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  • Die Bezahlkarte – hilfreich für Kommunen und gegen die AfD

    Nachdem die Grünen keinen Widerstand mehr leisten, wird die Bezahlkarte wohl bundesweit eingeführt. Landräte dürften erleichtert sein Am Ende kommt sie nun doch bundesweit (bis auf Bayern und Mecklenburg-Vorpommern) – vorausgesetzt, dass auch der Deutsche Bundestag wie erwartet zustimmt: die Bezahlkarte für Asylbewerber. Für die Kommunen auch im ländlichen Raum ist das eine gute Nachricht, denn auf diese Weise wird der Verwaltungsaufwand erheblich vereinfacht. Weniger Bürokratie ist allerdings nicht der einzige Grund, warum die Bezahlkarte zu begrüßen ist. Denn zugleich ist sie „ein Baustein gegen die AfD“, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ formulierte. Ein Baustein neben weiteren wie der nun von Kommunen zum Teil umgesetzten Arbeitspflicht für Flüchtlinge. AfD-Forderungen nach einem Ende des Asylrechts lösen keine Probleme Mit dem Megathema Migration ist es der AfD gelungen, Stimmung zu machen und gerade im Osten Deutschlands Höchstwerte in den Umfragen zu erhalten, auch in dünn besiedelten Regionen. Doch radikale Forderungen der rechtsextremen Protestpartei nach einem Ende des Asylrechts lösen keine Probleme. Seriösen Politikern geht es darum, das bestehende Asylrecht zu erhalten, aber Missbrauch beim Asylbewerberleistungsgesetz zu verhindern. Denn Geld, das der deutsche Steuerzahler Asylbewerbern für ihren täglichen Bedarf zur Verfügung stellt, sollte auch hier in Deutschland verwendet werden. Zwar blockierte die Bundestagsfraktion der Grünen lange die Bezahlkarte, anders als etwa Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die hessischen Grünen und zuletzt Wirtschaftsminister Robert Habeck. Nun zeigt sich die Politik reichlich spät, aber nicht zu spät endlich handlungsfähig. Zur Erinnerung: Schon im November hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Einführung der bundesweiten Bezahlkarte verkündet, erst jetzt ist der Widerstand der Grünen vorbei. Eine Bezahlkarte ist nicht diskriminierend Die Entscheidung, die Bezahlkarte einzuführen, kommt den Kommunen zugute. Gerade die Landkreise und Städte sind herausgefordert durch die hohe Zahl von Asylbewerbern, insbesondere bei deren Unterbringung. Kein Wunder, dass deshalb Landräte in Thüringen bei der Geldkarte vorgeprescht sind und jetzt vor der bundesweiten Einführung bereits eine Zwischenlösung bieten können. Da die Bezahlkarte ähnlich aussehen soll wie eine EC-Karte, ist es unverständlich, weshalb sie diskriminierend, stigmatisierend und integrationsfeindlich sein soll, wie Flüchtlings- und Wohlfahrtsverbände behaupten. Die ausgezahlten Mittel an Flüchtlinge sind ja nicht weniger, nur das Bargeld ist weniger. Warum soll dies gegen die Menschenwürde verstoßen?

  • In der Gastronomie gehen immer mehr Lichter aus – vor allem in den Dörfern

    Immer mehr traditionelle Gasthäuser und Restaurants schließen. Das stille Sterben der Gastronomie trifft vor allem den ländlichen Raum. Was tut die Regierung? Die Öffentlichkeit reagierte geschockt: Starkoch Steffen Henssler musste im Dezember seine Sushi Bar „Happi by Henssler“ in Bremen wieder schließen. In Dortmund erwischte es sogar zwei Sterne-Restaurants – in einem Jahr. Bitter für die Spitzengastronomie. Doch unbeobachtet von der Öffentlichkeit oder den Medien gibt es in Deutschland flächendeckend ein gravierendes Restaurant- und Gastronomiesterben. Im Stillen, unbeobachtet, weil viele Betriebe weit weg von den Metropolen ihren Sitz haben. Seit Jahrzehnten. Der Prozess ist schleichend, trifft vor allem Familienunternehmen, die ihre Betriebe oft über Generationen führen. Nach Angaben des Branchenverbandes Dehoga sorgten massive Umsatzeinbrüche allein in den Jahren 2020 und 2021 dafür, dass über 36.000 Unternehmen von der gastronomischen Landkarte verschwunden sind. Für immer. Ein Beispiel: Allein in Sachsen mussten 1452 Gasthöfe Lichter und Herde ausschalten. Im Schnitt waren dies drei pro Gemeinde. In Baden-Württemberg waren es 5000 Betriebe, in Nordrhein-Westfalen 5000 von 50.000. Einfach weg, geschlossen, mit einem Schild versehen: „Wir verabschieden uns von unseren Gästen.“ Das Gefühl des „Es-wird-alles-schlechter“ – gerade im ländlichen Raum des Ostens schlägt sich das nicht nur gesellschaftlich-sozial nieder. Sondern in Umfragen, bald wohl auch in Wahlen. Ein Grund für das massive Restaurant- und Gastrosterben war natürlich die Pandemie. Die Lockdowns sorgten in der Branche für Umsatzeinbrüche von bis zu 95 Prozent. Viele Mitarbeiter verloren ihren Job, wanderten ab in andere Branchen, die sich besser durch Corona retten und höhere Gehälter zahlen konnten. Der plötzlich boomende Außer-Haus-Verkauf rettete einige Betriebe zwar. Doch das klappte zumeist in den Ballungszentren, weniger gut im ländlichen Raum. Dort waren und sind Restaurants und Gasthäuser oder Kneipen immer mehr als pure Essens-Orte gewesen, sondern zum Teil mit Saalbetrieb Orte der Geselligkeit und des sozialen Miteinanders. Für Vereine, Familien, Generationen. Scholz erinnert sich nicht Die damalige Bundesregierung stützte in den dunklen Jahren der Pandemie die Tourismus- und Gastronomiebranche mit insgesamt 24,5 Milliarden Euro – knapp die Hälfte der ausgezahlten Überbrückungshilfen. Ein ungeheurer Kraftakt. Doch irgendwann drehte sich der Wind, wurde die Solidarität mit der Gastronomie-Branche, die immerhin über zwei Millionen Menschen beschäftigt, brüchig. Ende des vergangenen Jahres stand in Berlin die Entscheidung an, ob die im Zuge der Corona-Hilfen eingeführte Mehrwertsteuersenkung auf Speisen in der Gastronomie weiter beibehalten wird. Sieben Prozent oder 19 Prozent? Ein Schnitzel für 25 Euro oder für 28 Euro? Das Versprechen war gegeben, amtlich vom damaligen SPD-Spitzenkandidaten Olaf Scholz in der ARD-Wahlarena: „Das schaffen wir nie wieder ab.“ Beständig ermahnte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Ampel, sich im Sinne der beschäftigungsintensiven Branche daran zu erinnern. Argumente für den ermäßigten Steuersatz gab es jede Menge: 2022 und 2023 verteuerte die Inflation die Kosten für Lebensmittel (plus 20 Prozent), Energie (15 Prozent) und Gehälter (12 Prozent) immens. In 23 von 27 EU-Staaten gilt der reduzierte Mehrwertsteuersatz auf Essen. „Hier stehen gerade grenznahe Betriebe und Regionen unter erheblichem Konkurrenzdruck. Wir wollen nicht, dass noch mehr Betriebe den Schlüssel umdrehen müssen. Wenn die letzte Kneipe stirbt, wird es still im Dorf“, begründete die Unions-Opposition ihren Gesetzesantrag. Besonders widersinnig: Die Restaurants und Gasthöfe müssen für ihr Essen im Raum 19 Prozent Steuern zahlen (und berechnen), Lieferdienste, die vor allem in den Städten boomen, unterliegen für ihr Angebot „Essen-to-go“ dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Neben den schlechteren Arbeitsbedingungen produzieren diese Lieferdienste Unmengen an Verpackungsmüll. Tag für Tag. Wirte haben Angst vor Preiserhöhungen Doch die Ampel lehnte trotz Protests der Branche den Antrag der Opposition im Bundestag kalt ab. Auch hier grassierte eigene Vergesslichkeit – auch und gerade bei der FDP, die noch wenige Wochen zuvor im bayerischen Landtagswahlkampf proaktiv erklärt hatte, die Mehrwertsteuer bei sieben Prozent belassen zu wollen. Nach der Landtagswahl war auch dies vergessen. Die Regierenden beriefen sich nun in ihrer Ablehnung jammernd auf das von ihnen selbst verursachte 60-Milliarden-Haushaltsloch, das ihnen vor dem Bundesverfassungsgericht schonungslos um die Ohren gehauen wurde. Die Gastronomiebranche kämpft nun sein Jahresbeginn mit diesen Konsequenzen – und einem Preisschock. Das Schnitzel für 30 Euro, der Flammkuchen für 18 Euro, das können oder wollen sich immer weniger Menschen leisten. 12.000 weitere Betriebe stehen laut Branchenverband bundesweit vor dem Aus. Viele Restaurants haben sich noch gar nicht getraut, die höheren Preise auf ihre Speisekarte zu drucken, um nicht Kunden und Gäste zu verschrecken. „Ich merke schon heute, dass Gäste seltener kommen, weniger bestellen oder gar nicht mehr. Das wird sich im Jahr noch verschärfen“, erklärt ein Gastwirt aus Thüringen. Das dicke Ende kann also noch kommen. Und dann könnten weitere Lagerfeuer für die dörfliche Gemeinschaft ausgehen.

  • Mehr Platz, mehr Licht – mehr Tempo

    Die Zukunft steht in Bad Sassendorf in NRW. Auf Haus Düsse wurden zwei neue Demonstrationsställe für die Schweinehaltung von morgen in Betrieb genommen Natürlich überwiegt momentan die Freude. Endlich, so muss man sagen, kann auf dem Gelände des Versuchs- und Bildungszentrums Haus Düsse im Kreis Soest nicht nur interessierten Praktikern gezeigt werden, wie Ställe der Haltungsformen 3 (Frischluftstall) und 4 (Auslauf/Weide) bestenfalls aussehen können. In einer Zeit, in der Schweinehalter laut nach Planungssicherheit rufen, ist so ein Anschauungsobjekt allemal sinnvoll. In der schwierigen Tierwohl-Debatte können Musterställe auch zur Versachlichung beitragen. Auf Haus Düsse, einem Standort der Landwirtschaftskammer NRW mit Ausstrahlung auch auf die anderen Bundesländer, hofft man darauf, dass sich hier traditionelles Wissen und moderne Technologien vereinen. So formulierte es Kammerpräsident Karl Werring, der gemeinsam mit NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) den „Stall der Zukunft“ eröffnete. Mehr Platz, mehr Licht, mehr Tierwohl – so lautet das griffige Motto für die zwei Stallanlagen, die mit viel Hightech ausgestattet wurden, damit bekannte und neue Techniken erprobt werden können. Bürokratische Belastungen: Vier Jahre Planung und Umsetzung Gewünscht hätte man sich aber auch mehr Tempo. Denn vom Projektstart bis zur Einweihung und Inbetriebnahme sind vier Jahre vergangen. Als man im Frühjahr 2022 endlich den Grundstein legte, wurde noch mit einer einjährigen Bauzeit gerechnet. Am Ende dauerte es zwei Jahre, weil auch das Modellvorhaben mit der boomenden Baukonjunktur und vor allem den rechtlich komplizierten Regelungen zu kämpfen hatte. Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, Vergaberichtlinien, Ausschreibungsregeln – offen wird auf Haus Düsse davon gesprochen, dass man deshalb nicht nur wertvolle Zeit verloren hat, sondern die bürokratische Belastung auch Nerven kostete. Betriebsinhabern ist diese Klage nicht unbekannt. Die beiden Modellställe, die in ihrer Art noch einzigartig in Deutschland sind, sollen aufzeigen, dass bei der Schweinehaltung mehr Tierwohl, mehr Nachhaltigkeit und weniger Emissionen möglich sind. Dies, so hoffen die Initiatoren, soll auch die gesellschaftliche Akzeptanz für die im Rückzug befindliche Schweinehaltung in Deutschland wieder erhöhen. Zurzeit baut kaum noch jemand einen neuen Stall. Im Gegenteil: Nach letzten Untersuchungen ist die Zahl der schweinehaltenden Betriebe in den vergangenen zehn Jahren um über 40 Prozent gesunken. Mit den entsprechenden Folgen für die Struktur der ländlichen Regionen. Wissenschaftlich fundierter Lösungsvorschlag liegt auf dem Tisch Es wird also allerhöchste Zeit, wie beim „Stall der Zukunft“ noch mehr in die Forschung der Nutztierhaltung zu investieren und Haltungsbedingungen weiterzuentwickeln. Seit vielen Jahren liegt mit der Nutztierstrategie der Borchert-Kommission auch vor, was zu tun ist. Auf Haus Düsse gibt es jetzt eine „evolutionäre“ Weiterentwicklung eines Musterstalls mit Außenklimakontakt für Schweine mit bis zu 400 Mastplätzen und eine „revolutionäre“ Stallanlage mit bis zu 270 Schweinemastplätzen, um Tieren noch mehr Platz zur Bewegung und zum Auslauf zu geben. Hinzu kommen laut Landwirtschaftsministerium noch verschiedene Lösungen für die Ausbildung tiergerechter Funktionsbereiche im Stall. Im „revolutionären Stall“ ist dies beispielsweise eine innovative Dachkonstruktion – ein Gewächshausdach aus Glas, das sich öffnen lässt. Die Tiere finden dort Wühlgärten, Stroh und Holzhackschnitzel auf dem Boden. Moderne technische Verfahren sollen zur Lärmminderung oder zur Trennung von Kot und Harn beitragen. Die Ställe dienen darüber hinaus der Aus- und Weiterbildung und sollen Erkenntnisse über den Betrieb und das Management von Außenklimaställen liefern. Am 5. und 6. März finden auf Haus Düsse deshalb auch gleich die ersten Praktikertage zum „Stall der Zukunft“ statt.

  • Hohe Mieten als Standortnachteil

    Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist in vielen Großstädten prekär. Im Wettbewerb um Nachwuchskräfte kann der ländliche Raum mit erschwinglichen Mieten punkten Laut einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC in zwölf deutschen Großstädten sind die hohen Mieten mittlerweile für die dortigen Unternehmen eine Hürde, um neue Fachkräfte zu gewinnen. Das teure Wohnen gilt vielen Beschäftigten als Manko für das Leben in der Großstadt. Laut PwC denkt sogar ein Drittel über einen Wechsel des Jobs wegen der hohen Mieten nach. Noch ist es eine eher kleine Minderheit, die deswegen tatsächlich umzieht. Aber die Möglichkeit eines Trends zeichnet sich bereits deutlich ab. Laut PwC wird es für Arbeitgeber in Ballungsräumen immer schwieriger, Fachkräfte zu finden und zu halten. Zudem sei die Erwartung von Beschäftigten an die Firmen hoch, wegen der hohen Wohnkosten finanzielle Hilfe – sprich ein höheres Gehalt oder sonstige Vergünstigungen – zu bekommen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann dies für Unternehmen kostenmäßig durchaus zum Problem werden. Laut der PwC-Studie gilt der Wohnungsmarkt in Stuttgart und München als besonders schwierig. Manche Beschäftigte ziehen für sich berufliche Konsequenzen. So haben bereits elf Prozent der Befragten wegen zu hoher Mieten in der Region den Job gewechselt. Bei den 18- bis 34-Jährigen sind es immerhin 17 Prozent. Ein Drittel hat einen entsprechenden Umzug bereits erwogen, bei den Jüngeren (18-34 Jahre) sind es sogar 41 Prozent. In Berlin wollen besonders viele wechseln Besonders hoch sei die Wechselbereitschaft in Berlin, berichtet PwC. Dort hätten sich 18 Prozent der Befragten wegen zu hoher Mieten einen neuen Arbeitsplatz gesucht. 36 Prozent dächten darüber nach. Noch höher sei der Anteil nur in Stuttgart mit 38 Prozent gewesen. Natürlich können die hohen Wohnkosten nicht der alleinige Grund sein, um seinen Job inklusive Wohnort zu wechseln. Hinzukommen muss eine attraktive Perspektive für die berufliche und persönlich-private Zukunft. Und da können mittelständische Unternehmen gerade im ländlichen Raum häufig einiges in die Waagschale werfen. Lange galt es als Standortnachteil, weit vom Großstadtleben entfernt zu sein. Doch genau daraus könnte sich nun ein Vorteil entwickeln. „Im Wettbewerb um passende Nachwuchskräfte können sie mit erschwinglichen Mieten punkten“, sagt Bernd Roese, Leiter des PwC-Standorts Frankfurt. Das gelte aber nicht für alle Großstädte. So sei in München oder Berlin der sogenannte Speckgürtel fast ähnlich teuer wie die Metropolen selbst. Umso wichtiger ist es, dass auch in etwas weiter entfernten Regionen attraktive Lebensverhältnisse und Verkehrsanbindungen geschaffen werden, damit die dortige Wirtschaft im Wettbewerb um Fachkräfte erfolgreicher wird. Auch Bund und Land sollten daran interessiert sein. Denn eine Stärkung des ländlichen Raumes kann zugleich soziale und wirtschaftliche Alternativen zum Leben in Großstädten schaffen und somit dort indirekt sozialen Druck mindern helfen. Gewiss, Wohnen und Arbeiten in Metropolen haben auch ihre Vorzüge. So bewertet die große Mehrheit der Menschen laut PwC das Leben in der Großstadt als angenehm. Dies gilt etwa für Jobchancen, kurze Arbeitswege, Einkaufsmöglichkeiten sowie Bildungs- und Kulturangebote. Rund neun von zehn Berufstätigen würden sich demnach an ihrem Wohnort wohlfühlen. Wären da nicht die allzu hohen Wohnkosten. Eigene Vorzüge herausstellen Hier sollten die Kommunen im ländlichen Raum gegenhalten, indem sie ihre eigenen Vorzüge stärker herausstellen, von Naturnähe bis zu attraktiven Freizeitmöglichkeiten. Und zugleich gilt es, zentrale Standortfaktoren wie schnelles Internet und gute Verkehrsanbindungen konzentriert zu verbessern. All dies sind keine Punkte, die nur Neuankömmlingen zugutekommen. Davon profitiert jeder in der Region: von den alteingesessen Bewohnern bis hin zu den Unternehmen, die sich auf dem nationalen und internationalen Markt behaupten wollen. Für die PwC-Studie wurden im Herbst 4.200 Berufstätige in Deutschland zwischen 18 und 65 Jahren aus zwölf Großstädten im Auftrag von PwC online befragt – darunter Berlin, Hamburg, München, Essen, Leipzig und Hannover. Den Angaben nach war die Studie repräsentativ.

  • Die EU und der Führerschein

    Im Europaparlament kursierten ebenso weltfremde wie altersdiskriminierende Vorschläge. In den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten gibt es weiteren Änderungsbedarf Die Erlaubnis, ein Kraftfahrzeug zu führen, verleiht dem Menschen Freiheit. Stadtbewohner können Wege per Rad, zu Fuß oder mit Bus und Bahn zurücklegen. Wer aber auch nur wenige Kilometer von der nächsten U- oder Stadtbahnstation entfernt wohnt, der weiß: Gesellschaftliche Teilhabe, soziale Kontakte, Sportaktivitäten und der Besuch von Kulturveranstaltungen sind häufig nur dann möglich, wenn man sich mal eben ins Auto schwingen darf. Im Zuge der Verhandlungen zum Vorschlag der EU-Kommission über die neue Führerscheinrichtlinie gab es den Versuch der grünen sogenannten Verkehrsexpertin Karima Delli aus Frankreich, die individuelle Mobilität der Europäer massiv einzuschränken. Die Parlamentarierin, die seit fünf Jahren den Verkehrsausschuss leitet, wollte sich zum Ende ihrer Laufbahn als Abgeordnete noch ein unrühmliches Denkmal setzen. Als Berichterstatterin des Parlaments wollte sie zahlreiche Verschärfungen durchsetzen, die sowohl älteren Verkehrsteilnehmern als auch Fahranfängern das Steuern eines Kraftfahrzeugs enorm erschwert hätten. Das Horrorkabinett der lebensfremden wie altersdiskriminierenden Vorschläge sah unter anderem vor: Ältere sollten ab einem bestimmten Alter zu verpflichtenden Fitnesstests vorgeladen werden. Nachtfahrverbote sollten für jüngere Fahranfänger gelten, Tempolimits durch die Hintertür und SUV-Führerscheine eingeführt werden. Außerdem sollte das begleitende Fahren ab 17 abgeschafft werden. Mitgliedstaaten sollen selbst entscheiden Nun hat das Parlament seine Position für die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten abgestimmt. Dabei erlitt die grüne Berichterstatterin mit vielen ihrer erzieherischen Vorschläge Schiffbruch. Das Parlament will sich jetzt dafür starkmachen, dass die Behörden der Mitgliedstaaten selbst entscheiden können, ob bei der Erneuerung eines Führerscheins ein Fitnesstest angezeigt ist. Das ist bereits jetzt gängige Praxis so in manchen Mitgliedstaaten und soll auch so bleiben. Zu loben ist, dass die Ausbildung zum Lastwagen-Fahrer attraktiver werden soll. So sollen EU-weit Auszubildende bereits ab 17 auf schweren Nutzfahrzeugen Gebrauch machen können vom begleitenden Fahren. Bislang brachen viele Lehrlinge etwa in Deutschland die Ausbildung ab, weil sie erst mit Erreichen des 18. Lebensjahres erste Erfahrungen hinter dem Steuer sammeln konnten. Leider ist es nicht gelungen, deutsches Recht beim Steuern von Traktoren auf die gesamte EU auszuweiten. Hierzulande dürfen Jugendliche bereits mit 16 den Traktorführerschein machen. In Nachbarländern ist das erst ab einem Alter von 18 Jahren möglich. Gerade in grenznahen Gebieten, wo längst Landwirte Felder in unterschiedlichen Mitgliedstaaten bestellen, wäre es wichtig gewesen, das deutsche Recht auszudehnen. Die neuen Regeln im Zusammenhang mit der Führerscheinrichtlinie sind noch nicht endgültig. Nach den Europawahlen muss der Verhandlungsführer des Europaparlaments mit den Mitgliedstaaten eine politische Einigung aushandeln. Dabei sollten dann weitere Verbesserungen im Interesse der Mobilität erzielt werden. Die Chancen dafür stehen umso besser, da die ideologiebehaftete grüne Abgeordnete Delli dann nicht mehr dem Parlament angehört und das Dossier an einen anderen Verhandlungsführer übergeben muss. Wer das sein wird, das lässt sich jetzt noch nicht sagen. Dass das wichtige Dossier dort in besseren Händen ist, davon kann man getrost ausgehen.

  • Das Ländle leben lassen

    Jeden Tag werden in Deutschland 55 Hektar Fläche zubetoniert. Ein Bündnis von Naturschützern, Bauern, Jägern und Fischern will in Baden-Württemberg den weiteren Raubbau verhindern Bald ist es so weit. Ende Februar werden die Initiatoren von „Ländle leben lassen“ 50.000 Unterschriften an den Landtag von Baden-Württemberg übergeben. Ihre Forderung: Statt täglich wie bisher fünf bis sechs Hektar Natur in Siedlungs- oder Verkehrsflächen zu versiegeln, sollen es demnächst nur noch 2,5 Hektar, bis 2035 sogar null Hektar sein. Das Problem gibt es nicht nur im Südwesten. Laut der Flächenstatistik des Bundes liegt der Verbrauch insgesamt bei etwa 55 Hektar am Tag, wenn auch 74 Hektar weniger als noch 2000. Die Bundesregierung will bis 2030 den Flächenverbrauch auf 30 Hektar am Tag reduzieren. Das Ziel bis 2050 heißt laut Klimaschutzplan sogar null. Die baden-württembergische Initiative – ein Bündnis aus Natur- und Klimaschützern Seit an Seit mit Bauern, Jägern und Fischern – findet starken Rückhalt: 40.000 Unterschriften hätten gereicht, damit sich das Parlament in Stuttgart laut Verfassung mit dem Antrag befassen muss. Am Ende waren es gedeckelte 50.000. Dabei hat die Landesregierung in ihrem grün-schwarzen Koalitionsvertrag seit 2021 dieselben Ziele zum Flächenverbrauch stehen, wenn auch ohne größere Konsequenzen und weitgehend folgenlos. Unbestreitbar ist es ökologisch sinnvoll, den wirtschaftsorientierten Flächenfraß wenn zu nicht zu stoppen, so doch wenigstens spürbar zu beschränken. Die Initiatoren stehen mit ihrer Feststellung, der voranschreitende Flächenfraß sei „eines der gravierendsten Umweltprobleme unseres Bundeslandes und bedroht nicht nur die hiesige Natur und Landwirtschaft, sondern auch die Lebensqualität in unserer Heimat“, nicht allein. Ihr Beispiel alarmiert: In den vergangenen 50 Jahren haben danach zwei Generationen so viel neue Siedlungsflächen in Anspruch genommen wie zuvor 80 Generationen zusammen. Zu viele Neubauten an Ortsrändern Auch in Baden-Württemberg hatten sich viele Kommunen auf den 2017 beschlossenen Paragrafen 13b im Baugesetzbuch berufen, der bei Neubauten an Ortsrändern vorübergehend keine Umweltprüfung mehr vorsieht. Folge: Überall wuchsen neue Wohngebiete aus dem Boden. Dass das Bundesverwaltungsgericht im August 2023 den Paragrafen als mit dem Europarecht unvereinbar bezeichnete, ist da nicht nur für die Initiatoren „der erfolgreichste Rechtsbruch der Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte“. Es geht schließlich um viel Geld: Die Gewerbesteuer fließt direkt in die meistens klamme Gemeindekasse. Da ist die Frage vieler Bürgermeister, woher die nötigen Mehrausgaben für Kitas oder schulische Ganztagsbetreuung ohne flächenmäßige Expansion herkommen sollen, ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Das Zauberwort heißt „Flächenmanager“. Oder weniger individuell: Flächenverdichtung im Ortskern. Denn es gibt überall viele Häuser und Wohnungen, die unbewohnt sind sowie zahlreiche Grundstücke, die unbebaut bleiben. Das Bundesumweltministerium glaubt, dass in vielen Städten und Gemeinden Baulandreserven „in erheblichem Umfang“ vorhanden sind. Doch es gibt wie immer auch die andere Seite der Medaille: Allein in Baden-Württemberg werden laut Gemeindetag durch Zuzug 485.000 neue Wohnungen gebraucht sowie zusätzliche Flächen für Windräder und Solaranlagen, für Pflegeheime, Krankenhäuser, Sportplätze, Schulen und Kindergärten. Der Gemeindetag stellt nüchtern fest: Wer eine pauschale Begrenzung der Flächeninanspruchnahme oder gar perspektivisch eine Netto-Null wolle, müsse auch sagen, was dann in Baden-Württemberg nicht mehr möglich sein wird. Auch deshalb bleibt die Suche nach den Innerort-Lücken ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch wenn der kommunale „Flächenmanager“ bei den Eigentümern nachhakt und versucht, ins Gespräch zu kommen: Zwingen kann eine Gemeinde niemanden, den Umgang mit seinem Eigentum neu zu überdenken. Zudem eignen sich längst nicht alle Flächen und Gebäude für eine sinnvolle wohnbauliche Nachnutzung und gewerbliche Expansion. Und doch: Der Kampf gegen den bequemen kommunalen Flächenfraß lohnt. Nicht nur für die Umwelt, sondern auch für den Erhalt der Lebensqualität vor allem in den ländlichen Regionen.

  • Angst vor den Wahlen im Herbst

    Die Landtagswahlen im Osten könnten auch die Machtverhältnisse in Berlin verändern – und zeigen, wie sich der demografische Wandel auf die politische Landkarte auswirkt Die Umfragen sagen nichts Gutes voraus: SPD und Grüne müssen zum Beispiel bei den Landtagswahlen in Sachsen zittern, überhaupt wieder in den Landtag einzuziehen. Umfragen sehen vor allem die Grünen dort deutlich unter der Drei-Prozent-Marke, die Kanzlerpartei bei knapp unter fünf Prozent. Ausgerechnet die SPD, die 1863 in Leipzig gegründet wurde, könnte damit erstmals in einem Flächenland aus einem Parlament rausfliegen. Generalsekretär Kevin Kühnert fällt zu diesem drohenden Desaster wenig Neues ein. Natürlich müsse man die Gefühle der Ostdeutschen ernst nehmen. Und ihnen nicht das Gefühl vermitteln, dass sie abgehängt seien, sagt Kühnert wohl fast schon ein wenig hilflos. Die SPD hat sich in den neuen Bundesländern trotz einiger Erfolge in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg nie flächendeckend als Anwalt gerade der Arbeiterschaft etablieren können. Es fehlt an Bindung, an Verwurzelung, an Personal. In der CDU bemüht sich vor allem der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer aktuell redlich, all die erodierenden Gruppen und Stimmungen in seinem Bundesland einzufangen. Viele Erklärungen für diese Entwicklungen sind bekannt: In der Nach-Wende-Zeit kam es im sozialen, gesellschaftlichen und vor allem im wirtschaftlichen Bereich zu gravierenden Umwälzungen. 65 Prozent der Erwachsenen mussten sich beruflich neu orientieren, verloren ihre Jobs. Die Treuhand spielte nicht überall eine gute Rolle, auch und gerade bei der Privatisierung der ehemaligen LPG-Betriebe in der Nach-Wende-Zeit. Nach wenigen Jahren vereintes Deutschland verschwand auch die geliebte D-Mark, die für die Ostdeutschen immer eine Verheißung war. Der Euro wurde eingeführt. Die Flüchtlingskrise gab den nächsten Schub: Eine verborgene Ablehnung von Fremden, von Ausländern hatte es auch zu DDR-Zeiten schon gegeben. Angolaner oder Vietnamesen waren nie integriert, wurden sogar attackiert – die DDR-Propaganda verschwieg das. Nach 2015 kamen Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan nach Eisleben und Pirna, nach Görlitz und Gera. Gern gesehen waren die nicht. Heizungsgesetz verstärkt Verunsicherung Aktuell tut die in Berlin regierende Ampel-Koalition vieles dafür, diese Verunsicherung wachsen zu lassen. Jüngstes Beispiel: Das von Bundesumweltminister Robert Habeck geplante Heizungsgesetz hat die im Osten ohnehin ausgeprägte Verlustangst erheblich vergrößert. Viele befürchten, bald ihre Wohnung, ihr Haus zu verlieren. Viele Immobilien – gerade im ländlichen Raum, in den dünn besiedelten Räumen – dort stammen nämlich noch aus der Vor-Kriegszeit, wurden in der DDR-Zeit mangels Material und Kapital auch kaum oder ungenügend saniert. In der Nach-Wendezeit passierte ebenfalls wenig: Investoren haben in Leipzig und Dresden, vielleicht noch in Magdeburg oder Schwerin in Wohnungen investiert. Im Erzgebirge, in Brandenburg oder südlich des Küstenstreifens in Mecklenburg-Vorpommern geschah dies nicht. Das Heizungsgesetz bereitete vielen einen Schock. Rentner erhalten im Osten durchschnittlich 1380 Euro Rente. Bausparverträge gab es in der DDR ebenfalls nicht, auch Erbschaften wie im Westen nach den Wirtschaftswunderjahren sind nicht flächendeckend zu erwarten. Wie soll man da Investitionen für eine Wärmepumpe und Sanierung finanzieren? „Das ist vollständig unmöglich und überfordert viele Menschen im Osten. Und schon wieder ist bei den Menschen die Angst, aus dem eigenen Haus ausziehen zu müssen. Da kommen Erinnerungen an Nach-Wendezeiten hoch“, sagt ein Soziologe. Auf dem Land sorgten ungeklärte Eigentumsrechte für Flächen, die nach 1945 zwangskollektiviert wurden, für weitere Hürden sowohl bei der eigenen wirtschaftlichen Nutzung als auch bei Investitionen. Osten hat Millionen Menschen durch Wegzug verloren Neben dieser Verlustangst, die die Hinwendung zu radikalen Parteien wie der AfD oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht mit ihren einfachen Parolen ausdrückt, verstärkt auch die demografische Entwicklung im Osten die Schwäche der politischen Mitte. Insgesamt haben vier Millionen Menschen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges die ehemalige DDR oder die neuen Bundesländer verlassen. Viele gingen nach dem niedergeschlagenen DDR-Volksaufstand von 1953, als die letzte Hoffnung auf das bessere Deutschland brutal von sowjetischen Panzern niedergerollt wurde. Dann wurde es durch Mauerbau im Jahr 1961 und Schießbefehl weniger (knapp 300.000 gelang Flucht, Übersiedlung oder Freikauf in den Westen dennoch). Danach gingen noch einmal 2,3 Millionen Menschen in den 90er Jahren. Ein ungeheurer Aderlass. Nach einer aktuellen Studie des Info-Instituts leben in Ostdeutschland so wenige Menschen wie seit 1905 nicht mehr. Der Studienautor Felix Rösel sagte Zeit Online: „Die anhaltende Wucht der deutschen Teilung wird bis heute in der Öffentlichkeit völlig unterschätzt. Dieser Aspekt wird häufig übersehen und bedarf besonderer politischer Berücksichtigung.“ Noch eklatanter wirkt sich der Bevölkerungsschwund in den ländlichen Räumen aus, wenn man sieht, dass Städte wie Dresden, Leipzig oder Magdeburg durchaus wachsen und Ostdeutschland wirklich zu einem konkurrenzfähigen Standort für die Halbleiterindustrie wird. Doch – und das macht es wirtschaftlich und politisch so gefährlich – durch die Abwanderung Hunderttausender vor allem jüngerer und weiblicher Fachkräfte in fast allen Epochen der Geschichte Ostdeutschlands entweder in die Städte des Ostens oder in den Westen aus den ländlichen Räumen fehlt nicht nur das Fachpersonal. Sondern es fehlen auch Wähler, die mit ihrer Stimme die politische Mitte stabil halten. Und kommt es so, wie die Demoskopen vorhersagen, könnte der Wahlausgang genau diese Tendenz weg aus dem Osten, weg vom ländlichen Raum im Osten noch dramatischer ausfallen lassen. Denn wer will schon in einem Land leben, in dem Radikale die Mehrheit haben …

  • Von der Leyen entmachtet EU-Agrarkommissar

    Kommissionspräsidentin macht Agrarpolitik zur Chefsache und reagiert auf Bauernproteste Von Ludwig Hintjens In der Landwirtschaftspolitik auf EU-Ebene gibt es Bewegung. Es sind zwei Entwicklungen zu beobachten, die miteinander in Beziehung stehen. Zum einen verliert der zuständige Kommissar, Janusz Wojciechowski, zunehmend an Einfluss. Zum anderen ergreift die Kommission immer mehr Maßnahmen, um den Unmut der Landwirte zu dämpfen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Agrarkommissar Janusz Wojciechowski weitgehend aus dem Verkehr gezogen und die Agrarpolitik zur Chefsache gemacht. Sie sorgte etwa dafür, dass der Pole Anfang Februar nicht im Europaparlament in der Debatte zur Lage der Landwirtschaft sprach, sondern Maroš Šefčovič. Dieser ist Vize-Präsident der Kommission und, wenn man so will, der Vorgesetzte des Agrarkommissars, der früher einmal Christdemokrat war, dann aber wohl aus Karrieregründen in die PIS gewechselt ist. Von der Leyen wollte verhindern, dass Wojciechowski Dinge äußern würde, die er später zurücknehmen müsste. Genau das passierte dann dieser Tage. In einem Brief an den Chef des Agrarausschusses, Norbert Lins (CDU), schrieb Wojciechowski: Die Bauern gingen nicht wegen der EU-Agrarpolitik auf die Straße, sondern wegen der Freihandelsabkommen und des Green Deal. Postwendend musste er sich dafür entschuldigen und richtigstellen, dass dies nicht seine Meinung sei. Er habe vielmehr die Sorgen der Farmer wiedergegeben. Man kann sicher davon ausgehen, dass es anders war: Vielmehr hat die Kommissionspräsidentin empört, dass sich der Kommissar vom Green Deal und der Ukraine-Politik distanziert – zwei Grundkonstanten ihres Mandats. Abbau von Bürokratie Der Kommissar ist kaltgestellt und die Kommission sendet Signale an die unzufriedenen Bauern. Es geht um Abbau von Berichtspflichten, überflüssiger Bürokratie und um konkrete Erleichterungen bei den sogenannten Konditionalitätsanforderungen, die die Bauern erfüllen müssen, um die Direktzahlungen zu bekommen. Die Kommission verspricht etwa, dass die Besuche der nationalen Behörden auf den Höfen zur Kontrolle zahlenmäßig halbiert werden sollen. Sie stellt weitere Lockerungen bei den Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand der Flächen (GLÖZ) in Aussicht. Diese neun Standards gelten eigentlich seit 2023. Die Pflicht, einen Prozentsatz der Ackerfläche wegen des Artenschutzes brachliegen zu lassen, hatte die Kommission schon für 2023 außer Kraft gesetzt. Jetzt hat sie es gerade wieder für 2024 getan. Und sie will auch Viehhalter entlasten, die ihre Herden reduzieren und Dauergrünland in Ackerfläche umwandeln wollen. Auch bei den Regeln, um vegetationslose Böden zu bedecken und so der Erosion entgegenzuwirken, zeigt sie sich kompromissbereit. Die Kommission hat zudem eine große Online-Befragung angekündigt. Dabei soll jeder Landwirt in der EU die Chance bekommen, überflüssige Bürokratie zu benennen. Die Linie der Kommission ist also: Zug um Zug werden Gesetze des Green Deal zurückgedreht oder gar nicht erst beschlossen. Und sie verspricht den Landwirten Entlastung bei der Bürokratie. Unter dem Strich muss man einräumen, dass der Green Deal für die Bauern bislang weitgehend glimpflich verläuft. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Maßnahmen ausreichen, um den Zorn der Landwirte zu zügeln. Längst fordern sie, dass für Importe aus Nicht-EU-Ländern die gleichen Spielregeln gelten wie in der EU. Für Tomaten aus Marokko sollen die gleichen Pflanzenschutzregeln gelten wie für Tomaten aus Spanien. Rindfleisch aus Argentinien soll unter den gleichen Regelungen zur Belüftung und Größe der Ställe produziert werden wie Rindfleisch aus Frankreich. So verständlich aus wirtschaftlicher Sicht die Forderung der europäischen Bauern ist: Das ist Sprengstoff für die Freihandelsagenda der EU und dürfte der künftigen Kommission noch heftige Kopfschmerzen bereiten.

  • Grüne: Statt Einsicht nur Eigenlob

    Zwischenzeitlich hatte man die Hoffnung, die Bauernproteste könnten ein Umdenken bewirken. Für die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen gilt dies nicht Als am 1. Februar vom Bundestag der bis heute heftig diskutierte Etat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft angenommen wurde, gestand Cem Özdemir offen Fehler ein. Man habe, so der Minister, die Landwirtschaft über Gebühr belastet, dies aber korrigiert. Auch Dr. Sebastian Schäfer, Obmann der Grünen im Haushaltsausschuss, räumte ein, dass sich ein solches Haushaltsverfahren nicht wiederholen dürfe. Wie wahr, denn der Ärger, den die anfangs radikale Streichung der Agrardiesel-Rückerstattung und Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge ausgelöst hat, wirkt bis heute nach. Wer aus den beiden Äußerungen aber Selbstkritik bei den Grünen ableitet, der irrt sich gewaltig. Mit breiter Brust wird auf der Fraktionsseite im Internet behauptet, dass man im Haushalt 2024 „wichtige Akzente für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und lebenswerte ländliche Räume“ gesetzt habe. Mehr noch: „Wir finanzieren den Umbau der Tierhaltung und klimafreundliche Ernährung.“ Und als wäre Robin Hood noch unter den Lebenden, wird auf der Fraktionsseite kundgetan, dass man für ländliche Räume „Haushaltsmittel erkämpft“ habe. Da reibt man sich angesichts der Kürzungen und nicht umgesetzten Finanzierungszusagen die Augen. Kann man sich politisch tatsächlich so einigeln, dass man Einsparungen nach außen als Stärkung und wichtige Weichenstellungen verkauft? 150 Millionen Euro stehen für den Umbau der Nutztierhaltung auf den Höfen in diesem Jahr zur Verfügung, doch Milliarden sind erforderlich und müssten planungsfest im Haushalt verankert werden. Die nun aufgekommene vage Idee einer Art Verbrauchssteuer für mehr Tierwohl dürfte auf den Höfen keine Investitionswelle auslösen. Werbung für Klientelpolitik Da man hier politisch weiter kneift, bewirbt die Fraktion der Grünen im Netz klientelgerecht ihre eigenen politischen Meilensteine: Viele Millionen fließen in eine Eiweißpflanzenstrategie, in ein Kompetenzzentrum „Proteine der Zukunft“, in ein gleichermaßen ausgerichtetes „Chancenprogramm Höfe“ und in den ökologischen Landbau. Letzterer soll bekanntlich auch nach Vorstellung der Grünen bis zum Jahr 2030 auf einen Anteil von 30 Prozent kommen. Zurzeit sind es nicht einmal zehn Prozent. Dass man sich gegen die von der eigenen Ampel-Regierung ins Spiel gebrachten Kürzungspläne für die GAK-Mittel zur Wehr setzte, wird als Heldentat geschildert: „So unterstützen wir die Lebensqualität, die Zukunftsfähigkeit, den Zusammenhalt und die Biodiversität in ländlichen Regionen.“ Dass in den ländlichen Regionen ein Minus von unterm Strich 100 Millionen Euro verkraftet werden muss, wird vornehm verschwiegen. Ebenso, dass noch Geld aus dem Klima- und Transformationsfonds umgeleitet wurde, um den Wald für die Klimaveränderungen fit zu machen. Natürlich wird auch nicht erwähnt, dass man den Küstenfischern die Förderung regelrecht zusammengestrichen hat. Als „fatal“ kritisierte schon vor wenigen Tagen das Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt die Kürzungen beim Investitions- und Zukunftsprogramm (IuZ) der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Das Programm unterstützt die Einführung moderner, umwelt- und klimafreundlicher Technik auf den Höfen. Zwar läuft das Programm Ende 2024 aus, doch da nun deutlich weniger Mittel zur Verfügung stehen, können keine neuen Anträge mehr gestellt werden. Der CSU-Abgeordnete Artur Auernhammer spricht hier von einem „Vertrauensbruch“. Das hindert die Fraktion der Grünen nicht daran, Folgendes zu behaupten: „Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen und Wirtschaft in den ländlichen Räumen unterstützt werden und die Fördermaßnahmen und Projekte dort erhalten bleiben.“

  • Die Bauern können baden gehen

    Klatschnasse Felder, überschwemmte Wiesen: Die Sorgen der Landwirte werden immer größer. Neben den politischen Entscheidungen macht die Natur ihnen zu schaffen Eine Seenplatte auf beiden Seiten der Autobahn A1. Zwischen Hamburg und Bremen fehlen nur wenige Meter – und die Autobahn wäre überflutet. Auf Höhe Grundbergsee verwandelt das Wasser aus Weser, Aller und Wümme die Landschaft in eine Art Meer. In großen Teilen Niedersachsens, Nordrhein-Westfalens, Mecklenburg-Vorpommerns, Baden-Württembergs und ganz besonders in Schleswig-Holstein ist derzeit und wohl auch in den nächsten Wochen nicht an eine landwirtschaftliche Bearbeitung des Bodens zu denken. Das bringt die Bauern in zeitliche Bedrängnis. Normalerweise sind die Felder in der ersten Februarhälfte trocken genug, um gedüngt zu werden. In diesem Jahr nicht. Die meisten Böden sind nach Monaten des Regens völlig aufgeweicht. Traktoren mit schweren Anhängern würden einsinken. Dazu kommt die Gesetzeslage. Wenn der Untergrund mit Wasser mehr als gesättigt ist, darf keine Gülle aufgetragen werden. Sie würde mit dem nächsten Regen von der Oberfläche in Bäche und Flüsse gespült. Und weil das erhebliche Umweltschäden zur Folge hätte, besteht in dieser Zeit ein absolutes Gülleverbot. Hoffen auf längere Trockenphase Die betroffenen Landwirte haben sich in Lauerstellung begeben. In der Hoffnung auf ein baldiges Frühjahr mit einer längeren Trockenphase. Bereits im Herbst eingesäter Winterweizen oder Raps leiden unter der gestauten Nässe. Sie drohen größtenteils abzusterben. Ein Teil der Bauern überlegt, die Felder umzubrechen und neu einzusäen. Besonders dramatisch ist die Situation in den Marschgebieten, wo das Wasser partout nicht weiß, wo es hin soll. Der Start der Frühjahrsarbeiten wird sich um Monate verzögern, heißt es beim Bauernverband und bei der Landwirtschaftskammer. Besonders groß ist der Zeitdruck bei extensiv bewirtschafteten Grünlandflächen. Die Förderprogramme schreiben einen Abschluss der Arbeiten bis zum 1. März vor. Weil in den kommenden vier Wochen eine Bearbeitung jedoch nicht möglich ist, hat der schleswig-holsteinische Bauernverband im Ministerium um Fristverlängerung gebeten. Auch in Niedersachsen sind die Sorgen groß. Viele Regionen waren bereits zum Jahreswechsel überflutet. Dadurch seien viele Jungpflanzen abgestorben, meldet die Landwirtschaftskammer in Hannover. Die betroffenen Flächen müssten eigentlich jetzt bestellt werden, was aber nicht möglich ist. Ein zusätzliches Problem: Die Landwirte müssen weitere Lagerkapazitäten für die Gülle bereitstellen. Vereinzelt kommt es zur Notausbringung des flüssigen Düngers.

  • Mehr Herzinfarkt-Tote auf dem Land als in Städten

    Auf dem Land sterben nach einer Studie mehr 65-Jährige und Ältere an einem Herzinfarkt als in der Stadt. Eine Annahme dazu stimmt nicht Die Herzinfarktsterblichkeit ist in allen Altersgruppen ab 65 Jahren in ländlichen Regionen Deutschlands größer als in der Stadt. Das ergibt sich aus einer aktuellen Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock. Der Wissenschaftler Marcus Ebeling hat dafür zahlreiche Daten ausgewertet, zusammen mit Kollegen des Karolinska-Instituts in Schweden, der Universität Rostock und des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Untersucht haben die Forscher die Einweisungen ins Krankenhaus, die Ursachen für Todesfälle und Statistiken für die deutsche Gesamtbevölkerung der Jahre 2012 bis 2018 und für die Altersgruppe 65 und älter. Verglichen wurden 101 sehr ländliche und 67 sehr städtische Gebiete. Es liegt nicht daran, dass der Rettungswagen zu lange braucht Ein Ergebnis der Studie: Die Zahl der Neuerkrankungen an Herzinfarkt ist laut Ebeling auf dem Land erheblich höher als in der Stadt. Nach Ansicht der Forscher muss die Krankheitsprävention auf dem Land verbessert werden. Es gebe Hinweise darauf, dass die Risikofaktoren des Herzinfarkts unterschiedlich gut behandelt würden. Das Gefälle zwischen Stadt und Land liegt für die Wissenschaftler – anders als bisher angenommen – jedoch nicht daran, dass der Rettungswagen zu lange braucht, um einen Patienten ins Krankenhaus zu transportieren. Nach ältere Studien erreichen Rettungswagen auf dem Land zunehmend später den Patienten, während sie zugleich immer häufiger gerufen werden. Doch die aktuelle Studie hat ergeben: Eine schlechtere Notfallversorgung ist nicht der Grund für die Unterschiede zwischen Land und Stadt. Strenger Datenschutz setzt Grenzen Was ist nun zu tun? Konkrete Handlungsempfehlungen würden die Rostocker Wissenschaftler gerne geben, sie können es aber nicht. Der strenge Datenschutz in Deutschland setzt ihnen Grenzen und erschwert die Arbeit. „Gesundheitsdaten, die auch den Lebensverlauf von Menschen abdecken und eine Stadt-Land-Analyse auf Bevölkerungsebene zulassen, sind in Deutschland leider schwer zugänglich“, erklärte Ebeling auf der Homepage der Max-Planck-Gesellschaft. „In unserer Studie fehlen daher Verlaufsinformationen.“ Das heißt: Es ist nicht im Einzelnen bekannt, wie die Gesundheitsbiographie von Patienten vor und nach dem Herzinfarkt ausgesehen hat. Die Rostocker Wissenschaftler haben Vergleiche mit Daten aus Skandinavien gezogen, aber genauere Analysen sind ihnen nicht möglich. Sie wünschen sich daher in Deutschland ähnliche Forschungsbedingungen wie in anderen Ländern der Europäischen Union.

  • Der Bauern-Protest zeigt Wirkung

    Grüne, Mainstream-Medien und der ländliche Raum: Vorurteile auf dem Prüfstand Der Versuch, Landwirte wegen ihrer Protestaktionen in die rechte Ecke zu drängen, scheitert krachend. Stattdessen wächst das Verständnis für die Sorgen der Menschen im ländlichen Raum. Zumal bei den Grünen ist der Grundsatzstreit um die zunehmende Großstadt-Orientierung offen ausgebrochen. Und sogar in manchen Talkshows kommen Bauern zu Wort, ohne verunglimpft zu werden. Katrin Göring-Eckardt, die mal das gutbürgerliche Gesicht der Grünen war, hat im „Stern“ zur Besinnung aufgerufen: „Wir sollten sie viel stärker vom Land her denken“, sagt die Theologin und fordert „Maßnahmen, die gezielt den Menschen in den ländlichen Räumen etwas bringen“. Besseren öffentlichen Nahverkehr in der Fläche zum Beispiel. Und den Fortbestand der Klinik-Grundversorgung außerhalb der Ballungsräume. In Bayern hat der Richtungsstreit bereits für einen Machtwechsel gesorgt: Nach der Landtagswahl, bei der die Grünen weit hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben sind, musste der Politologe Thomas von Sarnowski aus der Münchner Speckgürtel-Gemeinde Ebersberg sein Amt als Landesvorsitzender für die Bio-Gärtnerin Gisela Sengl aus dem Chiemgau räumen. Auch die Co-Landesvorsitzende Eva Lettenbauer kommt aus der schwäbischen Provinz und ist bekennendes Dorfkind. Vorausgegangen waren den Wahlen laute Proteste aus der ländlichen Partei-Basis. Zum Beispiel gegen den kompromisslosen Schutz der nach Bayern zugewanderten Wölfe. Mehr Bodenhaftung gefordert Obwohl er mit Rücksicht auf die Kabinettsdisziplin vorsichtiger formuliert, gehört auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zu den offenen Kritikern der Großstadt-Orientierung. Zuletzt erkennbar am Widerstand gegen die Kürzungen bei Agrardiesel-Vergünstigung und Kraftfahrzeugsteuer-Befreiung für Landmaschinen. Dem Schwaben werden Ambitionen auf die Nachfolge des Stuttgarter Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann nachgesagt, der seine Grünen permanent mit der Forderung nach mehr Bodenhaftung nervt. Anders als die SPD haben die Grünen im ländlichen Raum einiges zu verlieren. „Unsere Mitglieder kommen zu ähnlichen Teilen aus ländlichen Räumen und aus der Stadt. Das sollte sich auch in unserer Politik widerspiegeln“, zitiert der „Stern“ Katrin Göring-Eckardt. Bundesumweltministerin Steffi Lemke, ebenfalls dem Realo-Flügel der Grünen zugerechnet, warnt öffentlich vor Überforderung, zum Beispiel durch das Heizungsgesetz ihres Parteifreunds Robert Habeck. Der galt selbst schon mal als Hoffnungsträger für ländlich-bäuerliche Interessen, bevor er sein Herz für die Großindustrie entdeckte. Während die Grabenkämpfe in der Berliner Ampelkoalition Fahrt aufnehmen, arbeitet das schwarz-grüne Regierungsbündnis in Habecks Heimat Schleswig-Holstein nahezu geräuschlos. Mit dem Nebeneffekt, dass die AfD-Zuwächse dort höchst bescheiden bleiben. Und die Grünen den Partner CDU nur selten mit urbanen Ambitionen nerven. Kiel und Flensburg sind halt nicht Berlin oder München. Spannend, dass der Kulturkampf auch in den Mainstream-Medien angekommen ist. Nicht nur in den Regionalprogrammen überbieten sich die Rundfunkanstalten neuerdings mit Reportagen zur wahren Situation der bäuerlichen Landwirtschaft. Zu bedrohlich waren wohl die Zuschauer-Proteste gegen die anfänglich höchst einseitige Berichterstattung über Bauern, die in Geld und Subventionen schwimmen. Sogar Markus Lanz – immer den Finger im Zeitgeist-Wind – lässt einen hervorragend argumentierenden Landwirt lange Minuten ausreden.

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