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- Deutschstunde im Wald
Die Deutschen und ihr Wald: Erstaunlich viele Redewendungen, Sprichworte und Aphorismen ranken sich um Wald, Bäume und Holz. In Zukunft könnte das noch mehr werden Foto: Daniela Hädicke-Tröger „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“ ist noch die geläufigste Redewendung mit Bezug zu Wald, zu Bäumen und zu Holz. Mit derartigen Redewendungen werden sprachliche Bilder produziert, die eine übertragene Bedeutung haben, wie etwa: So wie man andere behandelt, wird man selbst behandelt. Ähnlich die Redewendung „Vom Hölzchen zum Stöckchen kommen“. So werden abschweifende Redner bezeichnet, die verbal kaum ein Ende finden. Obwohl vielfach aus dem Mittelalter herrührend, haben deutsche Dichter einige Redewendungen besonders populär gemacht: Martin Wieland etwa begeisterte die Aussage „Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“ und er beschrieb damit gleich in mehreren seiner Werke den Unglücksraben, der naheliegende Lösungen nicht findet. Und Johann Wolfgang von Goethe wird das Zitat „Es ist dafür gesorgt, dass Bäume nicht in den Himmel wachsen“ zugeordnet – heute eine geläufige Redewendung zur – spöttischen – Beschreibung der Endlichkeit manchen Tuns. Plattitüden aus dem Wald im Volksmund Aber auch der Volksmund hat derartige Plattitüden begründet: „Pfeifen im Wald“ tut jener, den Angst und Sorge umtreiben, im dunklen Wald ebenso wie im dunklen Keller. „Es herrscht Schweigen im Wald“ umschreibt ebenfalls die Gefahr, die unsere Altvorderen vor Hunderten von Jahren noch beim Waldgang umtrieb. Mittelalterliche Schauspieler, die keck die Obrigkeit kritisierten, verdeckten ihr Gesicht mit einem großen Pflanzenblatt oder Zweig, woraus sich die Floskel „Kein Blatt vor den Mund nehmen“ entwickelte. „Aber nicht nur für Redewendungen waren Wald, Bäume und Holz gut, auch für Zungenbrecher“, erläutert Volker Gebhardt, Thüringen-Forst-Vorstand. „Im dicken dichten Fichtendickicht nicken dichte Fichten tüchtig“ ist eine solche logopädische Übung. Und selbst Schlüpfrigkeiten wurden nicht ausgelassen: Das Wort „splitterfasernackt“ bezieht sich tatsächlich auf den Splint des Baumes, der sich unter der Rinde befindet: Waren Rinde und Splint vom Stamm entfernt, war der Baum „nackt“. Die Begrifflichkeiten Wald, Bäume und Holz waren folglich in der jüngeren Kulturgeschichte des Menschen von so großer Bedeutung, dass sie ihren sprachlich nachhaltigen Niederschlag fanden. Dass dies auch in Zukunft so sein wird, ist wahrscheinlich. Im Klimawandel kommt Wald und Bäumen ein enormer Stellenwert als natürliche Kohlenstoffsenke zu. Berücksichtigt man den nahezu klimaneutralen Roh-, Bau- und Werkstoff Holz, scheint ein neues Holzzeitalter angebrochen zu sein. Gute Aussichten für weitere Deutschstunden im Wald.
- Es wäre mehr drin gewesen
Mit der Verschiebung der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) um ein Jahr ist wenig gewonnen Foto: sarangib Die Abholzung von Wäldern ist ein ernst zu nehmendes Problem. Die fortgesetzte Entwaldung etwa in Afrika, Südamerika und Asien verschärft die Aufheizung der Atmosphäre und das Artensterben. Daher ist es sinnvoll, wenn Europa dafür sorgt, dass nur noch Produkte aus gefährdeten Gebieten eingeführt werden, bei denen sichergestellt ist, dass keine Bäume dafür gefällt wurden. Es ist also überfällig, dass bei der Rinderzucht und dem Anbau von landwirtschaftlichen Produkten wie Holz, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk und Soja sowie den weiterverarbeiteten Produkten besondere Sorgfaltspflichten gelten. In ganz Europa ist aber die Abholzung von Bäumen kein ernsthaftes Problem. In Deutschland, wo einigermaßen konstant über die letzten Jahrzehnte etwa ein Drittel der Fläche mit Wald bedeckt ist, machen neue bürokratische Auflagen keinen Sinn. Warum sollten künftig Landwirte, Waldbesitzer und Händler auch in Europa gezwungen werden, neue Formulare auszufüllen? Immerhin: Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) tritt nun ein Jahr später in Kraft als geplant. Die Auflagen gelten also nicht nach dem Jahreswechsel, sondern erst ab Januar 2026. Die Verschiebung, die die Christdemokraten angestoßen haben, ist sinnvoll. Damit wird allerdings nur Zeit gewonnen. Wenn das EU-Gesetz nun ein Jahr später in Kraft tritt, ist es genauso mangelhaft wie vorher. Es wäre besser gewesen, auch inhaltlich die Verordnung anzupassen. So wäre es etwa wichtig gewesen, eine Kategorie von Ländern einzuziehen, in denen Entwaldung kein drängendes Problem ist und in denen es daher Ausnahmen gibt für die dortige Wirtschaft. Dann blieben viele Unternehmen von neuen bürokratischen Bürden verschont. Mit diesem vernünftigen Vorschlag konnte sich CDU-Berichterstatterin Christine Schneider aber ebenso wenig durchsetzen wie mit Verfahrensvereinfachungen. Änderungen ohne andere Fraktionen nicht durchsetzbar Die Christdemokraten haben damit eine Niederlage eingefahren. Zur Analyse der Gründe gehört: Der Versuch, das bereits beschlossene Gesetz noch einmal aufzumachen und Änderungen durchzusetzen, war von ihnen nicht professionell vorbereitet worden. Es reicht nicht aus, mit der Autorität der größten Fraktion im Europaparlament die Kommission zu einer Verschiebung zu bewegen. Für substanzielle Verbesserungen hätten sich die Christdemokraten Verbündete suchen müssen. Sie hätten Regierungen im Ministerrat dazu bewegen müssen, noch einmal Hand anzulegen an dem Gesetz. Da dies unterblieben ist, haben die Mitgliedstaaten bereits im Herbst in der Staatenkammer Reformen an der Entwaldungsrichtlinie ausgebremst. Auch im Europaparlament hatte die EVP-Fraktion bei Sozialisten und Liberalen nicht ausreichend Unterstützer. Bei der Entwaldungsrichtlinie handelt es sich um ein EU-Gesetz von überschaubarer Bedeutung. Die EVP sollte allerdings die richtigen Schlussfolgerungen aus der gescheiterten Operation ziehen. Demnächst will sie vermutlich weitere Green-Deal-Gesetze zu Fall bringen. An erster Stelle sind hier die CO₂-Flottengrenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge sowie das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 zu nennen. Die Rückabwicklung des Verbrenner-Aus war ein zentrales Versprechen der Christdemokraten im Europawahlkampf. Es ist keineswegs garantiert, dass sie Wort halten. Von der Leyen hat verständlicherweise wenig Interesse, ihre Politik aus der letzten Wahlperiode zurückzudrehen. Klar ist auch, dass nicht einmal in der EVP-Fraktion in der Sache alle an einem Strang ziehen. Die Christdemokraten sollten schon jetzt daran gehen, Allianzen zu schmieden – sowohl im Parlament als auch bei den Regierungen in den Mitgliedstaaten. Andernfalls könnten sie hinterher wieder mit leeren Händen dastehen.
- Freigänger-Katzen sind Gefahr für die Biodiversität
Katzen als Streuner gefährden unsere Biodiversität und Ökosysteme. Seltene Bodenbrüter, Singvögel oder Rebhühner brauchen Schutz. Fakten zu einem umstrittenen Thema Foto: IqbalStock In Deutschland leben etwa 15 Millionen Hauskatzen. Mit mehr als 25 Prozent ist der Anteil an Haushalten, in denen sie gehalten werden, europaweit am höchsten. Katzen sind in Deutschland das zahlenmäßig stärkste Haustier. 2.580 von ihnen wurden im Jagdjahr 2023/2024 in Schleswig-Holstein von Jägern erschossen. Tierschützer empört das. Sie fordern ein Tötungsverbot. Doch die Jäger handeln streng nach geltendem Recht. Ob es sich bei den angetroffenen Katzen um Haustiere oder um verwilderte Katzen handelt, ist für die Jäger kaum erkennbar, im Ergebnis aber auch gleich. Denn wenn Katze Mitzi und Kater Motzi wildern, greift für die Jäger die Verpflichtung zum Jagdschutz. Er umfasst den Schutz des Wildes besonders vor Wilderern, Futternot, Wildseuchen sowie wildernden Hunden und Katzen. Die Streuner gefährden die Biodiversität und die Gesundheit der Ökosysteme. Besonders seltene Bodenbrüter, Singvögel oder Rebhühner fallen ihnen zum Opfer. Eine im amerikanischen Wissensmagazin „Nature“ veröffentlichte Studie schätzt, dass frei lebende Hauskatzen im Jahr in den USA zwischen 1,3 und 4 Milliarden Vögel und etwa 22 Milliarden Säugetiere erlegen. Damit seien sie die größte Todesursache für Vögel und Säugetiere in den USA. Auch in Deutschland ist der Einfluss der frei laufenden Katze verheerend. Selbst Naturschutzorganisationen wie der World Wide Fund For Nature (WWF) und der Nabu beziffern die Zahl der Vögel, die jährlich Opfer von Hauskatzen werden, mit 200 Millionen. Reine Stubentiger sind im Gegensatz zu wildernden Katzen harmlos Reine Stubentiger sind harmlos. Die Gefahr geht vor allem von Freigänger-Katzen aus, also Samtpfoten, deren Halter ihre Tiere unkontrolliert durch die Natur streifen lassen. Sie jagen nicht zum Nahrungserwerb. Die Beute wird erfahrungsgemäß meist nur totgebissen und nicht gefressen, denn die wohlgenährten Hauskatzen sind satte Lusttöter. Die Vögel werden von den Hauskatzen totgespielt irgendwo abgelegt. Der Tod des Vogels, der nicht zum Nahrungserwerb gejagt wurde, ist also vollkommen nutzlos. Hauskatzen gehören auch nicht zur heimischen Tierwelt. Sie stören den natürlichen Nahrungskreislauf nicht nur durch das Töten der Beutetiere, sondern sie sind auch unnatürliche Konkurrenten für heimische Raubsäuger. Wie in Schleswig-Holstein ist auch in anderen Bundesländern der Abschuss von Katzen im Landesjagdgesetz geregelt. Meistens gilt die Vorschrift, dass eine Katze erst ab einer Entfernung von 200 oder 300 Metern zum nächsten bewohnten Gebäude getötet werden darf. In Bayern ist aber ergänzend festgelegt, dass Katzen, deren Besitzer eindeutig und für den Jagdschutzberechtigten in zumutbarer Weise festgestellt werden können, nicht getötet werden dürfen. Nicht nur die Entfernung, sondern auch den Kalender muss man in Hessen beachten. Dort dürfen Samtpfoten, die im Zeitraum vom 1. März bis 31. August in einer Entfernung von mehr als 300 Metern von der nächsten Ansiedlung jagend angetroffen werden, getötet werden. Ganz anders in Berlin, wo wildernde Katzen ohne eine Abstandsregelung getötet werden dürfen, wenn keine führende Person auf sie einwirkt. In Baden-Württemberg ist der Abschuss streunender Hauskatzen nur im Jagdbezirk in Wildruhegebieten mit Genehmigung der unteren Jagdbehörde und mit Genehmigung der zuständigen Naturschutzbehörde in entsprechenden Schutzgebieten im Einzelfall erlaubt, sofern der Schutzzweck es erfordert und andere mildere und zumutbare Maßnahmen nicht erfolgversprechend sind. Im Ergebnis heißt das, der Abschuss wildernder Katzen ist dort nahezu unmöglich. Viele Tierheime längst überfüllt Noch einen Schritt weiter gehen Nordrhein-Westfalen und das Saarland. Dort ist die Tötung einer Katze verboten. In NRW begehen die Eigentümer der Katzen gleichzeitig eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie ihre Katzen unbeaufsichtigt im Jagdbezirk umherlaufen lassen. Und Katzen einfach auszusetzen, um sich der Halter- und Betreuerpflichten zu entziehen, verbietet schon das Tierschutzgesetz. Verstöße werden als Ordnungswidrigkeit mit Geldbußen bis zu 25.000 € geahndet. Hauskatzen in Lebendfangfallen sind in NRW rechtlich Fundsachen und als solche den Ordnungsämtern zu melden. Diese müssen die Tiere artgerecht unterbringen und versorgen. Doch viele Tierheime sind längst überfüllt und an ihrer Belastungsgrenze angekommen. Das hat auch eine Änderung des Tierschutzgesetzes nicht verhindert, die Landesregierungen ermächtigt, durch eine Rechtsverordnung Gebiete festzulegen, in denen erforderliche Maßnahmen wie Kennzeichnung und Registrierung die Zahl freilebender Katzen reduzieren sollen. Schon mehr als 1.000 Städte und Gemeinden haben Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungsverordnungen für Katzen erlassen. Vorreiter war das sogenannte Paderborner Modell. Wirklich geholfen aber hat es wenig. Vielerorts fehlt einfach das Verständnis von Biodiversität und dem massiven Einfluss von Hauskatzen als nicht natürlichen Beutegreifern. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund plädiert Katharina Erdmann, Landestierschutzbeauftragte in Schleswig-Holstein, für eine Katzensteuer. Mit dem Geld könnten dann auch Kastrationsprogramme finanziert werden. Für 2024 hat das Land 110.000 Euro für die Katzenkastration bereitgestellt. Der Deutsche Tierschutzbund und der Landesverband Schleswig-Holstein beteiligten sich mit 10.000 Euro an der Aktion. Bei Kosten von durchschnittlich gut 100 Euro je Tier ist das jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn der uneingeschränkten Vermehrung allein der halterlosen Katzen, deren Zahl der Landesjagdverband (LJV) auf 75.000 schätzt, Einhalt geboten werden soll. Sogar 600.000 Euro Steuermittel hat Niedersachsen im Jahr 2024 ausgegeben, um „frei lebende Hauskatzen“ einzufangen, zu kastrieren, mit einem Chip zu versehen – und sie dann wieder freizulassen, damit sie weiter auf die Jagd nach Jungwild, Singvögeln, Amphibien und Kleinsäugern gehen können.
- Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen zum Schluss des Jahres und vor den Neuwahlen
Liebe Leserin, lieber Leser, hinter uns liegt ein Weihnachtsfest mit verbreitet gemischten Gefühlen. Die schrecklichen Ereignisse von Magdeburg haben die Feiertage in vielen Köpfen und Herzen beeinträchtigt. Natürlich stellen sich aktuell viele berechtigte Fragen zu unserer und damit jedermanns Sicherheit. Direkt nach Neujahr beginnt dann der kurze Wahlkampf um die politische Führung in Deutschland. Dazu gibt es erste Ankündigungen zur Agrarpolitik. Aktuell gehen wir weiter noch auf ein Urteil zu einem alten Ärgernis ein. Das sind die Schäden, die Gänse bei Jagdverboten auf Weiden und Feldern während ihrer Rast in unseren Küstenregionen verursachen. Der bevorstehende Jahreswechsel ist politisch geprägt von den aktuellen Fragen zu unserer Inneren Sicherheit. Und von dem, was wir von einem Wahlkampf zu ungewohnter Zeit zu erwarten haben. Dieses Thema wird in den nächsten Wochen eine besondere Rolle spielen. Die Phase zwischen dem Bruch der Ampel-Koalition mit der dann erfolgten Vertrauensfrage des Bundeskanzlers verlief ohne weitere Überraschungen. Die ablehnende Antwort des Parlaments führt nun planmäßig zur Neuwahl am 23. Februar . Darauf bereiten sich die Parteien bereits intensiv vor. Zunächst war dann der Bundespräsident formell am Zuge. In seiner Weihnachtsansprache hatte er angekündigt: „Die Entscheidung über die Auflösung des Bundestages und über Neuwahlen werde ich mit Sorgfalt nach den Weihnachtstagen treffen.“ Gestern hat er sie bekanntgegeben. Es läuft damit alles nach dem vorbesprochenen Procedere. Die Anfang Dezember vielfach geäußerte Befürchtung, der Wahlkampf und sein bereits erfolgter Auftakt beeinträchtigten die Festtagsstimmung und überlagerten die Gefühle der Menschen, ist offensichtlich nicht eingetreten. Gleichwohl haben die Parteien ihre Wahlprogramme bereits vorformuliert und in ihren Gremien auf den Weg gebracht. Formelle Verabschiedungen durch die Parteitage erfolgen Anfang Januar. Wir werden uns in den nächsten Wochen damit eingehend befassen. Und vor allem, was dann an Aussagen und Zielen zu unseren Themen darin zu finden ist. Wir hatten mit unserem Blog „natur+mensch“ bereits Gelegenheit, näher zu erfahren, wie der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, sich das vorstellt: „Ein Landwirtschaftsministerium, in dem ohne ideologische Scheuklappen , mit Sachverstand, Fairness und Anerkennung für die Leistungen der Höfe gearbeitet wird.“ Das sagte er vor Weihnachten in seiner sauerländischen Heimat, die gewiss traditionell ländlich geprägt ist. Unser Autor Wolfgang Kleideiter hat in unserem Blog darüber bereits berichtet , was Merz in Olsberg vor rund 150 Frauen und Männern aus Kreisen der Landwirtschaft und dem ländlichen Raum dazu gesagt hat. Diese Ankündigung ist auch für den Interessenkreis aus der Jagd bemerkenswert: „Politikwechsel für Deutschland bedeutet auch, das Klage- und Interventionsrecht der Verbände wieder deutlich zu reduzieren. Die Einflussnahme zum Beispiel der Deutschen Umwelthilfe auf Planungen an allen Stellen im Land ist nicht in Ordnung.“ Merz sprach von einer „Klage-Industrie“. Die Mehrwertsteuer oder andere Faktoren als Wahlkampfthema? Das Erste, was aus dem Entwurf des Programms der bisherigen Kanzlerpartei SPD bekannt wurde, ist die Absicht, für Lebensmittel den Mehrwertsteuersatz von sieben auf fünf Prozent zu senken. Das macht bei einem halben Pfund Butter für den Weihnachtspreis von ca. drei Euro etwa gut fünf Cent aus. Vor einem Jahr hat die Butter übrigens noch bis zu einem Euro weniger gekostet. Ob die so vorgesehene Preisstruktur wirklich im Sinne der Verbraucher weiterhilft, darf bezweifelt werden. Entscheidend bleiben Faktoren, die vom Bauernhof an in den kleinen und großen Unternehmen in Produktion und Handel von Lebensmitteln nun einmal preisbildend sind. Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bleibt ebenso ausschlaggebend wie die Rahmenbedingungen, unter denen produziert wird. Wir sollten uns eher an die Argumente während der Bauernproteste vor einem Jahr erinnern. Da ging es um wirksame Faktoren: u.a. um kostentreibende steuerliche Maßnahmen (z. B. Agrardiesel) und bürokratische Auflagen und politische Regulierungsfolgen für die Agrar- und Ernährungswirtschaft – und auch den Handel. Im Entwurf des SPD-Programms heißt es dazu: „Die Produktion von Lebensmitteln ist aber mehr als nur ein Wirtschaftszweig. Landwirtschaft hat jahrhundertelang die Identität der ländlichen Räume geprägt, und die Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte verdient unseren Respekt.“ Nahezu alle Betroffenen werden so reagieren: Respekt aus der Politik reicht da nicht. Gänse: Bejagung oder Schadensregulierung durch eine Landesregierung Themenwechsel und Weihnachtsgans einmal ganz anders. So könnte man die überraschende Schlagzeile der großen Boulevardzeitung mit vier Buchstaben aufnehmen, unter der sie über ein besonderes juristisches Weihnachtsgeschenk an einen niedersächsischen Landwirt berichtete: „Land muss Bauern für Gänse-Schäden bezahlen. “ Das Thema Gänse beschäftigt seit Jahren insbesondere viele bäuerliche Berufskollegen mit ihren Agrar- und Weideflächen in Küstennähe, aber auch in Flussnähe wie am Niederrhein. In unserem Blog haben wir schon mehrfach das Thema Gänseplage und Schäden durch Fraß und Verkotung aufgegriffen. So berichteten wir bereits im Sommer über die Entscheidung des Landwirtschaftsministers in Kiel , Werner Schwarz, die Jagdzeiten für Grau-, Kanada- und Nilgänse vom 16. Juli bis zum 31. Januar festzusetzen und damit zu verlängern. Nach neuesten Schätzungen rasten und fressen allein über 400.000 Gänse auf Flächen in Schleswig-Holstein und verursachen damit Millionenschäden. Schwarz ist übrigens überzeugt von der „lenkenden Wirkung“ durch die Bejagung . Gegen die Entscheidung des CDU-Ministers in der schwarz-grünen Kieler Regierung drohte der Nabu mit Klage. In Niedersachsen ist der zuständige Umweltminister anderer Überzeugung als sein Kollege in Kiel. Christian Meier (Grüne) bleibt hier beim Verbot der Bejagung von Zugvögeln . Dagegen hat vor längerer Zeit der Landwirt Hero Schulte (kein Verband!) aus Ostfriesland geklagt und in erster Instanz vor ca. zwei Jahren Recht bekommen. Dagegen wiederum hat das Land zunächst Berufung vor dem Oberlandesgericht Lüneburg eingelegt, womit der Kläger weiter zunächst die Schäden zu erdulden hatte. Das Jagdverbot besteht unverändert, aber durch Rücknahme der Berufung in Lüneburg wurde jetzt das erste Urteil rechtskräftig. Damit auch die Bestätigung auf Ersatz der Schäden durch das Land Niedersachsen. Kläger Schulte und sein Anwalt weisen darauf hin, dass damit jeder Landwirt in dem Küstenland die Schäden durch Wildgänse in Rechnung stellen könne. Das Urteil beziehe sich nicht nur auf Flächen in Vogelschutzgebieten, sondern in allen Gebieten. Gegenüber Bild berichtete Kläger Hero Schulte, dass sich durch die Bejagung der Gänse das Einflugverhalten auf einzelne Flächen verändere. Das habe sich gezeigt, als die Jagd noch erlaubt war und in seinem Revier noch 300 bis 400 Gänse geschossen worden seien. Nun hat sich die Regierung von Ministerpräsident Weil damit zu befassen, ob sie alle Jahre Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe begleicht oder doch den Weg beschreitet, für den sich etwa das Küsten-Nachbarland Schleswig-Holstein entschieden hat. Das wäre die sachgerechte Festsetzung von Jagdzeiten für Gänse. Weiter tägliche Beiträge im Blog natur+mensch Foto: IqbalStock Unsere täglichen neuen Beiträge setzen wir nach unserer kleinen Weihnachtspause ab Montag fort. Unser Autor Christoph Boll greift ein hochemotionales Thema auf und befasst sich mit Fakten im Umgang mit sogenannten „Freigänger-Katzen“ . Die Meldung aus Schleswig-Holstein, dass davon dort im letzten Jagdjahr in den Revieren 2.580 geschossen wurden, hat viele Gemüter erregt. Die andere Seite: Die Streuner gefährden die Biodiversität und die Gesundheit der Ökosysteme; seltene Bodenbrüter, Singvögel oder Rebhühner fallen ihnen zum Opfer. Wissenschaftliche Studien, veröffentlicht im Magazin „Nature“, belegen das ebenso wie große Naturschutzorganisationen. In einem weiteren Text am Dienstag geht unser EU-Beobachter Ludwig Hintjens auf die Verschiebung der Brüsseler Verordnung für „entwaldungsfreie Lieferketten“ ein. Mit diesen Hinweisen wünsche ich auch im Namen unseres Autorenteams einen ruhigen Jahresausklang und frische Kraft mit vielen Lichtblicken für 2025. Ihr Jost Springensguth Redaktionsleitung / Koordination
- Wir brauchen einen fairen Wahlkampf und keine Schlammschlacht
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, in unserem vorweihnachtlichen Wochenkommentar analysieren wir die verlorene Vertrauensabstimmung des Bundeskanzlers und den beginnenden Bundestagswahlkampf vor dem Hintergrund großer Krisen und zunehmender Firmenpleiten in Deutschland. Des Weiteren geht es um die Chance von weißer Weihnacht in Zeiten des Klimawandels, um Fleisch von heimischen Wildtieren als Festmahl sowie das Engagement von Jägern beim Schutz von gefährdeten Arten am Beispiel von Rebhühnern in Nordrhein-Westfalen. In den Tagen vor Weihnachten kehrt in der Politik üblicherweise relative Ruhe rein. Dieses Jahr kann davon keine Rede sein. Nicht nur der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Umbruch in Syrien sorgen für gespannte Aufmerksamkeit. Es ist vor allem der beginnende Wahlkampf, der in der deutschen Politik für hektische Betriebsamkeit sorgt. Endlich hat Kanzler Olaf Scholz das Unvermeidliche getan: die Vertrauensfrage im Bundestag gestellt, verloren und damit das Aus der faktisch längst gescheiterten Ampelkoalition auch formell besiegelt. Zugleich hat Scholz mit scharfen Attacken gegen die FDP und die Union die heiße Phase des Wahlkampfs eröffnet. Der Vorgang hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits ist es positiv, dass nach dem politischen Konkurs der Koalition nun die Wähler das Wort bekommen. Andererseits ist erschreckend, mit welchen teils rüden Attacken Scholz den politischen Gegner angreift. Das ist ein Stil, der für einen Kanzler unangemessen ist und obendrein der politischen Kultur schadet. Die Töne, die Scholz angeschlagen hat, lassen Ungutes erwarten. Sie stoßen nicht zuletzt im ländlichen Raum vielerorts auf großes Unverständnis. Denn dort erwartet man keine Polemik, sondern dringend inhaltliche Lösungskonzepte, um die Kluft zwischen den Metropolen und den dünner besiedelten Regionen zu verkleinern. Augenscheinlich versucht Scholz, seinen wichtigsten Kontrahenten, Friedrich Merz, zu provozieren und seinerseits zu verbalen Entgleisungen zu verleiten. Denn ein Ziel der sozialdemokratischen Wahlstrategie ist, den CDU-Vorsitzenden als regierungsunerfahren und als persönlich zu leicht reizbar erscheinen zu lassen. Kurzum, es geht hier darum, Merz als charakterlich und fachlich ungeeigneten Hitzkopf darzustellen. Im Kontrast dazu möchte sich Scholz gerne als kompetent, verlässlich und besonnen präsentieren. Doch mit seinen jüngsten Attacken und flapsigen Äußerungen über Merz erweckt er von sich genau den gegenteiligen Eindruck. Vor allem zieht Scholz damit das Niveau der Auseinandersetzung stark herunter – zum Schaden letztlich auch der Bürger. Denn solche Auseinandersetzungen drohen die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Parteien zu überlagern. Im Bundestagswahlkampf sollte es aber in erster Linie um Programme und nicht um Personen, um die Sache und nicht um Show gehen. Wir brauchen einen fairen Wahlkampf und keine Schlammschlacht. Ganz abgesehen davon: Aus politischen Gegnern dürfen keine persönlichen Feinde werden. Denn wenn das Klima zwischen Parteien und führenden Politikern erst einmal vergiftet ist, werden sachgerechte Bündnisse und Entscheidungen nach der Wahl umso schwieriger. Gerade in der jetzigen Situation wäre dies fatal, denn Deutschland steht vor immensen Herausforderungen – von mehr Klimaschutz, stärkerer militärischer Friedenssicherung bis hin zur Überwindung der schon zu lange anhaltenden Wirtschaftsschwäche. Hoher Anstieg bei Firmenpleiten Wie wichtig gerade Letzteres ist, zeigt die Zunahme an Firmenpleiten. Sie steht auf dem höchsten Stand seit fast zehn Jahren. So hat sich die Anzahl der Insolvenzen nach Berechnungen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform im Jahr 2024 mit 22.400 um über 24 Prozent erhöht. Auch im kommenden Jahr sei mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. „Der wirtschaftspolitische Stillstand und die rückläufige Innovationskraft haben den Wirtschaftsstandort Deutschland geschwächt“, sagte der Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch. Die Mehrheit der Insolvenzen im zu Ende gehenden Jahr betrifft den Angaben zufolge Kleinstunternehmen mit höchstens zehn Beschäftigten. Diese machten 81,4 Prozent aller Fälle aus. Auffällig sei jedoch der überdurchschnittliche Anstieg bei größeren Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten. Hier seien die Fallzahlen um 44,4 Prozent gestiegen. Die geschätzte Schadenssumme beläuft sich laut Creditreform auf 56 Milliarden Euro, nach 31,2 Milliarden im vergangenen Jahr. Die Zahl der bedrohten oder weggefallenen Arbeitsplätze dürfte von 205.000 auf rund 320.000 steigen. Weiße Weihnachten immer seltener Vorweihnachtliche Stimmung kann unter diesen Umständen in Berlin kaum aufkommen. Das sollte Sie, liebe Leserinnen und Leser, aber nicht davon abhalten, sich auf die kommenden Festtage zu freuen. Weiße Weihnachten wird es allerdings für die meisten von uns wohl nicht geben. Auch dies wird von der zunehmenden Erderwärmung befördert. So hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) jüngst festgestellt, dass knackige Kälte und Schnee im Zuge der Klimakrise vom 24. bis 26. Dezember in den meisten Regionen Deutschlands immer seltener werden . Foto:Andreas Hermsdorf / pixelio.de Die meisten Menschen können sich demnach im Mittel nur noch alle zehn Jahre über Schnee an den drei Festtagen freuen. Im Vergleich der Referenzperioden 1961 bis 1990 und 1991 bis 2020 ist die Wahrscheinlichkeit für weiße Weihnachten mit einer Schneedecke an allen drei Tagen im bundesweiten Durchschnitt prozentual um gut die Hälfte gesunken. Besonders betroffen sei der Süden. In München zum Beispiel habe die Wahrscheinlichkeit für den ersten Zeitraum noch bei gut 33 Prozent gelegen, danach nur noch bei knapp 14 Prozent, in Freiburg zunächst bei fast 17 und danach bei deutlich unter fünf Prozent. Laut DWD gab es in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland im Durchschnitt jeweils 18 Wintertage mit Mindesttemperaturen über null Grad mehr als in einer Welt ohne Klimawandel. Kristina Dahl, Vizepräsidentin und wissenschaftliche Leitung bei der gemeinnützigen US-Organisation Climate Central in Princeton, sagt dazu: „Laut unserer Analyse gehört Deutschland zu den zehn Ländern, die am stärksten vom Verlust kalter Wintertage betroffen sind.“ Dies hat Auswirkungen nicht nur für die sprichwörtliche weiße Weihnacht oder die Wintersportindustrie. Auch die Landwirtschaft ist davon laut Climate Central betroffen. So könnten zunehmend wärmere Winter die Schneedecke in den Bergen verringern, eine wichtige Quelle für das Schmelzwasser im Frühjahr – mit negativen Folgen etwa für die Bewässerung von Feldfrüchten. Wildfleisch besonders gesund Doch kommen wir zurück zu den Weihnachtstagen. Ein wichtiger Programmpunkt dabei ist ein schönes und festliches Essen. Die meisten von uns dürften davon feste Vorstellungen haben. Wer noch keine Idee hat: Wie wäre es einmal mit Fleisch von heimischem Rotwild, Wildschwein oder Reh zum Festmahl? Ein solches Gericht schmeckt nicht nur, sondern ist auch besonders gesund. Denn Wild aus der Region verbringt sein ganzes Leben in der Natur, lebt frei und artgerecht, sucht sich seine Nahrung und ist ständig in Bewegung. Entsprechend gut ist die Qualität des Fleisches, das auf den Tisch kommt. Stichwort Jagd. Bei allzu vielen Menschen gerade außerhalb des ländlichen Raums besteht immer noch das Vorurteil, bei der Jagd gehe es vor allem um das Töten von Tieren. Wie falsch dies ist, kann jeder wissen und erleben, der sich näher mit dem Thema beschäftigt. Ein Beispiel von vielen ist der verstärkte Schutz von Rebhühnern, die in Deutschland auf der „Roten Liste“ der gefährdeten Arten stehen. Hierzu haben in dieser Woche die NRW-Landesregierung und die nordrhein-westfälische Jägerschaft eine entsprechende Schonzeitregelung verlängert. Ziel ist, den Rebhuhnbestand wieder zu erhöhen und die Biodiversität zu schützen. Rebhühner dürfen weiterhin ganzjährig nicht bejagt werden. Stattdessen helfen Jäger Landwirten unter anderem bei der Anlage von Brachen im Revier und schützen die Rebhuhngelege durch die Bejagung von Prädatoren. Nicole Heitzig, Präsidentin des Landesjagdverbandes NRW: „ Gelegentlich erzählen mir Revierinhaber von ihren Erfolgen bei der Hege. Die Begeisterung, die sie dabei ausstrahlen, ist ansteckend.“ Genießen Sie die Festtage. Das gesamte Team unseres Blogs natur+mensch und ich persönlich wünschen Ihnen und Ihren Familien frohe Weihnachten. Mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination
- Die letzte Weihnachtsgans?
Die EU-Kommission will eine stärkere Position der Landwirte in der Lebensmittelkette – und Experten fordern eine höhere Besteuerung von Fleischprodukten Foto: Alexandra H. / pixelio.de Kurz vor Weihnachten wird auch Ursula von der Leyen sentimental. Wenn sich in diesen Tagen Familien versammelten, „um Mahlzeiten zu teilen, werden wir an das Engagement der Bauern erinnert, die diese Momente am Tisch möglich machen“, sagt die EU-Kommissionspräsidentin. Süßer die Phrasen nie klingen. Die EU-Kommission will also den Bauern helfen – etwa durch die Verpflichtung, künftig schriftliche Verträge zwischen Bauern und Abnehmern zu schließen statt wie bisher auch mündliche Absprachen abzunicken. Natürlich ohne neue Bürokratiehürden, verspricht der neue Agrarkommissar Christophe Hansen . Ob das gelingt? Weniger Bürokratie aus Brüssel, das steht nicht nur bei den Bauern seit langem vergeblich auf dem Wunschzettel. In Brüssel spürt man immerhin, dass man den Bauern irgendwie entgegenkommen muss, um die Existenz vieler Betriebe zu retten – und die Stimmung. Die zum Teil gewalttätigen Proteste gegen die durch den Ukraine-Krieg hervorgerufenen höheren Kosten für Energie und andere Produkte zeigen zumindest auf dem Papier Wirkung. Doch das Misstrauen der Landwirte gegen die EU-Politik ist mit kleineren Erleichterungen nicht aufzufangen. Inzwischen wächst unter Bauern eine neue Sorge heran: Das Mercosur-Abkommen, das eine neue Freihandelszone mit mehr als 715 Millionen Menschen schafft, könnte allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz Europa mit billigen Produkten aus Übersee überschwemmen, weil sich die Konkurrenz nicht an die strengen europäischen Umweltauflagen halten müsse. Umwelt und Landwirtschaft: Das ist und bleibt ein heikles Terrain unterschiedlicher wie gemeinsamer Interessen. Auf dem Weg in die Klimaneutralität warten noch viele Hürden. Der Thinktank Agora Agrar umreißt diese so: Die Emissionen müssen bei gleichzeitiger Erhaltung der Ernährungssicherheit gesenkt werden. Außerdem soll die Biodiversität (die verschiedenen Lebensformen in der Natur) vergrößert werden und trotzdem der Platz für den Anbau von Biomasse (alle organischen Stoffe pflanzlichen und tierischen Ursprungs, die als Energieträger genutzt werden) erhalten bleiben. Wie das gehen soll, ist für viele Bereiche noch ein Geheimnis. Es braucht wirtschaftliche Anreize Sicher ist nur: Neben politischem Druck braucht es vor allem eines: wirtschaftliche Anreize. Noch aber können selbst aufgeschlossene Landwirte einen spürbaren ökonomischen Nutzen durch die Transformation nicht erkennen. Es sind eher Nischenthemen, die Mut machen. Dass in für die CO₂-Speicherung wichtigen, wieder vernässten Mooren Pflanzen angebaut werden, die bei der Hausdämmung begehrt sind, ist da zwar ein gelungenes Beispiel, trifft aber die existenziellen Sorgen der allermeisten Nahrungsmittel-Betriebe nicht. Der Ruf der Wissenschaftler nach neuen Geschäftsmodellen geht da mangels wirtschaftlichen Alternativen oft ins Leere. Wie die Aufforderung an die Verbraucher, ihre Ernährung grundlegend pflanzenbetont umzustellen, weil sich innerhalb der EU durch eine Halbierung des Konsums tierischer Produkte sowohl die Futtermittelimporte als auch die Flächen für den Futteranbau halbierten. Wie das gelungen soll? Klar, durch politischen Druck und das flankierende Drehen an der Preisschraube – etwa über eine höhere Besteuerung von Fleisch bei gleichzeitiger Verbilligung von pflanzlichen Produkten. Mal sehen, ob das gelingt. Und die Gans oder das Käsefondue zu Weihnachten zur Ausnahme auf den familiären Speisezetteln werden. Ob Ursula von der Leyen in diesen festlichen Tagen auch daran denkt?
- Die FDP wird noch gebraucht
Wer den Rund-um-sorglos-Vollkasko-Staat als Ideal anstrebt, kann es kaum erwarten, dass die FDP aus dem Bundestag fliegt. Denn es ist ihre originäre Aufgabe, Alternativen zur Regulierungswut von Rot-Grün aufzuzeigen und die CDU an marktwirtschaftliche Prinzipien zu erinnern FDP-Chef Christian Lindner (Foto: © Laurence Chaperon) Die FDP kämpft – mal wieder – ums Überleben. Ihre Umfragewerte sind während der Ampel-Zeit ständig gefallen. Das von SPD und Grünen mit medialer Unterstützung zum Skandal aufgeplusterte „D-Day-Papier“ tut sein Übriges. In keiner aktuellen Umfrage der acht führenden Institute liegen die Freien Demokraten bei fünf Prozent oder gar darüber. Das Läuten des Totenglöckchens ist unüberhörbar. Wer behauptet, es mache keinen Unterschied, ob die FDP im Bundestag vertreten ist oder nicht, scheint in den vergangenen drei Jahren weit weg gewesen zu sein. Hätten SPD und Grüne allein regieren können, wäre vieles anders gelaufen. Während der Corona-Pandemie wären die bürgerlichen Freiheiten noch weiter eingeschränkt worden, die Staatsverschuldung wäre – per Sondervermögen an der Schuldenbremse vorbei – drastisch gestiegen, der paternalistische Sozialstaat weiter ausgebaut, die Steuern für die „Reichen“ kräftig erhöht, die illegale Immigration noch weniger eingedämmt worden, die Ukraine-Hilfe noch zögerlicher erfolgt und die Staatswirtschaft mit Milliarden-Subventionen noch weiter ausgebaut worden. Das Problem dabei: Genau diese „Errungenschaften“ der FDP haben sie in den Augen ihrer linksgrünen Gegner so unerträglich gemacht. Wer den Rund-um-sorglos-Vollkasko-Staat als Ideal anstrebt, wem sich gern betreuen lassende Menschen lieber sind als selbstständige, selbstbewusste Bürger, der kann gar nicht warten, bis die FDP den parlamentarischen Exitus erleidet. Die FDP-Wähler von 2021 – immerhin 11,5 Prozent – haben ihrer Partei hingegen nie verziehen, dass sie sich mit den zwei linken Koalitionspartnern, also mit Rot-Grün, auf vieles eingelassen hat, was den klassischen FDP-Wähler abschreckt. Darunter fällt modischer Unsinn wie die Möglichkeit zum jährlichen Wechsel des Geschlechts, die Cannabis-Freigabe oder die großzügige Vergabe von deutschen Pässen an alle, die sich eben nicht ganz für Deutschland entscheiden wollen: Zweithandy, Zweitwagen, Zweitpass. Ein Ausscheiden der FDP könnte zu einer AfD/BSW-Sperrminorität führen Nun ist Dankbarkeit keine politische Kategorie. Der Wähler will bei jeder Wahl neue Versprechen oder gar Verheißungen hören. Nicht das Geleistete zählt; es zählt das Erzählte. So erscheint es nicht ausgeschlossen, dass es den Freien Demokraten 2025 ergeht wie 2013, dass sie nämlich aus dem Bundestag ausscheiden müssen. Die Strategie von Linkspartei oder Freien Wählern, über drei Direktmandate unter die Reichstagskuppel zurückzukehren, ist für die FDP keine Option. Ihre Wählerschaft ist mehr oder weniger gleichmäßig übers ganze Land verteilt. Sie verfügt über keine signifikanten regionalen Schwerpunkte wie die Linke im Osten oder Aiwangers Freie Wähler in Niederbayern. Die erste Auswirkung eines Scheiterns der FDP an der Fünf-Prozent-Hürde wäre eine rechnerische – mit weitreichenden politischen Folgen. Je weniger Parteien es in den Bundestag schaffen, umso mehr Mandate entfallen auf die Parteien mit mehr als fünf Prozent. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die sich inhaltlich teilweise sehr nahestehenden Parteien am Rand – AfD und BSW – gemeinsam auf ein Drittel aller Sitze kommen. Da könnten sie alles blockieren, was eine Zwei-Drittel-Mehrheit voraussetzt. Nun versuchen nicht wenige, das Ausscheiden der FDP aus Gründen der „politischen Hygiene“ herbeizureden oder herbeizuschreiben. Eine AfD/BSW-Sperrminorität erscheint aus deren Perspektive offenbar als das kleinere Übel. Sollte die FDP am 23. Februar 2025 scheitern, könnte das das Ende einer bürgerlichen, marktwirtschaftlichen Partei sein. Ein neuer Christian Lindner, der wie dieser 2013 die Trümmer in mühseliger Kleinarbeit wieder zu einem ansehnlichen Ganzen zusammenfügte, ist nicht in Sicht. Zudem steht die FDP heute insgesamt viel schwächer da als 2013. Sie sitzt nur noch in neun Landesparlamenten, davon sieben Mal auf den Oppositionsbänken. Lediglich in zwei Ländern ist die FDP Regierungspartei – in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. In den Kommunen ist die FDP ebenfalls sehr schwach vertreten. Auf dieser Basis ließe sich ein Wiederaufbau der Liberalen kaum bewältigen. Diejenigen, die der FDP als Strafe für ihre Aufmüpfigkeit gegen vermeintlich zeitgeistigen Schnick-Schnack den Exitus wünschen und gönnen würden, begründen das mit der angeblichen Abkehr von ihren Positionen als Bürgerrechtspartei, mit ihrer vermeintlichen Verengung auf Steuersenkungen und Schuldenbremse. Das kann mit dieser Entschiedenheit nur behaupten, wer die Rolle der FDP während der Corona-Pandemie bewusst abwertet. Richtig ist aber auch, dass die bürgerlichen Freiheiten längst von allen demokratischen Parteien entschieden vertreten und verteidigt werden. Der Rechtsstaat würde nicht geschleift, wenn die FDP nicht mehr mit von der Partie wäre. Erhards Erben sitzen heute eher in der FDP Allerdings lässt sich nicht trennscharf zwischen bürgerlichen und wirtschaftlichen Freiheiten unterscheiden. Der alles regulierende, den Bürger betreuende und zwangsbeglückende Staat engt die Bewegungsfreiheit des Einzelnen ebenso ein wie polizeistaatliches Agieren der Behörden. Ein Staat, der von sich behauptet, er könne den Bürgern die großen Risiken des Lebens abnehmen, überschätzt sich. Wer jedes Risiko verstaatlichen will, schränkt automatisch die freie Wahl, die freie Entscheidung ein. So wird aus dem Bürger, der sein Leben selbst gestalten soll und will, ein Sozialstaatsuntertan. Zur Freiheit gehört längst mehr, als keine Angst vor einer strengen Obrigkeit haben zu müssen. Zur Freiheit gehört auch das Recht auf Entfaltung der eigenen Talente, das Recht auf Leistung, nicht zuletzt, dass Leistung nicht diskriminiert, sondern anerkannt wird. Der politische Streit, wer ein Leistungsträger ist, ist recht kleinkariert. Niemand wird bestreiten, dass eine florierende Volkswirtschaft und eine moderne, umfassende Daseinsvorsorge nicht ohne engagierte Menschen möglich sind – und zwar auf allen Ebenen, von der Spitzenposition bis zur Hilfskraft. Aber all das pathetische Lob auf die kleinen Leute, die alles am Laufen halten, ist eben nur die halbe Wahrheit. Ohne innovative, kreative Köpfe an der Spitze – Wissenschaftler, Erfinder, Gründer, Manager – nutzt noch so viel Fleiß auf den unteren Ebenen nichts. Zur DNA von Grünen und SPD gehört die Überzeugung, dass nichts, was Unternehmer, Manager und Selbstständige leisten, nicht auch vom Staat erledigt werden könnte. CDU und CSU hingegen verweisen stolz auf Ludwig Erhard und die soziale Marktwirtschaft als ihren Markenkern. Doch ist dieser Kern deutlich geschrumpft. Erhard hätte sich wohl nicht vorstellen können, dass die Union der SPD die Hand reichen würde zu solchen sozialpolitischen Großtaten wie gesetzlichem Mindestlohn, Mietpreisbremse, Rente mit 63, Frauenquote in Führungsgremien oder einer Steuerpolitik, die den Standort Deutschland weniger attraktiv macht. Erhards Erben sitzen heute eher in der FDP als in der Partei des „Mister Wirtschaftswunder“. Ein Ende der FDP wäre die Stärkung von Rot-Grün Die Freien Demokraten haben nie eine Regierung angeführt. Die Zahl der Bürger, die wirklich weniger Staat, weniger Führung und weniger Betreuung wollen, ist zu klein, um die FDP jemals zur Volkspartei werden zu lassen. Die Funktion der FDP ist die eines ständigen Mahners und Warners. Gäbe es die Liberalen nicht, hätten CDU und CSU wohl noch öfters der Neigung nachgegeben, das Soziale ganz groß zu schreiben, um als fortschrittlich zu gelten, statt als herzlose Neoliberale etikettiert zu werden. Nun hat Erhard selbst eingeräumt, im politischen Alltag könne man auch mal gezwungen sein, sich gegen den Geist der sozialen Marktwirtschaft zu versündigen. Aber, so fügte er hinzu, man müsse sich wenigstens dessen bewusst sein. Genau dieses Bewusstsein fehlt vielen in der CDU völlig. Unter diesem Gesichtspunkt kommt der FDP die doppelte Aufgabe zu, klare Alternativen zur Regulierungswut und dem Umverteilungsdrang von Rot-Grün aufzuzeigen, und zugleich die Union ständig daran zu erinnern, dass „mehr Erhard wagen“ zwar dem Zeitgeist zu widersprechen scheint, gleichwohl unumgänglich ist. Dabei ist unverändert aktuell, was Erhard über den spendablen, großzügigen Staat sagte: „Kein Staat kann seinen Bürgern mehr geben, als er ihnen vorher abgenommen hat – und das auch noch abzüglich der Kosten einer immer mehr zum Selbstzweck ausartenden Sozialbürokratie. Es gibt keine Leistungen des Staates, die sich nicht auf Verzichte des Volkes gründen.“ Den Sozialdemokraten geht es stets mehr um die Betreuung und Versorgung der Menschen. Markt, Wettbewerb und private Initiative als tragende Elemente unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sind ihnen ebenso wie den Grünen eher suspekt. Diese Elemente wurden in der Ära Merkel ohnehin nicht gestärkt, sondern geschwächt. Die FDP konnte daran in der langen Zeit der Opposition nichts ändern. In der kurzen schwarz-gelben Regierungszeit (2009 bis 2013) gelang ihr das nur bedingt, weil Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble vor allem ein Ziel hatten: die 2009 auf 14,8 Prozent gekommenen Freien Demokraten wieder kleinzukriegen. Das ist der Union auch gelungen – für den hohen Preis von acht weiteren Jahren schwarz-roter Stagnation. SPD und Grüne sähen es am liebsten, wenn die Freien Demokraten am 25. Februar von den Wählern zu Grabe getragen würden. In der Union sind viele gespalten. Am Wahltag auf Kosten der FDP drei oder vier Prozentpunkte dazuzugewinnen, würde den eigenen Anspruch aufs Kanzleramt befördern. Doch schon auf mittlere Sicht hätte die CDU dann nur noch zwei potenzielle Koalitionspartner – SPD und Grüne. Ein Ende der FDP hätte folglich vor allem ein Ergebnis: die Stärkung von Rot-Grün. Es wäre für alle, die das Land weiter nach links rücken wollen, der ultimative Erfolg. Unser Gastautor Dr. Hugo Müller-Vogg, ehemaliger F.A.Z.-Herausgeber, zählt zu den erfahrenen Beobachtern des Berliner Politikbetriebes. Als Publizist und Autor zahlreicher Bücher analysiert und kommentiert er Politik und Gesellschaft. www.hugo-mueller-vogg.de und www.facebook.com/mueller-vogg
- Tausende Flüchtlinge auf gepackten Koffern?
Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche Liebe Leserinnen und Leser, in unserem Wochenkommentar beleuchten wir die Folgen der Ereignisse in Syrien für die Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz gesucht haben, gehen auf die Ministerpräsidentenwahlen in Brandenburg und Thüringen ein sowie deren mögliche Auswirkungen auf den Bundestagswahlkampf. Wir befassen uns ferner mit Plänen der CDU für eine Agrarwende sowie mit aktuellen Zahlen zur Erderwärmung und deren Folgen für die Naturnutzung im ländlichen Raum. Ein weiteres Thema sind die Flächennutzung in Deutschland sowie die Entwicklung der Immobilienmärkte bei knapper werdenden Flächen und unterschiedlichen Bewirtschaftungsperspektiven. Wie klein die Welt mittlerweile geworden ist, zeigen erneut die dramatischen Bilder aus Damaskus. Während die Menschen in Syrien den Sturz des mörderischen Assad-Regimes feiern, wird hierzulande schon über die ganz praktischen Folgen für Deutschland diskutiert. Diese betreffen gleichermaßen die Großstädte wie den ländlichen Raum. Konkret geht es um Hunderttausende von Flüchtlingen, aber auch um viele Fachkräfte, die aus Syrien stammen und mittlerweile zu unverzichtbaren Säulen etwa in unserem Gesundheitssystem geworden sind. Dies gilt nicht zuletzt für viele Arztpraxen und Kliniken gerade im ländlichen Raum. Kein Wunder, dass sich viele Menschen hier über „ihre“ Syrer momentan Gedanken machen. Wer von ihnen will, wer von ihnen sollte möglichst bald zurück in seine ursprüngliche Heimat gehen, weil sich dort die politische Situation grundlegend geändert hat und mögliche Asylgründe entfallen sind? Noch ist die Lage in Syrien zu unübersichtlich, um kurzfristig eine drastische Umkehr der Flüchtlingszahlen zu erwarten. Aber die entsprechende Hoffnung wächst mit jedem Tag, an dem die Lage in Syrien stabiler wird und die neuen Machthaber zu ihren Versprechungen von Sicherheit, Recht und Demokratie stehen. Wünschen von Putin-Verstehern gefolgt Zurück nach Deutschland, genauer gesagt in die beiden Flächenländer Brandenburg und Thüringen. Dort haben die jeweiligen Landtage nach langem Hin und Her einen Ministerpräsidenten gewählt. SPD und CDU wird es freuen. Doch der politische Preis ist teils sehr hoch und überdies ohne langfristige Erfolgsgarantie. Vor allem der Sozialdemokrat Dietmar Woidke hat sich politisch kräftig verbogen, um den Wünschen der Putin-Versteher-Partei BSW gerecht zu werden. Die Zeche für diese Nachgiebigkeit könnte die SPD an anderer Stelle – sprich Bundesebene – zu entrichten haben. Denn durch Woidkes Konzession ist die Glaubwürdigkeit der SPD bei der Ukraine-Unterstützung zumindest in Zweifel gezogen, wenn nicht gar beschädigt. Auch in Thüringen steht der neue CDU-Ministerpräsident Mario Voigt in Sachen BSW vor einer Gratwanderung. Allerdings zeigt die Wagenknecht-Partei in Erfurt mehr landespolitisches Selbstbewusstsein und Rückgrat gegenüber ihrer radikalen Parteigründerin. Dies macht die Situation der CDU mit Blick auf den Bundestagswahlkampf etwas einfacher als für die Sozialdemokraten angesichts der ideologischen Verrenkungen in Brandenburg. Die Ausgangslage für die Union ist ohnehin besser als die der anderen Parteien nach dem krachenden Scheitern der Berliner Ampelkoalition. CDU und CSU führen in den Umfragen zur Bundestagswahl mit großem Vorsprung. Doch abgerechnet wird bekanntlich erst zum Schluss. Bis zum Wahltag kann noch vieles passieren. Auch intern kann sich die Union wie im Wahlkampf 2021 wieder selbst ein Bein stellen. Damals hatte Markus Söder dem damaligen CDU-Chef Armin Laschet die Kanzlerkandidatur zu lange streitig gemacht. Diesen allzu offensichtlichen Fehler hat Söder dieses Mal vermieden, indem er Friedrich Merz von Anfang an den Vortritt ließ. Aber so ganz scheint Bayerns Ministerpräsident nicht aus seiner Haut zu können. Dass er bereits Posten nach einem Wahlsieg verteilen will – Stichwort neuer Landwirtschaftsminister – ist ebenso heikel, wie die kategorische Absage an eine Koalition mit den Grünen. Auch Merz hegt erklärtermaßen keinen Sympathien für die Ökopartei. Doch als Druckmittel bei möglichen Koalitionsverhandlungen mit der SPD könnte sie ihm unter Umständen sehr nützlich sein. Wertschätzung und Lösungssuche im Konsens statt Kontrolle und Konflikt: Eine deutliche Wende in der Agrarpolitik können die Landwirte von einer neuen, unionsgeführten Bundesregierung erwarten. Kanzlerkandidat Merz wurde am späten Donnerstag im sauerländischen Olsberg vor Vertreterinnen und Vertretern der westfälisch-lippischen Land- und Forstwirtschaft bereits konkret: Die stufenweise Abschaffung der Rückvergütung beim Agrardiesel – ein Beschluss der gescheiterten Ampel-Regierung – will er zurückführen. Insgesamt sollen die deutschen Landwirte steuerlich nicht schlechter dastehen als ihre Berufskollegen in den europäischen Ländern. Merz will Rahmenbedingungen schaffen, die die Betriebe in die Lage versetzen, im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Dazu gehört auch das Dauerthema Bürokratie. „Das müssen wir grundsätzlich anfassen“, sieht der CDU-Vorsitzende dringenden Handlungsbedarf auf allen Ebenen. Ein Drittel der Berichtspflichten müsse man streichen. In der kommenden Woche gehen wir in unserem Blog noch einmal detailliert auf diese Vorschläge ein. Wärmstes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen Entscheidend ist jetzt, dass alle politischen Parteien konkret und überzeugend darlegen, wie sie die großen Herausforderungen nicht zuletzt für den ländlichen Raum bewältigen wollen. Denn die dünner besiedelten Regionen mit einer intensiven Naturnutzung sind allzu lange vernachlässigt worden. Hinzu kommt, dass hier die Folgen des Klimawandels und der Energiewende besonders stark zu spüren sind. Das reicht vom teils problematischen Bau neuer Stromtrassen – siehe hierzu auch unseren Blogbeitrag von Christoph Boll am Donnerstag – bis hin zu notwendigen Anpassungen in der Forst- und Landwirtschaft. Überall steigt der Druck angesichts des fortschreitenden Klimawandels. So berichtet jetzt der EU-Dienst Copernicus, dass 2024 wohl das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen sein werde. Zudem dürfte die Temperatur in diesem Jahr erstmals im Schnitt mehr als 1,5 Grad höher als im vorindustriellen Mittel sein, also im Vergleich zu den Jahren 1850 bis 1900. Der EU-Klimawandeldienst Copernicus stützt sich bei dieser Prognose auf einen Datensatz, der auf Milliarden von Messungen basiert. Halb Deutschland landwirtschaftlich genutzt Bleiben wir im ländlichen Raum und bei Zahlen, die man sich leicht merken kann. Ein Drittel der Fläche Deutschlands ist bewaldet und die Hälfte gehört nach Angaben des Bundesumweltamtes zur Kategorie landwirtschaftlich genutzt. Zur Vollständigkeit: Knapp 15 Prozent macht die Fläche aus, wo wir wohnen, arbeiten und uns bewegen. Sie wird als „Siedlung und Verkehr“ aufgeführt. Der Rest sind Seen, Flüsse, Kanäle und nahe Küstengewässer sowie „sonstige Flächen“. Genau ist das hier nachzulesen . Die Zahlen verdeutlichen Größenordnungen, wenn wir von der Nutzung reden. Auf dem Lande betrifft das die große Gruppe der Naturnutzer. Mit ihren Interessen befassen wir uns in den Beiträgen unseres Blogs. In Stichworten umfasst das unter anderem Belange von Landwirten, Forstwirten, Eigentümern, Pächtern, Jägern, Imkern, Fischern, Reitern, aber auch die Energiewirtschaft und den großen Anteil, den wir als Naturgenießer oder Erholungssuchende mit ihren Freizeitinteressen bezeichnen wollen. In unseren Beiträgen reden wir vom „ländlichen Raum“, dessen Gewicht durch die zitierten Zahlen allein schon statistisch belegt ist. Wie entwickeln sich Flächen in öffentlichem und privatem Eigentum? Die Immobilienmärkte sind deshalb ein spannendes Thema, dem unser Autor Wolfgang Kleideiter nachgegangen ist. Sein Beitrag „Markt entwickelt sich deutlich differenzierter“ erscheint am Montag. Als Gesprächspartner hat er den Fachmakler Julius Losch befragt, weil Kaufwerte und Marktentwicklungen bei knapper werdenden Flächen und unterschiedlichen Bewirtschaftungsperspektiven auch für viele unserer Nutzer mit Eigentumsinteressen von Interesse sein müssen. Gelegentlich werden wir in unserem Blog weiter unser Augenmerk auch auf diesen Themenbereich richten. Ich wünsche Ihnen eine gute, positive Woche und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination
- Merz will Prioritäten neu setzen
Mitten im Hochsauerland skizziert Friedrich Merz vor Land- und Forstwirten die Agrarpolitik einer von CDU/CSU geführten Bundesregierung. Eine Botschaft lautet: Die Leistung der Bauernfamilien für die Gesellschaft soll wieder mehr Anerkennung und Unterstützung erfahren WLV-Präsident Hubertus Beringmeier (l.) und Wilhelm Kühn (r.), Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Hochsauerland, mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz. (Foto: Wolfgang Kleideiter) Schwere Dachbalken, stabile Werkbänke, High-Tech-Maschinen: Die Ausstattung des „Zentrum Holz“ in Olsberg passt gut zum Thema des Abends. Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, will in Deutschland manches wieder zurechtrücken, Fehlentwicklungen korrigieren, Prioritäten neu setzen. Auch in der Agrarpolitik, die an diesem eisigen Dezemberabend im Mittelpunkt steht. Fast 150 Frauen und Männer aus der Landwirtschaft hören Merz sehr aufmerksam zu. Viele kennen ihn näher, denn der Fraktionschef der Union im Bundestag stammt aus dem sauerländischen Brilon und ist in Arnsberg zu Hause. Also ein Heimspiel im schon angelaufenen Bundestagswahlkampf? Dieses Etikett würde dem Zusammentreffen – offiziell eine „erweiterte Kreisverbandsausschusssitzung“ des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) – nicht gerecht. Der Kandidat verspricht keine Verbandspolitik im Ministerium, aber ein Landwirtschaftsministerium, in dem ohne ideologische Scheuklappen, mit Sachverstand, Fairness und Anerkennung für die Leistungen der Höfe gearbeitet wird. Denn dies, da sind sich Friedrich Merz und sein Mit-Gastgeber WLV-Präsident Hubertus Beringmeier einig, ist in den vergangenen Jahren unter der Ampel-Regierung nicht der Fall gewesen. Zur politischen Wende passen die Überlegungen in der CDU, die spätestens seit Russlands Angriff auf die Ukraine ins Zentrum gerückte Ernährungssicherheit als ein weiteres Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen. Friedrich Merz hält diesen Schritt für wichtig, weil auch das Tierwohl bereits im Grundgesetz steht. Die Landwirtschaft sei eine Schlüsselbranche und müsse auch als solche gesehen und behandelt werden. Noch bevor der Entwurf des Wahlprogramms der Union in diesen Tagen bekannt wird, spricht der Kanzlerkandidat in Olsberg Punkte an, die die Betriebe und den ländlichen Raum umtreiben. Merz will die stufenweise Abschaffung der Rückvergütung beim Agrardiesel – ein Beschluss der gescheiterten Ampel-Regierung – sofort stoppen. Die deutschen Landwirte sollen steuerlich nicht schlechter dastehen als ihre Berufskollegen in den europäischen Ländern. Merz – so sein Versprechen in Olsberg – wird für Rahmenbedingungen eintreten, die die Betriebe in die Lage versetzen, im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Dauerbrenner Bürokratieabbau Dazu gehört auch der Dauerbrenner Bürokratieabbau. „Das müssen wir grundsätzlich anfassen“, sieht der CDU-Vorsitzende auf allen Ebenen Handlungsbedarf. Ein Drittel der Berichtpflichten sollte man streichen. Es könne nicht angehen, dass deutsche Behörden EU-Richtlinien bei deren Umsetzung immer mit einem zusätzlichen „Goldrand“ ausstatten und damit Agrarbetriebe wegen strengerer Regelungen Wettbewerbsnachteile hätten. Laut Merz muss bei der Agrarpolitik weit mehr als bisher „Hand in Hand“ vorgegangen werden. Dafür will Merz auf EU-Ebene kämpfen. Ohne das große Ziel der Klimaneutralität infrage zu stellen, sieht er nicht den „Green Deal“, sondern wegen tektonischer Veränderungen in der Weltpolitik einen „Deal für mehr Wettbewerbsfähigkeit der EU“ auf Platz eins der gesamteuropäischen Aufgabenliste. Der 69-Jährige verteidigt auch deshalb vor den Landwirten das Mercosur-Freihandelsabkommen. Mit Blick auf die geringen Mengen zum Beispiel bei der Einfuhr von Rindfleisch („1,2 Prozent“) müsse man in Deutschland „vor diesem Wettbewerb keine Angst haben“. Und die von der Landwirtschaft geforderte Standards gehörten nun einfach nicht in ein Freihandelsabkommen. Das gefällt nicht jedem Zuhörer. Aber dafür erntet Friedrich Merz bei den Landwirten an vielen anderen Stellen lauten Beifall und spricht ihnen aus der Seele. Politikwechsel für Deutschland bedeutet für den Kanzlerkandidaten auch, das Klage- und Interventionsrecht der Verbände wieder deutlich zu reduzieren. Die Einflussnahme zum Beispiel der Deutschen Umwelthilfe auf Planungen an allen Stellen im Land sei nicht in Ordnung. Merz spricht von einer „Klage-Industrie“. Nach fast zwei Stunden Vortrag, Dialog und Fragerunde endet der Termin im „Zentrum Holz“. Hubertus Beringmeier und Wilhelm Kühn, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Hochsauerland, die noch viele weitere Themen ansprechen, sind froh, dass sie Friedrich Merz schon vor Monaten eingeladen hatten. Damals war von einer Neuwahl im Frühjahr 2025 noch nicht die Rede. Dass Merz auch als Spitzenkandidat Wort hielt und anreiste, kommt bei den Bauern gut an. Zum Dank gibt´s einen Korb Nahrungsmittel aus der Heimat – das Sauerland lässt grüßen.
- Endgültiges Aus für zweiten NRW-Nationalpark
Nordrhein-Westfalen bekommt keinen zweiten Nationalpark. Der Bürgerentscheid im Kreis Kleve, den dortigen Reichswald mit dem höchsten Schutzstatus zu versehen, ist gescheitert NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Foto: Land NRW / Mark Hermenau) Nach vier Tagen langen Auszählens der Stimmzettel steht seit Sonntagnachmittag fest, 52,7 Prozent votieren gegen eine Nationalpark-Ausweisung. Damit dürfte auch ein Renommierprojekt der Grünen und ihres Landesumweltministers Oliver Krischer endgültig am Ende sein. Sie hatten 2022 in den Verhandlungen mit der CDU zur Bildung einer neuen Landesregierung im Koalitionsvertrag festschreiben lassen, NRW solle neben der Eifel einen zweiten Nationalpark erhalten. Die Landesregierung, allen voran Ministerpräsident Hendrik Wüst, hatte aber stets betont, sie werde keiner Region einen Nationalpark aufzwingen. Sechs Gebiete waren in Düsseldorf als geeignet ausgemacht worden und standen zwischenzeitlich zur Diskussion. Doch überall winkten die zuständigen Kommunalparlamente dankend ab. Nach der politischen Entscheidung in den Kreistagen taten das auch die Wähler in den Kreisen Paderborn und Höxter mehrheitlich, als es dort in einem Bürgerentscheid um einen möglichen Nationalpark Egge ging. So blieb als letzte Chance der Reichswald. Er ist mit 51 Quadratkilometern das größte zusammenhängende Waldgebiet am Niederrhein und der größte zusammenhängende öffentliche Staatsforst in NRW. Sein heutiges Aussehen mit vielen Rotbuchen und Eichen erhielt er durch Aufforstungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Außergewöhnlich hoch ist nach Angaben des Kreises auch die Zahl brütender Greifvögel. Formal ging es beim ausschließlich als Briefwahl organisierten Bürgerentscheid um die Frage „Soll sich der Kreis Kleve beim NRW-Umweltministerium um die Realisierung eines zweiten Nationalparks auf den Flächen des Reichswalds bewerben?“ Mangels verbliebener Alternativen aber hätte ein „Ja“ wohl zugleich die Zustimmung zum Zuschlag aus Düsseldorf bedeutet. Krischer hatte ursprünglich die Egge favorisiert, konnte dann aber auch dem Reichswald viel abgewinnen: „Wir haben viele Nationalparke im Mittelgebirge und in den Alpen, aber gerade in Nordwestdeutschland fehlt ein solcher Nationalpark.“ Befürworter der Nationalpark-Idee argumentieren mit dem Ziel, die Artenvielfalt verbessern zu wollen. So betonte Krischer: „Ohne eine intakte Natur, ohne ein wildes und lebendiges Nordrhein-Westfalen sind unsere Lebensgrundlagen gefährdet.“ Kritiker hingegen fürchten Einschränkungen für die örtliche Wirtschaft und Naherholungssuchende. Denn in einem Nationalpark darf bis auf wenige Ausnahmen keine Forstwirtschaft betrieben werden, Windräder dürfen nicht aufgestellt werden und für Wanderer, Radfahrer, Reiter und Jäger sind Einschränkungen möglich. Strittig ist, ob ein Nationalpark Motor des Tourismus ist oder ihn bremst. Gleiche parteipolitische Fronten Parteipolitisch verliefen die Fronten fast überall gleich: SPD und Grüne auf der Pro-Seite, gegenüber FDP und CDU, die im Kreis Kleve zudem vor möglichen Einschränkungen bei der Versorgung der Menschen mit Trinkwasser aus dem Reichswald warnten. Die Christdemokraten sahen sich dabei auch dem Vorwurf ausgesetzt, ihre ablehnende Haltung vor Ort sei ein Bruch des Koalitionsvertrages auf Landesebene. So hatte auch der Grünen-Landtagsabgeordneten Dr. Volkhard Wille argumentiert. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Rouenhoff hielt dem entgegen, der Kreis Kleve sei kein Notnagel für ein grünes Prestige-Projekt. Dabei war dies noch eine milde Form der Auseinandersetzung um die Deutungshoheit. Auf beiden Seiten versuchten Interessengruppen, die Wähler höchst pointiert und auch polarisierend zu überzeugen. Da wuchs sich Engagement durchaus zu Polemik aus. Sachorientierung wich schierer Emotionalität. Wahlplakate wurden zerstört, der Gegenseite Lügen und niedere Motive sowie der Kreisverwaltung Manipulation der Ergebnisse unterstellt. Vollends eskalierte der Streit durch ein Video, das Willes Wahlkreisbüro-Leiter in den sozialen Medien veröffentlichte. Darin fordert er die Zuschauer zu Ja-Stimmen für das Schutzgebiet auf mit den Sätzen „Hey du, komm mal näher. Ich verrate dir, wie du ein paar alte weiße, sehr sehr reiche und korrupte Männer ganz schön ärgern kannst.“ Der Versuch von Ironie und Satire diente später als Entschuldigung bzw. Erläuterung für das Video. Der anhaltende Streit trug zugleich zu einer hohen Mobilisierung der Wähler bei. Für einen positiven Bürgerentscheid hätten mindestens 15 Prozent der 265.000 Wahlberechtigten, also knapp 40.000, mit „Ja“ stimmen müssen und es hätten mehr sein müssen als die Nein-Stimmen. Am Ende gab es fast 116.000 abgegebene Stimmzettel. 41,8 Prozent der Stimmberechtigten gaben laut Kreisverwaltung eine gültige Stimme ab. Bei der jüngsten Europawahl gingen im Kreis Kleve rund 140.000 Menschen an die Wahlurne, bei der Stichwahl der Landratswahl im Jahr 2022 etwa 52.000 Menschen. Das Thema Nationalpark dürfte nun in NRW endgültig vom Tisch sein. Aber Umweltminister Krischer hatte bereits vorausschauend erklärt, das Ziel, die biologische Vielfalt im Land zu schützen, wäre nicht gescheitert, nur weil es keinen zweiten Nationalpark gäbe. „Nationalparke sind eine von vielen Möglichkeiten, über die wir sprechen können“, sagt er. Alternativ könnte nun die Renaturierung von Mooren als Beitrag zum Arten- und Klimaschutz verstärkt werden. Das hatte bereits der Bund Deutscher Forstleute Nordrhein-Westfalen (BDF NRW) vorgeschlagen. Die Umwidmung des Reichswalds in einen Nationalpark hatten die Förster wohl auch eingedenk des möglichen Fortfalls gut dotierter Stellen für ihren Berufsstand abgelehnt. In Mooren hingegen gibt es kaum Forstwirtschaft. „Nordrhein-Westfalen verfügt im Vergleich zu anderen Bundesländern über kleinflächigere Moore, aber wir haben das Potenzial für mehr“, zitiert die Süddeutsche Zeitung Krischer.
- Markt entwickelt sich deutlich differenzierter
Die Kaufwerte für landwirtschaftliche Flächen sind 2023 auf ein Allzeithoch gestiegen. Im Jahr 2024 setzte sich der Trend aus Sicht von Branchenexperten zwar mancherorts fort, doch die Entwicklung ist bundesweit längst nicht mehr einheitlich Foto: Oliver Mohr / pixelio.de Landwirtschaftliche Flächen waren laut Statistischem Bundesamt 2023 in Deutschland so teuer wie nie zuvor. Nordrhein-Westfalen und Bayern standen dabei unangefochten an der Spitze. In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Bodenpreise dort fast vervierfacht. Noch teurer ist es in den Niederlanden. Dort zahlten Landwirte laut Top Agrar im dritten Quartal 2024 für einen Hektar Ackerland im Schnitt 101.200 Euro. Der Flächenpreis bei Kauf und Pacht entwickelte sich laut Agrarmakler Julius Losch auch in diesem Jahr nach oben. Doch die Entwicklung, so der Experte für landwirtschaftliche Immobilien im Gespräch mit unserem Blog, sei inzwischen deutlich differenzierter und bundesweit nicht mehr einheitlich. Im deutschlandweit tätigen Büro Losch & Meyer kennt man als Agrar- und Forstmakler das komplexe und vielschichtige Geschäft seit vielen Jahren. Verkaufs- und Kaufpreise, so die Erfahrung, hängen gerade in diesem Spezialbereich von einer Vielzahl durchaus regionaler Faktoren ab. So entwickelten sich nach Beobachtung des Maklerbüros zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen die Preise insbesondere in der Köln-Aachener Bucht, am nördlichen Niederrhein und im Westmünsterland auch im Jahr 2024 weiterhin nach oben. Eine eher stagnierende Entwicklung gab es wiederum in den strukturschwächeren Gebieten wie dem Westerwald oder im Kern der Eifel. Die anhaltend hohe Nachfrage wird nach Worten von Julius Losch sowohl durch Wohnbau- und Gewerbeausweisungen, Straßenbau sowie Kiesabbau als auch dadurch verstärkt, dass Politik und Gesellschaft den ländlichen Raum in den zurückliegenden Jahren stärker in den Fokus genommen haben. „Nicht nur der Flächenbedarf für Infrastrukturprojekte und Bauvorhaben ist groß, auch der Anspruch an den ländlichen Raum hat sich erhöht.“ Neben der Energiewende, deren Folgen überwiegend im ländlichen Raum, zum Beispiel der Ausbau der Leitungstrassen oder der Bau von Windenergie- und Photovoltaikparks, zu spüren sind, verschärft der zunehmende Flächenverbrauch für ökologische Schutzzwecke den Druck im Markt. Beim Flächenerwerb geht es meist um strategische Zielsetzungen Dass land- und forstwirtschaftliche Flächen allein als Kapitalanlagen angesehen werden, erlebt man bei Losch & Meyer selten. „Die Rendite ist eher schmal. Meist geht es beim Erwerb um strategische Zielsetzungen oder die Absicherung eines bereits vorhandenen Wertes“, erläutert Julius Losch. „Handelt es sich um angrenzende Flächen, von denen der eigene Betrieb nicht zu weit entfernt ist? Könnte es sich auf mittlere Sicht um Flächen handeln, die eine Arrondierung ermöglichen oder gar eine Ausweisung als Wohn- oder Gewerbeflächen erfahren? Diese Fragen stehen im Vordergrund.“ Tatsächlich belief sich die Inanspruchnahme von Landwirtschaftsfläche durch Umwandlung in verschiedene andere Nutzungsarten im Schnitt der letzten vier Jahre auf 117 Hektar pro Tag. Vom politischen Ziel, den Verlust durch Siedlung und Verkehr auf unter 30 Hektar pro Tag zu senken, ist man weit entfernt. Im Kölner Büro stammen rund 90 Prozent der Käufer und Verkäufer aus der Landwirtschaft oder es sind Vertreter der öffentlichen Hand oder Konzerne. Natürlich kennt man im Bereich der Hofanlagen und Landhäuser auch den Typus Träumer, der fern der Realität sein Leben auf dem Land verwirklichen und eine Hofanlage erwerben und umnutzen will. Julius Losch: „Hier nehmen wir uns durchaus die Freiheit, die Vorstellungen zu korrigieren.“ Aufgrund des Flächenbedarfs diskutiert die Politik darüber, außerlandwirtschaftlichen Investoren den Zugriff auf Land und Forst zu erschweren. Das Grundstückverkehrsgesetz von 1962 soll neu gefasst werden. In manchen Punkten könnte sich Julius Losch eine Verbesserung vorstellen, zum Beispiel beim landwirtschaftlichen Vorkaufsrecht. Hier sorgt die Systematik in NRW dafür, dass ein Landwirt, der in einen Kaufvertrag einsteigen will, wegen des Umwegs über das Siedlungsunternehmen NRW-Urban GmbH & Co. KG zweimal Grunderwerbs- und Notarkosten zahlen muss. Das macht die Flächen am Ende sehr teuer. Julius Losch: „Das Für und Wider muss offen diskutiert werden. Und auch die Frage des Eingriffs in das Eigentumsrecht ist zu beantworten.“
- Misstrauen auf den Landtagsfluren
Drei Bundesländer, drei wackelige Bündnisse: Während in Thüringen und Brandenburg die Regierungen stehen, wird in Sachsen bald ein Politik-Krimi aufgeführt Neu-Ministerpräsident Voigt (Foto: Guido Werner) Vor knapp fünf Jahren fand das Polit-Drama in Thüringen statt. Im Februar 2020 wurde der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten für einen Tag gewählt. Schockwellen gingen über die gesamte Republik. In dieser Woche stand das kleinere Drama in Potsdam auf dem Spielplan: Die Wahl des Dietmar Woidke zum Ministerpräsidenten von Brandenburg klappte erst im zweiten Wahlgang – und lässt reichlich Spekulationen und Misstrauen. Mucksmäuschenstill war es, als am Mittwochmittag das Ergebnis des zweiten Wahlgangs für den alten und neuen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke im Potsdamer Landtag verkündet wurde: 50 Ja-Stimmen. 50? Im ersten Wahlgang fehlten Woidke noch zwei Stimmen. Geschenkt, dachten viele auf den Fluren des Landtages. Beim zweiten Wahlgang votierten dann in geheimer Abstimmung sogar 50 Abgeordnete für den SPD-Politiker, 36 Abgeordnete stimmten gegen ihn, ein Abgeordneter enthielt sich. Für die Wahl waren 45 Ja-Stimmen notwendig. SPD und BSW, die in Brandenburg eine neue Koalition bilden, haben zusammen aber nur 46 Abgeordnete. Woidke, der nach der Wahl den Amtseid ablegte, bekam also auch Ja-Stimmen aus der Opposition. Wegen der geheimen Abstimmung in Wahlkabinen bleibt unklar, von wem. Der brandenburgische CDU-Fraktionschef Jan Redmann äußerte die Vermutung, dass Woidke mit Stimmen der AfD wiedergewählt worden sei. "Dietmar Woidke ist nach Thomas Kemmerich der zweite Ministerpräsident, der mit den Stimmen der AfD ins Amt kommt." Aus der CDU habe es keine Zustimmung zu dieser Koalition gegeben, schrieb er. Warum keine namentliche Abstimmung beantragt wurde, bleibt aber Redmanns Geheimnis. Zum angespannten politischen Klima in Brandenburg dürfte auch eine Personalie beitragen, die für die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft und die Jäger in dem Bundesland wichtig ist: Hanka Mittelstädt. Die SPD-Politikerin ist im Kabinett Woidke als neue Landwirtschaftsministerin gesetzt, gilt auch als Agrarfachfrau. Doch – und damit beginnt die Sache schwierig zu werden – Mittelstädt hat ein Problem. Aktuell ist sie noch als Geschäftsführerin der "Ucker-Ei GmbH" in der Gemeinde Nordwestuckermark eingetragen. Und laut brandenburgischer Verfassung dürfen Mitglieder im Landeskabinett kein Gewerbe ausüben. Die SPD-Politikerin hat zwar die Ernennungsurkunde ausgestellt bekommen, vereidigt wurde sie aber noch nicht. Reibungslose Wahl in Erfurt Diese Hürde haben die Kabinettsmitglieder der neuen Landesregierung von Thüringen schon genommen. Neuer Ministerpräsident einer Minderheitsregierung ist Mario Voigt. Er übernimmt jetzt den Platz von Bodo Ramelow, der die vergangenen Jahre die Amtsgeschäfte in der Staatskanzlei geführt hatte. Damit endet das Bündnis aus Linkspartei, SPD und Grünen in Thüringen, dessen schwache Bilanz vor allem für den Agrarbereich oft nur durch die Führungsperson Ramelow "übertüncht" wurde. Doch Ramelow machte auch den Weg für Deutschlands erste Brombeer-Koalition frei: Der Christdemokrat Mario Voigt erhielt bereits im ersten Wahlgang 51 Stimmen der insgesamt 88 Abgeordneten und damit die nötige absolute Mehrheit. Die Linksfraktion hatte zuvor nach Zugeständnissen der Koalitionsfraktionen CDU, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und SPD für eine künftige Zusammenarbeit Unterstützung für Voigt zugesagt. Also, kein großes Drama, sondern nur die Hoffnung, dass die Salon-Kommunistin und Putin-Versteherin Sahra Wagenknecht ihre BSW-Vertreter im Kabinett arbeiten lässt. Unsichere Mehrheit für Kretschmer In Dresden kommt es am 18. Dezember zum Showdown: An diesem Tag will sich Michael Kretschmer in Dresden zum sächsischen Ministerpräsidenten wählen lassen. 100 Seiten umfasst der zwischen CDU und SPD ausgearbeitete Koalitionsvertrag. Sie wollen mehr Entwicklung im ländlichen Raum, in Bildung investieren, Anreize für mehr Klimaschutz (besonders Hochwasserschutz) setzen und "irreguläre Migration" begrenzen. Allerdings hat die ganze Sache einen Haken: Die beiden Parteien haben zusammen nur 51 Stimmen und keine Mehrheit im Landtag – ihnen fehlen zehn Stimmen. Wer mithelfen soll, Michael Kretschmer dennoch zur Mehrheit zu verhelfen, ist unklar. Grüne und Linke haben sich gesprächsbereit gezeigt, mit der AfD will keiner reden. Die Rechtspopulisten schielen auf 2029 und hoffen, dass das fragile Bündnis der seit der Wende regierenden CDU in Sachsen ihnen weiteren Zulauf bringt. Deswegen ist es durchaus möglich, dass sie Kretschmer wählen werden. Eine vergiftete Unterstützung, die keiner will. Auflösung am 18. Dezember.