. Eine weitere „Baustelle“, die belegt, dass Habecks Ideen, die Wirtschaft durch Vorschriften und Subventionen zu lenken, im praktischen Leben nicht fruchten.
- Wenn der Ausflug an der Ostsee ausfällt
Die Menschen wollen gern auch in Deutschland ihren Urlaub verbringen. Doch gerade in den ländlichen Regionen fehlt Restaurants und Hotels das notwendige Personal Die ersten Segelschulen holen in Boltenhagen schon ihre Boote raus, die Restaurants an der Strandpromenade werden herausgeputzt. An den Küsten Mecklenburg-Vorpommerns bereitet man sich auf die Osterferien vor. „Alle Zeichen stehen auf eine gute Feriensaison. Wir könnten uns freuen. Eigentlich“, sagt ein örtlicher Tourismusmanager und schaut auf die Hotels, Campinganlagen und örtlichen Tourismusgeschäfte. Doch seine Miene will nicht so recht zum guten Ausblick auf das Oster- und Sommergeschäft 2024 passen. Denn viele Betriebe werden nur ein verknapptes Angebot vorhalten können. „Wir haben einfach nicht genug Mitarbeiter“, sagt der Mann. Nach Angaben des Dachverbands Dehoga fehlt überall Personal. Die Bundesagentur für Arbeit meldete schon im Juni mitten in der Saison 33.160 offene Stellen im Gastgewerbe – Tendenz steigend, trotz hoher Flüchtlingszahlen und schwächelnder Konjunktur. Corona hat den Mitarbeiterschwund „wie unter einem Brennglas“ verschärft. Dehoga geht von einem Fachkräfte- und Mitarbeitermangel aus, der in Wahrheit mindestens doppelt so hoch liegt. Konsequenz: In den Restaurants, den Hotels, den örtlichen Geschäften wird man deshalb Öffnungszeiten reduzieren, tageweise schließen, die Karte reduzieren. Oder Ausflüge ins Umland halt nur am Nachmittag anbieten können. Und den Anbietern in strukturschwachen Regionen, deren Umsatz und Gewinn nun einmal auf Spitzenzeiten ausgelegt ist, wird es das Geschäft erheblich verhageln. Die Schleuse macht dicht – mangels Personal Oder noch schlimmer, wie das Beispiel der Schleuse Banzkow am Störkanal zeigt, wird man gleich alles zusperren müssen. Dort – an der Mecklenburger Seenplatte – führt der Mangel an ausgebildeten Schleusenwärtern jetzt dazu, dass die Zufahrt zum Schweriner See geschlossen werden muss. Konsequenz: Der bei Bootstouristen äußerst beliebte See ist für die gesamte Sommersaison 2024 nicht mehr erreichbar. Tausende zahlungskräftige Bootstouristen werden jetzt eben nicht mehr durch die strukturschwache Region mit ihren Booten schippern können. „Eine katastrophale Situation“, sagt der Geschäftsführer des Tourismusverbands Mecklenburg-Vorpommern, Tobias Woitendorf, der Nachrichtenagentur dpa. Er weiß, wovon er spricht: Für das strukturschwache Mecklenburg-Vorpommern ist der Wassertourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Politik reagiert hilflos Laut Bundesregierung werden im Osten bis zum Jahr 2030 voraussichtlich 800.000 Menschen im arbeitsfähigen Alter weniger leben. Wie überall, ist der ländliche Raum besonders hart getroffen, so etwa im Erzgebirge, in den Gebieten abseits der Küste in Mecklenburg-Vorpommern, in Brandenburg jenseits der Region Berlin/Potsdam. Früher konnte man sich dort auf die saisonalen Aushilfen aus Tschechien, Polen und dem Baltikum stützen. Doch seitdem es diesen Ländern und ihrer Wirtschaft besser geht, kommen nur noch wenige. Oder noch schlimmer: Viele Ostdeutsche fahren mittlerweile zur Arbeit selbst über die Grenze. Das Lohnniveau und die Infrastruktur sind in den westlichen Regionen Polens und Tschechiens auch dank EU-Hilfen mindestens so gut wie in Deutschland. Schon jetzt stellen Wirtschaftsförderer rund um die Boom-Städte Magdeburg, Dresden und Leipzig die Frage, von wo man die Fachkräfte aus dem In- und Ausland holen will, die die geplante Ansiedlung der Hightech-Firmen wie Intel, Infineon und AMD stützen soll. „Ländliche Regionen aufgeben?“ Die Vorschläge aus der Politik oder der Wissenschaft klingen eher hilflos: Das Wirtschaftsinstitut in Halle hat schon einmal vorgeschlagen, sich deshalb auf die Förderung der Boom-Zentren zu beschränken. Die Kritik war vernichtend, parteiübergreifend. Nein, man dürfe die kleinstädtisch geprägten Regionen oder gar Dörfer nicht aufgeben. Der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, wirbt dafür, den Standort Osten nicht mehr mit Wirtschaftskrise und Radikalismus zu besetzen. „Wir brauchen eine neue Selbstverständlichkeit für Zuwanderung in den Osten, die gibt es bisher nicht. Beides muss gelingen, sonst wird es in einigen Regionen in Zukunft ziemlich schwierig“, räumt er ein. Angesichts des dramatischen Wegzugs aus dem Osten in den 90er Jahren fehlen jetzt knapp zwei Millionen Menschen. „Vor allem die jungen Frauen sind damals weg. Und die fehlen jetzt, um Kinder oder schon Enkelkinder zu bekommen“, sagt ein Soziologe. Ein schwacher Trost ist es deshalb, dass es Regionen in Bayern, Schleswig-Holstein und in anderen Ländern nicht viel besser geht. Und auch dort werden Urlauber in diesem Jahr wohl häufig vor geschlossenen Restauranttüren stehen.
- Schlechte Noten für Ankes „Häschenschule“
Autorin Anke Engelke will „Rollenbilder ins Wanken bringen“ und bedient am Ende doch nur ein billiges Klischee Es sei ihr „um die Geschichte“ gegangen, sagte Entertainerin Anke Engelke der Süddeutschen Zeitung. Dafür habe sie einen „Buhmann“ in Kauf nehmen müssen. Der Verlag wünschte sich schließlich für die Neuinterpretation der vor 100 Jahren erstmals erschienenen „Häschenschule“ einen Konflikt oder eine Gefahr. Daraus wurde in der modernen Version des Kinderbuchklassikers auf mehreren düsteren Seiten ein Zerrbild der Landwirtschaft und der Jagd. „Gefahr = Mensch“ lautet zum Beispiel die Gleichung unter einer Zeichnung, die einen Mann mit Hut und Mistgabel zeigt. Wohl die althergebrachte Darstellung eines Landwirts. Dem Jäger geht es nicht besser: Er hält stehend die Waffe im Anschlag – was auch sonst. Felder und Äcker voller Gift, Fallen und gefährliche Maschinen wie Traktor oder Mähdrescher. Letzter erleichtert nicht die Getreideernte, sondern bedroht im Büchlein mit seinem Schneidwerk den Hasen „Hoppich“. Gut, dass es den Fuchs gibt, denn der ist – verkehrte Welt 2.0 – der Freund und neue Mitschüler der Hasenklasse. Der Fuchs als Raubtier und Allesfresser passt bei dem von Esslinger verlegten Buch nicht ins Konzept. Fuchs „Brehm“ tritt als Klassenneuling vor die Hasenschar. Auf seinem rosafarbenen T-Shirt steht „I love Möhre“. Damit ist der Fuchs dem veganen Hasen ernährungstechnisch nah aufs Fell gerückt. Wokeness lässt grüßen. Gedankenlosigkeit oder gar Arroganz? Dass Bäuerinnen und Bauern der „Häschenschule“ von Ange Engelke nicht allzu viel abgewinnen können, liegt auf der Hand. Man stelle sich die abendliche Lesestunde vor, bei der im Bilderbuch so nette Reime wie „Es ist traurig, aber wahr: Menschen sind eine Gefahr“ oder „Hier bloß nix essen, nix berühren, sonst bekommt man Gift zu spüren“ neben dem Bauern und dem Feld auftauchen. Ist das pure Gedankenlosigkeit oder gar Arroganz gegenüber dem Landleben? „Ich bin ehrlich gesagt fassungslos“, reagierte Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk auf das Buch, das immerhin im Jubiläumsjahr der Schule erscheint. 1924 ging es in der Geschichte von Albert Sixtus um Möhrenkunde und Ostereiermalerei. Vor dem Fuchs wurde gewarnt. Sie wolle den Kindern zeigen, dass Menschen viel falsch machen und dass man sich überlegen müsse, wie man es in Zukunft anders machen könne, erklärt Anke Engelke. Das Buch biete keine Lösungen, aber rege zu Gesprächen an. Heftige Reaktionen in den sozialen Kanälen Damit hat die Autorin zweifellos Recht, auch wenn ihr nicht alle Beiträge gefallen dürften. In den sozialen Kanälen im Netz wird schon seit Erscheinen des Bilderbuchs heftig gestritten. Deutschlandfunk Kultur spricht von einem „Shitstorm“ und bemühte sich darum, in einem längeren Beitrag die Kritik an dem Buch der Komikerin aus Köln zu analysieren. Der Sender ging so weit, den aktuellen Fall mit früheren Auseinandersetzungen über den Inhalt von Kinderbüchern zu vergleichen und zu fragen, wie Verlage und Autoren mit Hass im Netz umgehen. Bei „Die neue Häschenschule“ lag eine drängende Frage auf der Hand, die allerdings sauber umkurvt wurde: Wie fühlen sich Landwirtinnen und Landwirte, wenn sie in einem Kinderbuch im Jahr 2024 so in die Ecke gestellt und zum großen Feind der süßen Häschen erklärt werden? In der Bilderwelt sind sie für den Hasen gefährlicher noch als der Fuchs – denn der ist ja inzwischen vegan. Blödsinniger geht es kaum.
- Auf dem Land ist eine engagierte Lokalzeitung unverzichtbar
Eine aufschlussreiche Masterarbeit zeigt, dass in Orten ohne journalistische Wahrnehmung überdurchschnittlich oft AfD gewählt wird Die Lokalzeitung wird gern für tot erklärt, als journalistisch minderwertig diffamiert, überflüssig und wirtschaftlich perspektivlos. Braucht es diese „Blättle“ dann überhaupt für die politische Bildung, für die Demokratie, fragen nicht nur die Social-Media-Jungen. Die Antwort ist eindeutig: Ja! Das belegt eine Studie in Baden-Württemberg. Besonders auf dem Land ist danach eine engagierte Lokalzeitung unverzichtbar. Politisch wie sozial. Sie bereitet kommunale Vorgänge kontinuierlich auf und ordnet sie ein. Sie sorgt damit für eine offene Debatte, früh, kontinuierlich und breit gestreut. Erst durch ihre Berichte werden Themen in den Gemeinden sichtbar, für die Einwohner wie für Lokalpolitiker. Zudem fühlen sich gerade Bewohner im ländlichen Raum durch diese Öffentlichkeit mehr mit ihrer Heimat und den Mitmenschen verbunden. Berichte und Reportagen fördern darüber hinaus die politische Bildung, die eng mit politischem Engagement verbunden ist. Wenn Lokalmedien es schaffen, ihren Aufgaben nachzukommen, dienen sie als Wachhunde der Demokratie und prangern Missstände und Korruption an. Jede gute Lokalzeitung ist der Beweis dafür, dass es die Demokratie ohne Journalismus schwer hat. Doch Lokalzeitungen sind auf dem Rückzug. Während es in Bayern noch mehr als 50 Lokalblätter gibt, sind es in Thüringen gerade mal noch sechs. Die Landtagswahl in diesem September wird die These wohl untermauern. Mit gefährlichen Folgen für das demokratische Fundament. Vor allem im ländlichen Raum. Maxim Flößer hat in seiner aufschlussreichen Masterarbeit für Baden-Württemberg einen Zusammenhang zwischen AfD-Stimmen und der Existenz von eigenen Zeitungsausgaben in Kommunen herausgearbeitet. Ergebnis: Gibt es mindestens eine lokale Zeitung vor Ort, wählen weniger Menschen AfD als in Orten ohne eine Lokalzeitung. Weil die Menschen gerade auf lokaler Ebene Demokratie hautnah erfahren. Zusammenhang von Leser- und Wählerverhalten Wächst damit in journalistisch unterversorgten Regionen das Bedürfnis, extremere Parteien zu wählen? Von Juni bis August 2023 hat der 28-Jährige für jede einzelne Gemeinde in Baden-Württemberg überprüft, ob diese eine Lokalzeitung hatte, die wirklich lokal berichtet, also vor Ort vertreten ist. Insgesamt erfasste Flößer Informationen für 1098 von insgesamt 1102 Gemeinden in Baden-Württemberg und über 80 Lokalzeitungen und -ausgaben. Das Ergebnis lässt aufhorchen. 891 Gemeinden in Baden-Württemberg haben mindestens eine Lokalzeitung vor Ort, 207 Gemeinden haben laut Flößers Recherche keine eigene Lokalpresse. Der durchschnittliche Stimmenanteil für die AfD, gemessen an der Bevölkerung vor Ort, lag in diesen bei 12,08 Prozent, in Gemeinden mit mindestens einer Lokalzeitung bei 10,49 Prozent. Der Unterschied bei den AfD-Stimmenanteilen in Orten mit und ohne Lokalzeitung beträgt danach statistisch 1,6 Prozentpunkte. Das klingt nach wenig. Doch es weist darauf hin, dass im Mix der vielfältigen Gründe, AfD zu wählen, der Mangel an lokaler Berichterstattung messbar ist. Lag die AfD in Baden-Württemberg bei der Landtagswahl 2021 bei 9,7 Prozent, schnitt sie vor allem im ländlichen Raum überdurchschnittlich stark ab. In Börslingen im Alb-Donau-Kreis stimmten 22,2 Prozent für die Partei, in Spiegelberg im Rems-Murr-Kreis 21,72 Prozent. Gibt es ihn also, den Zusammenhang zwischen einem AfD-Hoch und dem lokalen Medienangebot? Anhaltspunkte für Flößers Forschungsfrage waren AfD-starke Landkreise wie Hohenlohe, Calw oder Schwäbisch-Hall, wo in den letzten Jahren viele Lokalredaktionen dichtmachten. Nach Angaben des Verbandes der Südwestdeutschen Zeitungsverleger schrumpfte die Gesamtauflage der Lokalzeitungen zwischen 2001 und 2021 um ein Drittel. Bereits jetzt werden nicht mehr alle Landkreise von eigenständigen Lokalzeitungen oder zumindest von Lokalredaktionen überregionaler Zeitungen abgedeckt. Hohes Vertrauen in die Lokalpresse Noch immer genießt laut diversen Studien die Lokalpresse in Deutschland das höchste Vertrauen unter den Zeitungen. Sie gilt als das wichtigste Medium, um sich über Lokales zu informieren. Fehlen Lokalzeitungen, kann das die Wahl von Populisten fördern. Wenn Lokalzeitungen tatsächlich für eine höhere Demokratiezufriedenheit sorgen, die wiederum die Wahl der AfD negativ beeinflusst, bewirkt das Nicht-Vorhandensein einer Lokalzeitung den gegenteiligen Effekt, vermutet Flößer wohl nicht zu Unrecht. Fehlt die Berichterstattung vor Ort, fehlt die kritische Einordnung. Bei der Landtagswahl 2021 gaben 63,8 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab (wie bereits erwähnt gewann die AfD 9,7 Prozent). Überdurchschnittlich waren ihre Ergebnisse vor allem in den Landkreisen Alb-Donau, Calw und Schwäbisch Hall. In Gemeinden wie Setzingen (Alb-Donau), Haiterbach (Calw) oder Fichtenau (Schwäbisch Hall) erzielte sie im Schnitt sogar mehr als 19 Prozent. Alle genannten Gemeinden haben keine eigene Lokalzeitung. Zufall? Nein, sagt Flößer. Die Differenz tritt nicht zufällig auf. Die Menschen in den Gemeinden ohne Lokalzeitung stimmten durchschnittlich rund 1,6 Prozentpunkte mehr für die AfD als in Gemeinden mit mindestens einer Lokalzeitung. Hinzu kommt: Wenn Nachrichtenwüsten vor allem in strukturschwachen Regionen bestehen, ist auch klar, dass diese Regionen abgehängter sind. Wählen die Menschen darum auch deshalb stärker AfD? Betrachtet man die Eigenschaften der Gemeinden mit und ohne Lokalzeitung, fällt jedenfalls auf, dass Nachrichtenwüsten durchschnittlich häufiger in kleineren Gemeinden mit finanzschwächeren Unternehmen, einem geringeren Migranten-Anteil, aber einer ähnlich hohen Arbeitslosenquote wie in den Gemeinden mit Zeitungen vorkommen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen: Lokalzeitungen haben Einfluss auf den Stimmenanteil für die AfD, unabhängig von der dortigen Arbeitslosigkeit oder dem Migrationsanteil. Sie zeigen, wie wichtig die Lokalpresse für die demokratische Hygiene vor Ort ist. Was nur eines heißen kann: Wir brauchen Lokalzeitungen!
- Weg mit dem bürokratischen Klein-Klein
Beim Bürokratieabbau haben sich die Agrarminister mit dem Bund auf einen Arbeitsplan verständigt. Wenn nun Taten folgen, können viele Höfe auf Entlastung hoffen Rund ein Viertel ihrer Arbeitszeit verbringen Landwirte am Schreibtisch, um dort stichtagsgenau die unterschiedlichsten bürokratischen Vorgaben zu erledigen. Teilweise auf der Grundlage überholter oder manchmal sogar widersprüchlicher Vorschriften geben sie Meldungen mit identischen Informationen an verschiedene Stellen ab, füllen Bögen aus und führen Tabellen. Diese Informationspflichten belasten die deutsche Landwirtschaft pro Jahr mit 620 Millionen Euro. Jeder Betrieb kann ein Lied davon singen, dass mit jeder neu erdachten Regelung aus Brüssel oder Berlin auch das Bürokratiemonster gefüttert wird. Erst kürzlich beklagte der Nationale Normenkontrollrat, dass alle großen Pläne für ein Bürokratieentlastungsgesetz für die Landwirtschaft bislang „keine substanziellen Erleichterungen enthalten“. Doch jetzt soll dies anders werden. Bei ihrem Frühjahrstreffen in Erfurt haben die Länderagrarministerinnen und -minister unter Vorsitz von Susanna Karawanskij (Linke) eine Prioritätenliste zum Abbau von Bürokratie in der Land- und Forstwirtschaft beschlossen. Nicht weniger als 194 Punkte enthält eine Vorschlagsliste, die die Länder vor der Konferenz Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vorgelegt haben. Schon die Zahl macht deutlich, wie sehr das bürokratische Klein-Klein die Land- und Forstwirtschaft erdrückt. Während der Bauernproteste wurden die Regelungswut und der damit verbundene Aufwand mehrfach kritisiert. Am Rande der Frühjahrskonferenz in Erfurt verwiesen Bauern darauf, dass es beispielsweise bei Abstandsregelungen für den Gewässerschutz sogar unterschiedliche Vorgaben in unterschiedlichen Gesetzen gebe. Bürokratieabbau steht schon lange auf der Agenda Die Botschaft scheint nun angekommen zu sein. Schon bis Ostern möchte Özdemir eine erste Bewertung der Vorschläge vorlegen. Dann will der Bund sich erneut mit den Ländern zusammensetzen. Diese erwarten schon bis zur Jahresmitte erste Maßnahmen zum Bürokratieabbau, stellte Sachsens-Anhalts Agrarminister Sven Schulze (CDU) nach der Konferenz klar. „Wir werden den Bund in die Pflicht nehmen, spürbare Erleichterungen zeitnah umzusetzen“, betonte auch Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU). Bürokratieabbau steht schon lange auf der Agenda des Deutschen Bauernverbandes. In einem elfseitigen Papier zum Treffen der Agrarminister hatten die Landwirte erneut eine ernst gemeinte und wirksame Initiative zur Entbürokratisierung eingefordert. Im Agrarsektor habe die Bürokratie ein „höchst unerträgliches Maß“ angenommen. Eine Vielzahl unnötiger Kontrollen und Regulierungen erdrücke die landwirtschaftlichen Betriebe, heißt es in dem Schreiben des Bauernverbandes. Eine Entlastung müsse in allen Bereichen der Landwirtschaft erfolgen: „Sowohl im Bereich der tierischen und pflanzlichen Erzeugung als auch im Umweltrecht, in der Agrarförderung, dem Baurecht bis hin zum Steuer-, Arbeits- und Sozialrecht sind landwirtschaftliche Betriebe höchst unverhältnismäßigen Bürokratielasten ausgesetzt.“ Schon jetzt ist klar, dass die Musik bei der Entbürokratisierung aber nicht nur in Berlin, sondern auch in Brüssel spielt. Dort ist man unter dem Druck der europaweit protestierenden Bauern aber inzwischen so weit, die Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ) an die Realität anzupassen und mit mehr Flexibilität zu versehen. Die Europäische Kommission hat entsprechende Gesetzgebungsvorschläge auf den Weg gebracht. Auch hier will man die Bürokratie bei den Auflagen abbauen. Das lässt die deutschen Landwirte hoffen.
- Die Wald-Ideologen und die Wirklichkeit
Bayern und Österreich kämpfen gemeinsam für den Forst als Wirtschaftsfaktor im ländlichen Raum. Eine Ansage aus der Alpenregion Die Kritik an den EU-Plänen für mehr Ökologie in den Wäldern ist nicht ganz neu. Nun wird der Widerstand lauter – vor allem im mitteleuropäischen Süden und in Nordeuropa. Weil es dem Wald nicht nützt, wenn sich Waldwirtschaft nicht rechnet und eine wichtige Erwerbsquelle des ländlichen Raums Schaden nimmt. Die jüngste Kampfansage kommt aus dem Alpenland. In einer gemeinsamen „Salzburger Erklärung“ appellieren der österreichische Forstwirtschaftsminister Norbert Totschnig und Bayerns Forstministerin Michaela Kaniber an die EU, einen sofortigen Kurswechsel zu vollziehen: „Wir fordern eine europäische Politik, die an den Erfordernissen der Wälder und an den Nöten der Menschen, die sie pflegen, ausgerichtet ist. Anstatt sie durch immer neue überzogene Vorgaben zu gängeln und damit im Glauben an die Europäische Idee zu erschüttern, muss Brüssel ihnen endlich Vertrauen entgegenbringen. Nur mit den Waldbesitzern und nicht gegen sie sichern wir klimastabile, zukunftsfähige Wälder im Interesse der gesamten Gesellschaft.“ Ganz ähnlich tönt es aus dem Norden, voran aus der renommierten schwedischen Forst-Universität SLU. Mit fundierten Untersuchungen, die belegen, wie viel höher der Kohlendioxid-Abbau junger Nutzwälder im Vergleich zu altem „Urwald“ ist. Oder wie wichtig sogar Kahlschläge für die Artenvielfalt sind. Obwohl eben erst im ARD-Fernsehen das Gegenteil behauptet wurde, gilt in Schweden – wie in Deutschland – die Pflicht zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Was an Holz geschlagen wird, muss nachgepflanzt werden. Bayerische Regierung thematisiert Auswirkungen Brüsseler Beschlüsse Womöglich liegt das Hauptproblem der EU-Strategie beim Ansatz: Sie geht von den Folgen aus, aber eher nicht von den Ursachen. So wie schon vor einem halben Jahrhundert die wirksamen Antworten auf den „Sauren Regen“ eher aus den Nationalstaaten kamen. Damals mit voran war auch Bayern mit einem rigorosen Zwang zur Abgasreinigung fossiler Kraftwerke. Wenig verwunderlich, dass sich die Münchner Staatsregierung schon geraume Zeit mit den Folgen der Vorgaben aus Brüssel auseinandersetzt. Zum Beispiel mit der breit angelegten Studie zu den Konsequenzen der „EU-Biodiversitätsstrategie 2030“ für Wald und Forstwirtschaft in Deutschland. Zwar saßen auch in dieser Runde die Jäger nicht mit am Tisch. Aber trotzdem kam die mit überwiegend öko-orientierten Forst-Experten besetzte Gruppe zu sonst oft vernachlässigten Erkenntnissen. Zum Beispiel: „Umfangreiche und wahrscheinlich hoch konfliktreiche gesellschaftliche Aushandlungsprozesse wären bei der nationalen EUBDS-Umsetzung erforderlich. Veränderung in Wertschöpfung und Beschäftigung würde bspw. insbesondere den ländlichen Raum betreffen.“ In einfacher Sprache: Es geht um Einkommen und Arbeitsplätze auf dem Land. Auslagerung der Probleme auf Drittstaaten? Ebenfalls klar laut Studie: Konkret ist auch – wie so oft – die Gefahr, dass Probleme nicht gelöst, sondern auf andere Regionen und Kontinente ausgelagert werden. Zitat: „Die Ausweisung neuer Schutzgebiete im Wald wird sich auf die Rohholzproduktion in der EU auswirken. Für mindestens einen Teil dieser Produktion ist eine Verlagerung in sogenannte Drittstaaten zu erwarten. Damit besteht konkret die Gefahr, dass negative Effekte auf die Biodiversität in diese Staaten verlagert werden.“ Zwar fordert auch die EU-Strategie, „dass die Maßnahmen der EU nicht zur Entwaldung in anderen Regionen der Welt führen“ sollen. Wie das gelingen soll, bleibt offen. Ungeteilten Beifall gibt’s logisch nur von Spenden-Vereinen, voran vom WWF, der auch sonst gern mal die Interessen der von Öko-Politik direkt betroffenen Menschen ignoriert. Und geflissentlich übersieht, dass gerade private Waldbesitzer wie die schwäbischen Adelshäuser zu Oettingen seit Generationen auch den Artenschutz im Blick haben. Was womöglich auch den Grund hat, dass dort Jagd und Forst noch zusammengehören. Eher globale Wahrheiten gibt es auch. Die Waldfläche in der EU wuchs laut Statistik der Vereinten Nationen zwischen den Jahren von 1990 und 2000 um 14 Millionen Hektar. Eine Fläche etwa so groß wie die Mitgliedsländer Österreich, Slowakei und Slowenien zusammen. Was auch durch den Verzicht auf die Nutzung von Acker- und Weideland möglich wurde. Das führte dort entsprechend zum vermehrten Import von Agrarprodukten aus fernen Ländern, die es mit der nachhaltigen Forstwirtschaft und dem Artenschutz nicht ganz so genau nehmen. Manche Propheten sehen vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr Grotesk wirkt die Situation auch durch die Tatsache, dass Ökologen die Bedeutung von Holz als Baustoff neu entdecken. Nachhaltiger geht’s wohl nicht. Gerade auch im Kreislauf von Ernte und Neupflanzung, siehe CO₂-Bilanz jünger Wälder und Artenvielfalt auf abgeernteten Flächen. Selbst da sehen manche Propheten vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Und nicht die Tatsache, dass Menschen am liebsten schützen, was ihnen Nutzen bringt. Originalton aus der „Salzburger Erklärung“: „Gerade im ländlichen Raum ist die Waldbewirtschaftung ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Sie sichert allein in Österreich und Bayern entlang der Wertschöpfungskette Forst und Holz insgesamt 480.000 Arbeitsplätze bei einer Wertschöpfung von mehr als 44 Milliarden Euro jährlich.“
- Wenn das Internet im Wartemodus ist
500.000 Haushalte in Deutschland sind über das Internet nicht gut versorgt. Die Netzagentur bestätigt jetzt Anschluss-Anspruch für alle Der Fall spielt irgendwo in Niedersachsen. Wahrscheinlich nicht in Hannover oder Braunschweig, nicht in Osnabrück oder einer anderen Stadt. Sondern in einem Dorf, dessen Name unbekannt bleiben soll. Genau wie der Name des Beschwerdeführers und des betroffenen Internet-Anbieters. Alles soll geheim bleiben. Der Beschwerdeführer hatte sich monatelang bei der dafür zuständigen Bundesnetzagentur über den fehlenden oder den viel zu langsamen Internet-Anschluss beklagt. Passiert war aber nichts. Irgendwann war die Geduld zu Ende. Der Kläger oder Beschwerdeführer setzte sich hin und schrieb einen Brief an die Bundesnetzagentur. Darin berief er oder sie sich auf ein Versprechen der ehemaligen Kanzlerin. „Das Recht auf schnelles Internet“ hatte Angela Merkel in ihrer Regierungszeit auf den Weg gebracht. Sie wollte damals gerade den Rückstand gegenüber anderen Ländern wie den baltischen Staaten aufholen. Auch die Corona-Zeit machte allen deutlich: Deutschland war mit der Internet-Versorgung gerade strukturschwacher Regionen extrem hintenan, verlor sogar den Anschluss. Die Bundesnetzagentur berief sich nun auf genau diesen Anspruch und verdonnerte das betroffenen Versorgungsunternehmen zum Handeln. Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller betonte in einer aktuellen Pressemitteilung, dass nach geltender Rechtslage „jede Bürgerin und jeder Bürger das Recht auf eine angemessene Versorgung habe. Im beruflichen und im privaten Alltag ist eine ausreichende Internet- und Telefonversorgung essenziell.“ Behördenchef Müller sprach selbst von einem Pilotverfahren, dem viele andere folgen dürften. Über 130 andere Fälle sollen auf dem Schreibtisch der Bundesnetzagentur liegen. Dabei wird es nicht bleiben. Nur wenig Hoffnung auf hohe Geschwindigkeit Eine Aussicht, die vielen Internet-geplagten Menschen im ländlichen Raum Hoffnung macht. Nach Branchenschätzungen sind knapp 500.000 Haushalte in Deutschland nicht gut versorgt mit dem schon von der vormaligen Bundeskanzlerin versprochenen „schnellen Internet“. Konkret: Diese Haushalte haben entweder gar keinen Anschluss oder einen sehr langsamen. Für viele Privathaushalte mag dies ein Ärgernis sein, für viele Unternehmen im ländlichen Raum ist dies aber ein absoluter Standortnachteil – privat und um ihre Kunden zu erreichen. Auch der durch Corona forcierte Homeoffice-Trend könnte für strukturschwache Regionen ein Hoffnungsschimmer sein, mehr Einwohner, Kaufkraft und Leben zu generieren. Doch dies bleibt dann eine theoretische Chance, wenn die Arbeitnehmer aufgrund von fehlender Breitband-Versorgung nicht im Homeoffice arbeiten können und also doch wieder ins Büro oder die Behörde fahren müssen. Auch Verbraucherschützer sind zwar zufrieden mit dem Beschluss aus Bonn, bemängeln aber zwei Dinge: Es habe viel zu lange – nämlich zwei Jahre – gedauert, bis man das Unternehmen nun zum Handeln verpflichtet habe. Und die Mindestanforderungen für die Bandbreite und Schnelligkeit seien zu gering und „nicht mehr zeitgemäß“. Deswegen müsse mehr geschehen. Nur Mindestanforderungen erfüllt Wirklich schnell ist die rechtlich zugesicherte Leitung nämlich nicht: Im Download müssen mindestens zehn Megabit pro Sekunde erreicht werden, im Upload 1,7 Megabit und in der Latenz (Reaktionszeit) maximal 150 Millisekunden. Standard sind Werte von zum Beispiel 20 Megabit pro Sekunde – Tendenz steigend. Wer jetzt nach der Anordnung der Verbraucherschützer den betroffenen Haushalt versorgen muss, ist laut Pressemitteilung unklar: Neben der Deutschen Telekom, 1&1 und Vodafone ist auch der umstrittene Satelliteninternet-Anbieter Starlink in diesem Geschäft tätig. Diese Dienste investieren zwar in die auch für sie lukrative Versorgung. Doch im Fokus der Wirtschaftsunternehmen stehen hierbei eher die Städte, weniger die Versorgung des ländlichen Raums. Denn wenn die Bagger einen weiten Weg zur Baustelle oder zum Einzelhaus zurücklegen müssen und nur wenige zahlungskräftige Kunden dort wohnen, lohnt sich diese teure Maßnahme für diese Unternehmen eher nicht. Daran dürfte auch das Machtwort aus Bonn nur wenig ändern.